Die verzweifelte Suche nach Mutter und Tochter aus Drage
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Drage. Spurlos verschwunden sind Mutter und Tochter aus dem kleinen Ort Drage an der Elbe. Der Vater der Zwölfjährigen wurde gefunden - tot.
Auf den Satellitenbildern im Internet ist die Welt von Drage noch in Ordnung. Die Fotos von Google Earth zeigen eine sommerlich-grüne Vorstadtsiedlung, der Sonnenschirm im Garten ist aufgespannt, vor dem Haus stehen die beiden Wagen der Familie. Doch nichts ist mehr so, wie es war. Kurz vor Weihnachten stehen acht rote Grablichter vor der Tür, Ende Juli sind die drei Bewohner verschwunden. „Ruhe in Frieden“ steht auf einem der acht Lichter, an die Haustür hat jemand ein Foto der drei gelehnt. Noch immer kleben die Siegel der Polizei an der Tür, die anderen Eingänge der Siedlung in dem kleinen Elbort sind mit Kränzen weihnachtlich geschmückt.
Polizeihunde, Hubschrauber, Bilder der Vermissten – alles ging ganz schnell
Den 41 Jahre alten Vater hat die Feuerwehr bei Lauenburg Ende Juli ertrunken aus der Elbe geborgen, doch von seiner 43 Jahre alten Frau Sylvia und der zwölfjährigen Tochter Miriam fehlt noch immer jede Spur, die Polizei geht von einem Familiendrama aus. „Zu Weihnachten kommt noch mal alles hoch“, sagt eine Nachbarin. „Wir können nicht abschließen“, betont sie. Wegen der vielen Hobby-Detektive und Verschwörungstheoretiker im Internet möchte sie nicht genannt werden. „Da man nicht weiß, was passiert ist, dreht sich das Kopfkino wie ein Karussell.“ Ihre Tochter wollte mit Miriam Reiterferien machen.
Auffällig bleibt, wie schnell und mit welchem Aufwand die Polizei von Anfang an nach den Verschwundenen gesucht hat - und dass es immer wieder um Wasser ging. Die 43-Jährige hat in einem Discounter in Geesthacht gearbeitet. Am 24. Juli ruft der Marktleiter bei der Polizei an und meldet sie als vermisst. Beamte aus dem nur acht Kilometer entfernten Winsen (Luhe) machen sich auf den Weg nach Drage, das Haus wird geöffnet, eine umfangreiche Suchaktion beginnt. Bald werden auch Hunde und ein Hubschrauber eingesetzt. Die Polizei wendet sich an die Öffentlichkeit, auch mit Fotos der Vermissten. Die Bilder sind von Ausweisen kopiert, die waren im Haus. Kein Hinweis auf eine Reise also, die Katzen wurden unversorgt zurückgelassen.
Polizei sucht See nach Mutter und Tochter ab
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Am Mittwoch vor den großen Ferien wird Miriam noch von einer Freundin gesehen, es ist der 22. Juli. Die Mädchen wollen zusammen lange geplante Reiterferien machen. „Die beiden haben an der Straße miteinander gesprochen“, sagt die Mutter des Mädchens. „Die beiden wollten am Samstag darauf zusammen Ponyferien machen.“ Miriam habe noch gesagt, dass sie nicht sicher sei, ob es klappt, dabei sei die Anzahlung schon im Frühjahr geleistet worden. „Miriam war glücklich, aufgeschlossen und fröhlich wie immer“, sagt die Nachbarin. Auch sonst sei nichts zu bemerken gewesen. Miriams Mutter habe noch die Schulsachen aus der Schule geholt.
Schon zu Beginn konzentriert sich die Suche auf die Elbe, erst bei Drage, später auch anderswo. Sonarboote sind unterwegs, Taucher steigen in den Fluss. Tastend müssen sie sich im trüben Wasser vorwärts bewegen. Am 31. Juli wird der vermisste Vater in Lauenburg aus der Elbe geborgen, er ist ertrunken. Die Leiche ist mit einem Betonklotz beschwert. „Fremdeinwirkung kann dabei ausgeschlossen werden“, heißt es bei der Polizei. Für die Ermittler wird damit ein erweiterter Suizid - ein Familiendrama also - immer wahrscheinlicher.
Die Sonderkommission besteht nur noch aus dem Hauptkommissar
Die Nachbarin kann sich noch immer nicht vorstellen, dass der 41-Jährige seiner Tochter etwas zuleide getan haben könnte. „Miriam war sein Ein und Alles“, betont sie. Am Tag des rätselhaften Verschwindens hat er noch die Mülltonnen herausgestellt. Eine Zeugin will ihn am nächsten Morgen noch im Auto beobachtet haben, dann wird keiner der drei mehr lebend gesehen. „In der Woche vor dem Verschwinden muss irgendetwas passiert sein - und wir wissen nicht was“, sagt die Nachbarin.
