Hintergrund der Entwicklung sind auch die Verhandlungen des Landes über einen Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden.
Niedersachsen will künftig muslimischen Lehrerinnen an öffentlichen Schulen grundsätzlich das Tragen eines Kopftuchs im Unterricht erlauben. "Es wird diese Möglichkeit geben", sagte eine Sprecherin des Kultusministeriums in Hannover. Das Ministerium will bis zum Beginn des neuen Schuljahres am 3. September einen entsprechenden Erlass veröffentlichen und darin die Schulen über eine veränderte Auslegung des niedersächsischen Schulgesetzes informieren.
Bisher durften Lehrerinnen nur im islamischen Religionsunterricht ein Kopftuch tragen - die Regelung des Schulgesetzes wurde in der Praxis als Kopftuchverbot für andere Fächer betrachtet. Das Land gibt nun eine neue Linie vor und setzt damit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März um. Nach Ansicht der Karlsruher Richter verstößt ein pauschales Kopftuchverbot gegen die Religionsfreiheit und ist rechtswidrig. Das Tragen eines Kopftuches kann nur im Einzelfall untersagt werden, wenn die staatliche Neutralität oder der Schulfrieden bedroht sind.
In Niedersachsen orientiert sich die Kopftuchfrage an Paragraf 51 des Schulgesetzes. Dort heißt es in Absatz 3: "Das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der Schule darf, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule überzeugend erfüllen zu können."
Nach Ansicht der rot-grünen Landesregierung kann auf der Grundlage dieser Formulierung das Tragen eines Kopftuchs im Unterricht zugelassen werden. Das Schulgesetz müsse daher nicht geändert werden. Nach Angaben des Kultusministeriums trug im vergangenen Schuljahr eine von 17 islamischen Religionslehrerinnen ein Kopftuch. Sie habe nur dieses eine Fach unterrichtet. Probleme seien nicht bekannt.
Die Formulierung im Schulgesetz war am 28. April 2004 vom niedersächsischen Landtag mit den Stimmen der damals regierenden schwarz-gelben Koalition verabschiedet worden. Die SPD trug den Passus mit. Schon damals gingen allerdings die Deutungen auseinander: Auf der einen Seite machte der damalige Kultusminister und heutige Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) deutlich, dass er auf dieser Grundlage Lehrerinnen mit Kopftuch nicht akzeptieren werde. Auf der anderen Seite war die SPD die Meinung, es komme auf den Einzelfall an.
Das Kultusministerium will nun weitere konkrete Erfahrungen mit Kopftuch tragenden Lehrerinnen sammeln. "Das Ganze ist für uns noch Neuland", sagte seine Sprecherin. Bei Problemen stünden die Landesschulbehörde und das Ministerium den Schulen zur Seite.
Hintergrund der Entwicklung sind auch die Verhandlungen des Landes über einen Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden, der voraussichtlich im Herbst unterzeichnet werden soll. Die Kopftuchfrage gehörte dabei zu den Streitpunkten.