Lüneburg/Los Angeles. Sollte Leonardo DiCaprio am Sonntag einen Oscar bekommen, dann ist das auch der Erfolg eines norddeutschen Percussion Ensembles.
Für Leonardo DiCaprio geht es am Sonntag in Los Angeles um den Oscar, seinen ersten. Auch der Musiker Daniel Orthey wartet gespannt auf die Verleihung, bei der das düstere Rachedrama „The Revenant“ mit DiCaprio in der Hauptrolle für zwölf der begehrten Preise nominiert ist. Orthey wird im niedersächsischen Lüneburg vor dem Fernseher sitzen, sein Frantic Percussion Ensemble hat den Sound für wichtige Szenen des Films geliefert. Zunächst wusste er gar nicht, dass es um den großen Oscar-Favoriten des Mexikaners Alejandro G. Iñárritu geht.
Ein YouTube Vidoe begeisterte Superstar Skamoto
„Ich habe eine E-Mail bekommen – von einem Tontechniker aus Leipzig, ob wir Filmmusik machen wollen“, sagt Orthey. „Ich habe es nicht richtig ernst genommen, doch dann kam eine Nachricht aus New York.“ Orthey schüttelt noch immer ungläubig den Kopf. Der 37-Jährige ist selbstständiger Musiker und Schlagzeuglehrer. Neun Jahre lang hat er bei der Bundeswehr getrommelt, dann hat der Bartträger 2007 an der Musikschule Uelzen das heutige Frantic Percussion Ensemble gegründet.
Filmmusik hat Orthey vorher noch nie gemacht
Filmmusik hatten sie noch nie gemacht, aber tatsächlich, es scheint zu stimmen, die Auftraggeber buchen ein Studio in Hamburg. Orthey und die Bandmitglieder Gunnar Kötke, David Gutfleisch und Felix Ernst packen ihre Instrumente ein. Und so entstehen die Stücke nicht in Ortheys gemütlichem kleinen Studio in Lüneburg, sondern an Elbe und Alster.
Zunächst kennen die vier Musiker lediglich den Namen des Komponisten, sie bekommen auch nur eine grobe Richtlinie zum einzusetzenden Instrumentarium. „Wir haben nicht komponiert - wir hatten Vorgaben, was Rhythmus und Klangfarbe betrifft“, betont Orthey. Archaisch, düster und spannungsgeladen sollte es klingen. „Da haben wir einfach einiges ausprobiert.“
Der offizielle Trailer von "The Revenant" – Der Rückkehrer
Verantwortlich für die Filmmusik ist der japanische Oscar-Preisträger Ryuichi Sakamoto, in seiner Heimat ein Superstar. „Ich war eher von einem Projekt für arte ausgegangen“, lacht Orthey. Doch dann ahnen die vier: Es geht um etwas Größeres. „Leonardo DiCaprio wirft sich einen Wasserfall hinunter“, lesen sie in der Beschreibung einer Szene. „Ich war total aufgeregt, an so einem Projekt mitwirken zu dürfen“, sagt Gunnar Kötke (25). Wie die anderen Bandmitglieder ist er ein früherer Schüler Ortheys.
Frantic - die fieberhafte Suche nach neuen Klängen
„Experimentell, innovativ, zeitgenössisch“, beschreibt Orthey seine Musik, auf die die Auftraggeber über ein YouTube-Video aufmerksam geworden sein sollen. „Frantic“ bedeutet für Orthey nicht nur „rasend“ und „außer sich“, sondern steht auch für die fieberhafte Suche nach neuen Klängen. Und so kommen auch für den Hollywood-Sound nicht nur Trommeln und Schlagwerk zum Einsatz. Steine aus dem Garten knirschen aneinander, Plastikfolie knistert in Musikerhänden, Geigenbögen werden über den Rand von großen Kuhglocken gezogen. Bedrohliche Töne liefert ein Gummiball, der an einem Schaschlikspieß langsam über Becken, Trommeln und Boxen gezogen wird.
Nach zwei Tagen schicken die Musiker das Ergebnis nach New York, die Auftraggeber sind begeistert. „Das schien cool gewesen zu sein“, freut sich Orthey. Zwei weitere Sessions folgen, dann bringt ein Kurier aus New York eine Kopie des Films nach Hamburg. Vorher wurden lange Verträge unterzeichnet, absolute Verschwiegenheit wird verlangt. „Immer wieder wurde der Film gekürzt und verändert“, berichtet Orthey. In der Endversion haben die Niedersachsen den Sound für eine Schlüsselszene und viele kurze Ausschnitte geliefert. „Der dramatische Kampf am Schluss ist komplett von uns – damit sind wir auch auf dem offiziellen Soundtrack drauf“, freut sich Orthey. Und im Abspann sind sie auch alle genannt.
Nun geht es für „The Revenant“ also um zwölf Oscars. Nominiert ist der Film auch für „Sound Editing“ und „Sound Mixing“, nicht aber für die eigentliche Musik. So bleiben die vier Niedersachsen daheim. „Bei der Verleihung sind wir leider nicht dabei, aber wir werden es freilich vor dem Fernseher verfolgen“, sagt Orthey. Er zeigt sich dennoch mehr als zufrieden: „Das war eine großartige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Da kann man sich schon geehrt fühlen!“