Es gibt wilde Gerüchte. Die Frau sei mit dem Kind zu einem Millionär nach Südamerika durchgebrannt, heißt es etwa. Eine Sonderkommission hat alle Hinweise überprüft, heute besteht sie nur noch aus Hauptkommissar Michael Düker. Düker kennt auch die wildesten Spekulationen. Er ist mit den Kollegen alle Möglichkeiten durchgegangen, hat realistische und unwahrscheinliche Szenarien durchgespielt. „Der Tag vor dem Verschwinden war anders als sonst. Irgendetwas hat die Familie bedrückt“, hat er der Lüneburger „Landeszeitung“ im Herbst gesagt.
Fakten zur verzweifelten Suche nach Mutter und Tochter
Seit dem Sommer werden an der Elbe eine 43-jährige Mutter und ihre 12-jährige Tochter vermisst. Der 41 Jahre alte Familienvater aus Drage wurde Ende Juli ertrunken aus dem Fluss geborgen.
22. Juli: Letzter Schultag in Niedersachsen. Die Mutter wird an diesem Mittwoch das letzte Mal lebend gesehen. Die Polizei geht davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt auch die Tochter noch lebt.
23. Juli: Zeugen wollen den Vater am Morgen im Auto der Frau an der Elbe auf dem Weg von Stove nach Drage gesehen haben.
24. Juli: Der Arbeitgeber der Frau ruft bei der Polizei an und meldet sie als vermisst. Beamte aus Winsen (Luhe) kommen, das Haus wird wenig später geöffnet.
27. Juli: Die Polizei geht an die Öffentlichkeit, auch mit Fotos der drei Verschwundenen. Parallel wird auch mit Hunden gesucht.
28. Juli: Taucher suchen bei Drage an einer beliebten Badestelle.
30. Juli: Eine Sonderkommission wird eingerichtet.
31. Juli: In Lauenburg wird der vermisste Vater aus der Elbe geborgen, er ist ertrunken. Die Polizei schließt Fremdverschulden aus. Taucher finden ein Damenfahrrad aus dem Besitz der Familie im Fluss unter der Brücke, von der der 41-Jährige gesprungen sein soll.
4. August: Die Taucher suchen erneut in der Elbe bei Drage nach der Frau und dem Kind. Mittlerweile sei die Vermutung einer Familientragödie relativ groß geworden, heißt es. Am Tag darauf durchsuchen mehr als 100 Beamte und sechs Leichenspürhunde das Deichvorland bei Drage.
12. August: Die Polizei sucht in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ nach Zeugen.
17. August: Fährtenhunde bestätigen, dass die Familie an einem kleinen See in Holm-Seppensen gewesen ist, eine Zeugin wollte sie dort im Juli gesehen haben. Nur die Spur des Vaters führe von dort auch wieder weg, heißt es. Eine umfangreiche Suche im See und am Ufer beginnt, am 20. August wird sie ergebnislos eingestellt.
25. August: Die Sonderkommission wird auf drei Mitarbeiter reduziert, später auf einen. Es gebe noch „Restarbeiten“ zu erledigen, heißt es. Eine wirklich heiße Spur sei aber nicht mehr dabei.
19. Oktober: Taucher suchen ohne Erfolg die Elbe im Winsener Ortsteil Hoopte ab.
2. November: Die Polizei sucht am Elbufer bei Geesthacht auf der schleswig-holsteinischen Seite, ein Spaziergänger hatte Verwesungsgeruch wahrgenommen. Gefunden wird nichts. dpa
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Eine Spur führt zu einem kleinen See im Buchholzer Ortsteil Holm-Seppensen. Nach der Ausstrahlung des Falls in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen ... XY ungelöst“ hat sich eine Zeugin gemeldet. Sie will die Familie dort gesehen haben. Tatsächlich finden Suchhunde dort Spuren der drei, doch nur die Geruchsspuren des Mannes führen wieder vom See weg. Die Polizei sucht im Wasser und am Ufer, doch gefunden wird nichts, auch später nicht. „Wir stehen noch immer vor einem Rätsel“, sagt Polizeisprecher Johannes Voskors. Und auch in der kleinen Siedlung an der Elbe herrscht Ratlosigkeit. „Man kann es nicht verstehen“, sagt die Nachbarin. „Wir nehmen die Ratlosigkeit mit ins nächste Jahr“, sagt Gemeindebürgermeister Uwe Harden (SPD).
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