Zeven. Fynn Kliemann hat eine Internetagentur, lebt in einem Fünf-Häuser-Dorf in Niedersachsen – und hat Hunderttausende Fans.

„Landlust“ und ähnlich heißen die Magazine, die seit einigen Jahren ungemein erfolgreich das Leben auf dem Dorf zum Thema machen. Um den perfekten Rosenschnitt geht es da gerne, um das richtige Einkochen von Marmelade oder hübsch gedeckte Kaffeetafeln unterm Kirschbaum. Bei Fynn Kliemann ist das nicht so. Landlust – darunter versteht der 28-Jährige etwas anderes: „Ich brauche Platz, ich will Lärm machen können – das geht in der Stadt nicht“, sagt er.

Kliemann schweißt, bastelt, hämmert, redet dabei unendlich viel, verbrennt sich die Finger, flucht, stöhnt, und konstruiert mal eine „Eierverschenkmaschine“ oder buddelt ein anderes Mal kurzerhand mit einem Bagger einen großen Teich in seinen Garten. Oder er flext einfach ein Autodach auf, um sich einen Pick-up-Lkw selbst zu bauen, mit dem er dann über Feldwege brettert. Und das alles filmt er und stellt es seit gut einem Jahr über YouTube ins Internet. Ein Landlust-Internet-Filmclip, wenn man so will. Und ebenfalls ungemein erfolgreich.

So mauert man: Heimwerkerking Kliemann auf Youtube

250.000 Abonnenten hat Kliemann auf Youtube

Nicht in Köln oder Berlin, den Hochburgen deutscher YouTuber, macht er dies, sondern eben bei sich zu Hause in einem Fünf-Häuser-Dorf in der weitläufigen Geestlandschaft zwischen Bremen und Hamburg – einem Zwergenortsteil der Kleinstadt Zeven.

„Heimwerker-King“ – so bezeichnet sich Fynn Kliemann selbstironisch. Andere würden sagen, er sei ein YouTube-Star. Jedenfalls hat er auf seinem Kanal mittlerweile über 250.000 Abonnenten und noch mehr Zuschauer, die seine Filme sehen, die er jeden zweiten Sonntag ins Netz stellt, womit er eine rasant wachsende Fangemeinde hat. Die „NDR Talk Show“ hat ihn vor einiger Zeit eingeladen, in der Onlineszene hat er sich mit seiner Mischung aus unbedarften Heimwerker-Videos und Comedy einen Namen gemacht und wurde für Preise nominiert. An diesem Sonntag startet er im Internet nun eine eigene Sendung: Kliemannsland.de wird sie heißen und ist so etwas wie eine Fortentwicklung des Bisherigen.

Was Kliemann macht, ist allerdings für jemanden, der seine ersten Medienerfahrungen mit Kulenkampff und drei TV-Programmen gemacht hat, zunächst schwer zu fassen. Für Jüngere sind YouTuber indes längst die eigentlichen Medienstars. Eine Million und mehr Abonnenten haben manche dieser Video-Kreativen.

Kliemann ist lange nicht einer der Größten, möglicherweise aber einer der Witzigsten, mit Sicherheit einer der Kreativsten. „Wenn ich zehn Minuten nix mache, werde ich hibbelig“, sagt er. Und wer ihn in seinem Büro in Zeven besucht, merkt das ziemlich schnell. Der schlaksige YouTuber trägt Wollmütze und T-Shirt, immer wieder brummt das Handy. Dann plötzlich springt er auf, und hastet in einen Nebenraum, wo einige Leute an großen Computerbildschirmen sitzen. In einer früheren Wohnung gegenüber von den Stadtwerken hat seine Internetagentur Herrlich Media ihren Sitz.

Werbung und Product-Placement lehnt er ab

Kliemann, der in Zeven aufgewachsen ist, in Bremen Mediengestalter gelernt hat und eine Weile in dem Job Webseiten entwickelte, hat sich mit einem Freund vor gut fünf Jahren selbstständig gemacht. Auch wieder in Zeven. „Mit dem Internet geht das, da braucht man keine Großstadt“, sagt er. Tatsächlich gibt es sogar große Banken auf der Referenzliste. „Läuft super“, sagt Kliemann und setzt sich wieder in den Besprechungsraum, der von einem riesigen Bildschirm beherrscht wird.

Einige Bücher stehen dort aber auch, die Biografie von Apple-Gründer Steve Jobs und ein großer Band über „kreative Denkstrategien“ mit dem Titel „Kribbeln im Kopf“, der so etwas wie eine Bibel für Kliemann sein muss. Neben den eigentlichen Aufträgen für Webseiten entwickelte die Internet-Truppe aus Zeven auch Computerprogramme für kleine Unternehmen; Kliemann entwirft aber auch T-Shirts, die er in Portugal fertigen lässt, und macht Musik. „16 Stunden am Tag Vollgas geben und keinen Urlaub machen – dann schafft man viel“, sagt er.

Die Sache mit den Heimwerker-Videos und dem Landleben – das aber ist eher eine private Sache, „Das ist vor allem Spaß“, sagt er. Werbung oder gar Product-Placement lehnt er ab, obwohl es viele Angebote gibt. „Finde ich scheiße, wenn man gar nicht dahintersteht“, sagt er knapp.

Entstanden ist das erste Heimwerker-Video im April 2015. Mit seiner Freundin hatte er nach einer Wohnung gesucht und dann das Haus mit „einigen Tausend Quadratmetern“ Grundstück gefunden, das sie einfach kauften, weil der Abtrag genauso teuer wie die Miete ist. Ein altes Haus, aber eben mit viel Platz. „Ich wollte immer schon meine eigene Skater-Rampe im Garten haben oder dort auch Schlagzeug spielen, das war immer mein Traum.“

„Ich mache Sachen, von denen ich keine Ahnung habe“

Vieles an dem Haus ist aber noch zu machen: Aber obwohl er selbst von sich sagt, zwei linke Hände zu haben, scheute sich Kliemann nicht vorm Selbermachen. Und so entstanden ein Gartenteich, der Hühnerstall, der Pick-up und vieles mehr. Das erste Video verschickte er an Freunde, die teilten es im Netz, und so nahm die Sache ihren Lauf. Kliemann ist dabei das Gegenteil vom perfekten Handwerker, geschweißt und geflext wird freihändig und unter Verzicht auf gängige Sicherheitsstandards. Ein bisschen trottelig kommt er in den Heimwerkerfilmen rüber, spielt aber virtuos mit diesem Image. Und er kommentiert unaufhörlich das, was er gerade macht und filmt und was dann kurz auch mal schiefgehen kann.

„Mein Konzept ist, dass ich Sachen mache, von denen ich keine Ahnung ­habe“, sagt er. Aber diese Sachen sind am Ende ziemlich genial. Zum Beispiel die Eierverschenkmaschine, die mit Leuchtdioden und Sensoren den Nachbarn anzeigt, wie viele Eier er zu verschenken hat, wenn die Hühner mehr gelegt haben, als er verbrauchen kann. Und auch wenn er seine Energie und Fantasie nun in die neue YouTube-Sendung Kliemannsland stecken will, den Heimwerker-King soll es auf YouTube weiterhin geben, wenn auch nicht mehr so oft.

Genug Stoff gibt es jedenfalls noch: Ein Hochbeet, ein Gewächshaus oder eine Trecker-Garage — das fehlt ihm noch. Wie man so etwas baut? Egal! Handbücher braucht er nicht. „Einfach machen – das vielleicht ist so etwas wie die Botschaft“, sagt er. Und die Freiheit dafür, die gibt’s eben nur auf dem Land.