Lüneburg . Polizei hat neue Hinweise, dass Friedhofsgärtner die Unternehmerfrau Birgit Meier tötete. Ist er für weitere Verbrechen verantwortlich?
Es waren Morde, die Kriminalgeschichte schrieben: 1989 verschwanden in der Göhrde, Norddeutschlands größtem Mischwald, zwei Ehepaare. Ihre Leichen wurden später im Wald entdeckt. Gefasst wurde der Göhrde-Mörder, wie er bald hieß und der für Angst und Schrecken in der Region sorgte, nie. Doch jetzt – mehr als ein Vierteljahrhundert später – steht der Fall vor der Aufklärung.
Von der Öffentlichkeit unbemerkt hat die Polizei in Lüneburg im vergangenen Spätsommer eine Sonderkommission mit dem bezeichnenden Namen Iterum („abermals“) gegründet. Jetzt wurde bekannt: Es gibt einen Mann, der für die Taten verantwortlich sein könnte. Es handelt sich um einen Friedhofsgärtner, der 1993 wegen Waffenbesitzes und eines Verkehrsunfalls mit anschließender Flucht festgenommen worden war und der sich in der Untersuchungshaft mit seinem Gürtel erhängte.
Es ist ein kleines Epos, das von verbissenen Ermittlern, akribischer Arbeit und kriminalistischem Spürsinn erzählt. Und das die Polizeidirektion Lüneburg am Freitag in Form einer Pressemeldung veröffentlichte. Es schildert die Geschichte des 2015 neu eingesetzten Polizeipräsidenten Robert Kruse, der sich in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft dazu entschloss, eine neue Ermittlungsgruppe zur Klärung eines Falls von 1989 einzurichten.
Birgit Meier, Frau eines Unternehmers aus Lüneburg, war vermutlich aus ihrer Wohnung entführt und getötet worden. In keinem Satz erwähnt die Pressemitteilung die beiden Taten aus der Göhrde oder die Umstände, die konkret zur Wiederaufnahme der Ermittlungen führten. Auch kein Wort dazu, dass es bereits seit Februar eine weitere Soko gibt, die sich mit den beiden Morden in der Göhrde beschäftigt. Sie ist nicht bei der Polizeidirektion Lüneburg, sondern bei der untergeordneten Polizeiinspektion angesiedelt. Bislang arbeiten beide Sonderkommissionen nebeneinander her.
Die Ermittler der Soko „Iterum“ waren erfolgreich. Nach Informationen des Abendblattes haben sie DNA-Spuren gesichert, die die Täterschaft von Friedhofsgärtner Kurt-Werner M. untermauern, der bereits vor mehr als 25 Jahren ins Visier der Ermittler geraten war. Dreimal durchsuchte die Polizei damals sein Haus und Garten. Dabei wurden nicht nur ein im Garten vergrabener Neuwagen, ein neuer Ford Probe, sondern auch teils in Geheimfächern versteckte Waffen, Handfesseln, Spritzen und Beruhigungsmittel entdeckt. Bekannt war schon damals, dass Kurt-Werner W. die verschwundene Birgit Meier kannte. Er hatte beim Nachbarn der Frau als Gärtner gearbeitet und auch zu ihr direkten Kontakt gehabt. Ihm half, dass die damaligen Ermittler lange davon ausgingen, Birgit Meier habe sich umgebracht. Mit den Göhrde-Morden brachte man ihn nicht in Verbindung.
Doch mittlerweile wird intern geprüft, ob er auch für die Morde an den Ehepaaren in der Göhrde verantwortlich ist, wie eine Polizeisprecherin bestätigt. Denn Kurt-Werner W. führte ein Leben auf der schiefen Bahn, das von Gewalttaten geprägt war. Als 15-Jähriger beging er einen bewaffneten Raubüberfall. Sexualdelikte und Betrügereien kamen hinzu. 1967 wurde er bei einer Schießerei mit Kripoleuten verletzt. Drei Jahre später vergewaltigte er eine 17-Jährige. Bei Hausdurchsuchungen wurden Hinweise gefunden, dass er mit dem Mord an einer 38-Jährigen 1968 in Lüneburg in Verbindung steht. Danach saß er jahrelang in Haft, blieb anschließend längere Zeit im Raum Karlsruhe. Auch dort gibt es ungeklärte Morde aus der Zeit. Später heiratete er und lebte in einem geerbten Haus in Lüneburg. Es gibt Hinweise, dass der Mann mehrfach tagelang in der Göhrde unterwegs war. Mit Rucksack, Waffe und ausreichend Lebensmitteln.
Das war in der Zeit der Göhrde-Morde. Am 12. Juli 1989 entdeckten Beerensammler in dem Staatsforst zwischen Lüneburger Heide und Elbe im Landkreis Lüchow-Dannenberg die teilweise skelettierten Leichen des Ehepaares Ursula, 45, und Peter, 51, R. aus Bergedorf. Die Hamburger waren sechs Wochen zuvor zum Picknicken in den Wald gefahren, jedoch niemals zurückgekehrt und von ihren Kindern als vermisst gemeldet worden. Die Todesursache konnte die Polizei wegen des verwesten Zustands der Leichen nicht mehr klären. Fest stand für die Ermittler allerdings, dass das Ehepaar einem Verbrechen zum Opfer fiel.
Auf dem Weg zur Polizei trafen die Beerensammler, die die Leichen fanden, noch im Wald einen braunhaarigen, etwa 40 Jahre alten Mann mit einem Beutel in der Hand. Der hatte nach Überzeugung der Polizei genau am Tag der Entdeckung des Doppelmordes – unbemerkt von den Spurensicherern der Polizei – in nur 800 Meter Entfernung ein zweites Paar umgebracht. Es handelte sich um Hausfrau Ingrid W., 45, aus Uelzen und Handelsvertreter Bernd-Michael K., 43, aus Hannover, die eine heimliche Liebesaffäre hatten und sich an diesem Sommertag in der Göhrde trafen. Sie hatten ihr Auto nahe dem Forsthaus Röthen geparkt und waren mehr als zwei Kilometer in den Forst hineingegangen. Dort trafen sie auf ihren Mörder, der nach der Tat mit dem Auto seiner Opfer flüchtete. Wie Ermittlungen ergaben, fuhr der Täter mit dem Fahrzeug noch etwa eine Woche umher, bevor er es in Bad Bevensen abstellte. Die Leichen des zweiten getöteten Paares wurde erst rund zwei Wochen gefunden.
Ob die beiden Taten sowie weitere Morde jemals dem Friedhofsgärtner zugeordnet werden können, ist unklar. Viele Beweismittel aus der Zeit sind bereits lange vernichtet.