Hildesheim. Zahlreiche Straßen überschwemmt, Katastrophenalarm in Goslar. 1500 Feuerwehrleute im Landkreis im Einsatz.

Überflutete Straßen, evakuierte gesperrte Bahnstrecken, Bäche, die zu reißenden Flüssen werden - Im Süden Niedersachsens, vor allem im Harz, herrscht wegen des Dauerregens der Ausnahmezustand.

Wegen der starken Regenfälle droht die Zillierbachtalsperre oberhalb von Wernigerode im Harz überzulaufen. „Wir rechnen damit, dass es am späten Nachmittag oder am Abend passiert“, sagte Maren Dietze, Leiterin Betrieb des Talsperrenbetriebs Sachsen-Anhalt, am Mittwochnachmittag in Blankenburg. Die Talsperre habe in den vergangenen Tagen schon eine ganze Menge Wasser zurückgehalten und werde nun wie eine volle Badewanne überlaufen. Andere Möglichkeiten gebe es nicht. Zuvor hatte Radio SAW darüber berichtet. Wie groß das Ausmaß am Ende sei, hänge auch vom Zulauf ab. Sturzbachähnlich werde es aber nicht. Laut Talsperrenbetrieb fasst die Zillierbachtalsperre 2,83 Millionen Kubikmeter Wasser.

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) Sachsen-Anhalt twitterte am späten Nachmittag,  dass sich die Situation an der Talsperre entspanne. Wenn sie überlaufe, dann geordnet und mit sehr kleinen Wassermengen.

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Der MDR zititierte auch den Oberbürgermeister von Wernigerode, Peter Gaffert. Demnach wird es aufgrund zurückgehender Wassermassen keine Evakuierungen mehr geben.

Drei Feuerwehrleute im Einsatz durch Verkehrsunfall verletzt

 In Niedersachsen wurden drei Feuerwehrmänner im Hochwassereinsatz bei einem Verkehrsunfall verletzt, zwei von ihnen schwer. Das Einsatzfahrzeug der Feuerwehr war nach Polizeiangaben am Mittwoch mit Blaulicht und Martinshorn zu einem Einsatz in Wolstorf bei Helmstedt unterwegs. Aus bislang ungeklärter Ursache geriet das Fahrzeug plötzlich auf den unbefestigten Seitenstreifen, der wegen der Regenfälle stark aufgeweicht war. Der 55-jährige Fahrer verlor dabei auf der Landesstraße 641 die Kontrolle über das Fahrzeug, fuhr etwa 70 Meter über den Seitenstreifen und prallte schließlich gegen einen Baum. Durch den Aufprall wurden der Fahrzeugführer, der 23 Jahre alte Beifahrer schwer und ein weiterer 24-jähriger Feuerwehrmann in dem Fahrzeug leicht verletzt. Alle wurden ins Krankenhaus gebracht.

Katastrophenalarm im Landkreis Goslar

Wegen Dauerregens und Überflutungen hat der Landkreis Goslar am Mittwoch Katastrophenalarm ausgerufen. Damit übernahm der Katastrophenschutzstab des Kreises die Einsatzleitung im Hochwassergebiet´. Dort sind derzeit  nach Behördenangaben 1500 Feuerwehrleute wegen der massiven Überflutungen im Einsatz. Viele Kräfte wurden in Amtshilfe in das Kreisgebiet in Südniedersachsen geschickt.

„Die Lage ist weiter sehr, sehr angespannt. Alles, was wir an Einsatzkräften zur Verfügung haben, ist im Einsatz“, betonte Weihrich. In Goslar seien auch ein oder zwei Straßenzüge in der Altstadt wegen des Hochwassers evakuiert worden. Es sei noch unklar, wie viele Menschen davon betroffen gewesen seien. Verletzte gebe es nach bisherigem Kenntnisstand nicht.

Bürgertelefone in drei Städten eingerichtet

Die  Behörden im Harz haben Bürgertelefone eingerichtet, bei denen Auskünfte unter anderem zur aktuellen Lage sowie zu Hilfsangeboten eingeholt werden können: Stadt Goslar 05321/704-115, Stadt Seesen 05381/75-222 (bis 18 Uhr), Stadt Bad Harzburg 05322/74-120

Intensität  des Regens soll langsam nachlassen

Der deutsche  Wetterdienst (DWD) macht den  von Überschwemmungen geplagten  Bürgern aber Hoffnung: Tief „Alfred“, das Deutschland in den vergangenen Tagen getränkt hat, zieht nach Osten ab. Zwar hört der Regen damit nicht auf, aber die Intensität lässt nach, teilte der  DWD am Mittwoch mit.

