Oerbke. Im Rekordtempo ist in der Lüneburger Heide eine Notunterkunft entstanden - die größte Niedersachsens.

Letzte Woche zogen die letzten Soldaten aus den Niederlanden aus - nun bewohnen Familien aus Syrien, dem Irak, Eritrea und vielen anderen Ländern die Kasernenstuben. „Ihr seid hier an einem sicheren Ort!“, so begrüßen die Dolmetscher die Flüchtlinge, wenn sie in Bussen in Oerbke ankommen. Innerhalb von wenigen Tagen haben die Johanniter die zuvor von Nato-Truppen genutzte Kaserne in Niedersachsens größte Notunterkunft umgewandelt. „Die gute Infrastruktur hat es uns erleichtert, die Notunterkunft so schnell einzurichten“, sagt Antje Heilmann von den Johannitern. Zahlreiche Hilfsorganisationen sowie Ehrenamtliche sind in Oerbke im Einsatz.

Die Frauen mit Kopftüchern und Männer in kurzen Hosen wirken verloren auf dem mehrere hundert Hektar großen militärischen Areal in der Lüneburger Heide. Sie wandern mittags über einen riesigen asphaltierten Platz, um sich im Verpflegungstrakt ihr Essen zu holen. Linsensuppe, Äpfel und Wasser gibt es an diesem Tag.

Vor dem Küchengebäude stehen Dolmetscher, die an ihren pinkfarbenen Westen zu erkennen sind. Kurdisch steht auf Hayris Weste. „Ich bin in Deutschland geboren und möchte wie auch andere Migranten den Menschen aus unseren Herkunftsländern helfen“, sagt der Auszubildende aus Walsrode, der an seinem freien Tag in Oerbke übersetzt. „Die Leute sind in einem Schockzustand“, hat Hayri beobachtet. Er versuche, sie zu beruhigen, indem er sagt, dass der Krieg nun 5000 Kilometer entfernt ist.

Die meisten Bewohner der Unterkunft sind direkt von der österreichischen Grenze in die Kaserne in der Heide gebracht worden. Sie sind noch nicht offiziell registriert worden. Möglicherweise werde in Oerbke eine Registrierungsstelle eingerichtet, sagt die Johanniter-Sprecherin. Noch sei vieles unklar.

Vor der Kleiderkammer hat sich draußen eine lange Schlange gebildet. Frauen mit Kindern werden zuerst hineingelassen. Drinnen schiebt ein kleines Mädchen strahlend einen rosa Kinderwagen vor sich her.

Im Lazarettgebäude bieten Ärzte aus der Umgebung Sprechstunden an. Am Wochenende hätten 25 Mediziner geholfen, berichtet Knut Vieweger, der die ärztliche Versorgung koordiniert. Alle Neuankömmlinge werden untersucht, auch um die Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten zu verhindern. „Die meisten haben allgemeine Erschöpfungszustände. Einige haben auch Wunden, die versorgt werden müssen“, sagt der Arzt.

Schon kurz nach ihrer Einrichtung ist die Notunterkunft ausgelastet. Am Dienstag wurden noch einmal 400 Männer, Frauen und Kinder in Oerbke erwartet, etwa 1200 sind es dann insgesamt. Mit dem geplanten Drehkreuz zur Verteilung von Flüchtlingen in Norddeutschland hat die Unterkunft aber nichts zu tun, auch wenn sie in unmittelbarer Nachbarschaft liegt. Ein Kopfbahnhof in der Nähe soll zu einem solchen Verteilzentrum umgebaut werden.

„Es ist aber noch nichts entschieden“, sagt der Bezirksvorsteher des Gemeindefreien Bezirks Osterheide, Andreas Ege. Nur 650 Menschen leben in seinem Bezirk, die Heide ist ein riesiger Truppenübungsplatz. Das Örtchen Oerbke selbst hat 350 Einwohner, nun sind fast viermal so viele Flüchtlinge hinzugekommen. Im Jahr 1990 seien auch so viele Übersiedler aus der DDR auf dem Kasernengelände untergebracht gewesen, sagt Ege. „Wir haben mit Flucht und Migration Erfahrung.“