Das heißt nicht, dass es trocken bleibt. Am (morgigen) Donnerstag fällt im Osten zeitweise Regen, vom Nordosten Brandenburgs bis nach Ostsachsen und Südostbayern kann es auch noch länger und kräftiger regnen. Im Westen und Südwesten kommen Schauer auf, dazwischen scheint ab und zu die Sonne. Die Höchstwerte erreichen 19 bis 24 Grad. Mit Blick aufs Wochenende zeichnet sich eine allmähliche Beruhigung mit wieder steigenden Temperaturen ab.

Besonders betroffen vom Dauerregen der vergangenen Tage war nach Angaben des DWD ein Streifen vom südlichen Niedersachsen über Teile Hessens und Thüringens bis nach Nordbayern. Dort fielen binnen 48 Stunden verbreitet mehr als 100 Millimeter Regen - und damit teils deutlich mehr als sonst in einem gesamten Juli. Auf dem Brocken im Harz registrierte der DWD sogar 238 Millimeter Regen, in Seesen im Harz 161 Millimeter, in Helbedündorf in Thüringen 134 Millimeter und in Hessisch-Lichtenau 111 Millimeter.

Bahnhof in Bad Harzburg gesperrt

Im Kreis Goslar setzte Tief „Alfred“ einigen Orten schwer zu. Die Polizei Braunschweig rief am Mittwochnachmittag dazu auf, den Ort Vienenburg weiträumig zu umfahren. Die Ortsdurchfahrt  war gesperrt, zahlreiche Straßen überflutet. In Goslar selbst traf es die ganze Innenstadt, wo braune Wasserfluten durch die Straßen strömten.„Hier ist Land unter“, sagte eine Verwaltungsmitarbeiterin in der 23 000-Einwohner-Stadt Bad Harzburg im Kreis Goslar am Vormittag. Dort stand das Wasser in vielen Straßen mindestens 20 Zentimeter hoch. Nichts ging mehr am Bahnhof, wo die Gleise unter Wasser standen. Auch die Bundesstraße 4 war teilweise unpassierbar, wie eine Polizeisprecherin mitteilte. 350 Feuerwehrleute waren im Dauereinsatz.

Hotels und Wohnhäuser in Goslar und Altenau evakuiert

 Auch in Goslar steigen die Wasserpegel. Wie die Polizei Braunschweig mitteilt, ist die Innenstadt von Goslar gesperrt, ein Hotel  und eine  Seniorenresidenz wurden am Mittwochmorgen evakuiert. In Altenau wurden ein Hotel und ein Wohnhaus evakuiert. Dort wurde  auch eine  Brücke zerstört, um den Wasserdurchlauf zu erhöhen.

Die niedersächsische Landesregierung wappnet sich  für eventuelle Großlagen. „Das Kompetenzzentrum Großschadenslagen wurde heute morgen mit einer mittleren Besetzung hochgefahren“, sagte Mirko Temmler vom Referat für Brand- und Katastrophenschutz des Innenministeriums am Mittwoch in Hannover. Trotz nachlassenden Regens betonte er: „Wir können sicherlich noch nicht ganz Entwarnung geben.“

In Hildesheim sinken die Pegel, in anderen Orten steigen sie noch an

Im Bereich Hildesheim hatte die Innerste - ein Nebenfluss der Leine - am Pegel Heinde mit 7,14 Meter rund 40 Zentimeter über dem höchsten Hochwasser aus dem Jahr 2007 gelegen. Seit acht Uhr gebe es aber einen um 15 Zentimeter fallenden Pegel. „Aber das Wasser ist natürlich noch da, es braucht eine Weile, bis es abläuft.“ 

Die Pegelstände der Innerste in Heinde (Landkreis Hildesheim) und der Nette in Groß Rhüden (Kreis Goslar) erreichten nach Angaben der niedersächsischen Hochwasservorhersagezentrale (HWVZ) neue Rekordwasserstände. Bereits am Vormittag lag der Wasserstand am Pegel Heinde 40 Zentimeter über dem Höchststand von 2007. Die Wasserstände seien an diesen Pegeln immer noch steigend, bis zum Abend würden aber die Scheitel voraussichtlich erreicht sein.

In Wernigerode wird eine 69 Jahre alte Frau vermisst

Die Feuerwehr in Niedersachsen kämpft weiter gegen drohende Überschwemmungen.  Besonders betroffen ist der Harz. In Wernigerode jetzt eine 69 Jahre alte Frau vermisst,  Die Frau wohne direkt an der Holtemme in Wernigerode (Sachsen-Anhalt), sagte ein Polizeisprecher am Mittwochmorgen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Frau am Dienstag in den stark angestiegenen Fluss gefallen ist. Die 69-Jährige wurde bis zum Mittwochvormittag noch nicht gefunden.

In Hildesheim droht die Evakuierung

In der Region rund um  den Harz wurden zahlreiche Straßen überflutet, Keller liefen voll. Rettungskräfte waren im Dauereinsatz. Nach dem starken Regen kämpfte die Feuerwehr in Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt am Mittwochmorgen vielerorts gegen drohende Überschwemmungen.„Bisher halten unsere Dämme. Wir sind hier aber nach wie vor auf alles vorbereitet. Auch auf eine Evakuierung“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr in Hildesheim am Mittwochmorgen. Sollte ein bedrohtes Wohngebiet geräumt werden, wären laut Stadt 1100 Menschen betroffen.

„Die Türen einer Notunterkunft stehen offen“, betonte der Sprecher in Hildesheim. Bisher hätten sich 13 Menschen von selbst in die Unterkunft begeben und würden dort mit dem Nötigsten versorgt.

Feuerwehr verbaut Sandsäcke

Die Feuerwehr in Hildesheim war in der Nacht mit rund 200 Kräften im Einsatz. „Wir verbauen Sandsäcke und prüfen, ob sie dem Druck stand halten“, sagte der Sprecher weiter. An einigen Stellen sickere Wasser durch die aufgeschichteten Säcke - jedoch ausschließlich an Grünflächen entlang der Innerste, einem Nebenfluss der Leine.

„Die Innerste hat in der Nacht am Pegel Heinde einen Rekord erreicht“, sagte ein Sprecher der Stadt am Mittwoch. Beim Hochwasser 2007 stand das Wasser bei 675 Zentimeter, in der Nacht zum Mittwoch erreichte es die Marke von 694 Zentimeter. Eine unmittelbare Gefahr für die Menschen bestehe jedoch nicht.

Hotel in Goslar evakuiert

 Auch in Goslar steigen die Wasserpegel. Wie  die Polizei Braunschweig mitteilt, ist die Innenstadt  von Goslar gesperrt,  ein Hotel  und eine  Seniorenresidenz wurden am Mittwochmorgen evakuiert.

Verkehrschaos im Harz befürchtet

Am frühen Mittwochmorgen war auch in Bad Harzburg Land unter. „Die Ortsdurchfahrt in Bad Harzburg ist gesperrt“, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Braunschweig. Er fürchte ein Verkehrschaos, weil so ein zentraler Weg durch den Harz unpassierbar sei. Im Ortsteil Westerode musste die Feuerwehr schon seit Dienstagnachmittag Keller leerpumpen. Am Mittwochmorgen kam es dann auch zu Einschränkungen im Zugverkehr. Wie die Deutsche Bahn mitteilt, ist die Stadt wegen des Starkregens zurzeit per Bahn nicht erreichbar. Nach Bahn-Angaben waren Streckenabschnitte zwischen Vienenburg und Bad Harzburg sowie Groß Düngen und Derneburg gesperrt. Auf weiteren Verbindungen konnten Bahnen teils nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren.

Das private Eisenbahnunternehmen meldet Sperrungen von auf den  folgenden Streckenabschnitten: RE 10 zwischen Bad Harzburg und Goslar, RE 10 zwischen Salzgitter-Ringelheim und Groß Düngen, RB 42 zwischen Bad Harzburg und Vienenburg.  Auch der Busnotverkehr  zwischen Vienenburg und Bad Harzburg musste eingestellt werden. Im Busnotverkehr  zwischen Salzgitter Ringelheim und Hildeheim können die Haltestellen Groß Düngen und Derneburg nicht mehr angefahren werden.

Rund um Göttingen waren die Feuerwehren ebenfalls seit Dienstagmittag schwer beschäftigt. Mehrere Straßen mussten gesperrt werden, Keller liefen voll. Im Kreis Northeim wurden mehrere Kreisstraßen so stark überschwemmt, dass sie unpassierbar waren. Die Polizei sperrte sie am Mittwochmorgen.

Wetterdienst gibt keine Entwarnung

In den von Überschwemmungen betroffenen Landkreisen Holzminden und Hameln-Pyrmont war die Lage stabil. „Wir freuen uns über die kurze Regenpause“, sagte ein Sprecher der Rettungsleitstelle am frühen Mittwochmorgen. Die Feuerwehr habe alles im Griff.

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) sind in knapp zwei Tagen in der Mitte Deutschlands - von Südniedersachsen über Teile Thürigens und Hessens bis nach Nordbayern - mehr als 100 Liter pro Quadratmeter gemessen worden. Wie der DWD am Mittwoch auf Facebook erläuterte, war bis zum Morgen der Spitzenreiter die Station Seesen am Harz mit 158 Litern. Es sei „ein breites Regenband, das sich von der Ostsee über die Mitte bis in den Süden zieht. Da dieses Band nach Osten wandert, lässt von Westen her der Regen nach. Aber von der Uckermark bis nach Ostsachsen sowie in Südostbayern regnet es noch bis morgen früh weiter.“