Mehr als 17.000 Menschen demonstrierten am Montag gegen rund 150 Pegida-Anhänger. Die wurden von Gegen-Demonstranten blockiert und saßen im Rotlicht-Viertel fest.

Hannover. Mehr als 17 000 Menschen haben am Montag in Hannover gegen die islamfeindliche Pegida und für Toleranz und Religionsfreiheit demonstriert. Ihnen gegenüber standen bei der Kundgebung der islamfeindlichen Pegida-Bewegung rund 150 Anhänger. Sie wurden von Gegen-Demonstranten am Rande des Rotlicht-Viertels ausgebremst. „Wir können sagen, wir sind das Volk“, sagte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) bei der zentralen Gegenveranstaltung. Damit sende Niedersachsen „ein klares Signal“ an alle Pegida-Anhänger: „Wir lassen uns nicht spalten. Nicht in Hannover, nicht in Niedersachsen, nicht in Deutschland.“

Der Gegenprotest hatte zuvor mit einem Gottesdienst in der Marktkirche begonnen, an dem neben Weil auch Landtagspräsident Bernd Busemann sowie Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) teilgenommen hatten. Wegen des großen Besucherinteresses musste der Zugang zur Marktkirche bereits lange vor Beginn des Gottesdienstes eingeschränkt werden. In der Andacht sprachen sich Vertreter aller Religionen für Toleranz, Frieden und Religionsfreiheit aus. Dabei gedachten sie der Opfer des Terroranschlags in Paris von der vergangenen Woche.

Über zu große Resonanz konnten die Organisatoren der ersten Pegida-Demonstration in Niedersachsen nicht klagen. Die Polizei bezifferte die Teilnehmer auf rund 150 – mit rund 500 war gerechnet worden. Der Auftakt war begleitet von Protesten linker Gruppen, die sich in einer Überraschungstaktik zunächst unter die Pegida-Anhänger mischten. Später wurden Böller gezündet. Es kam auch zu Rangeleien. Polizeireiter drängten Gegendemonstranten zurück und versuchten, den Pegida-Anhängern den Weg zu bahnen. Zudem wurde Pfefferspray gesprüht. Die Gegen-Demonstranten skandierten: „Nationalismus raus aus den Köpfen. Bleiberecht für alle und auf Dauer.“ Auch nach dem Ende der Kundgebung hatte die Polizei Probleme, Rangeleien zwischen beiden Lagern zu stoppen.

Genau wie Weil wertete auch Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) die Gegendemonstration als klares Zeichen dafür, dass die Menschen nicht in einer Gesellschaft leben wollten, in der die Augen vor der Not der Flüchtlinge verschlossen würden. Die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen würden, bräuchten „dieses ganz klare Zeichen. Da gibt es keine zwei Meinungen. Wir wollen nicht, dass Menschen Angst haben müssen“, sagte Schostok.

Der Landesbischof der evangelischen Kirche, Ralf Meister, rief den Gegendemonstranten zu: In einer Welt der kulturellen und religiösen Vielfalt würden wir Christen nicht zu kurz kommen. Die Pegida-Initiatoren würden versuchen, die Menschen mit simplen Ködern wie Angst in Fallen zu locken. Doch auch das Fremde bedrohe nicht sondern bereichere die Religionsgemeinschaften. „Das sichtbare Zeichen einer solidarischen Gemeinschaft ist schärfstes Zeichen, dass eine Gemeinschaft gegen die Fallensteller setzten kann.“

Der Vorsitzende der Schura in Niedersachsen, Avni Altiner, betonte: „Wir Muslime gehören zu Hannover. Wir stehen zu dieser Gesellschaft.“

Auch der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden, Michael Fürst, rief zum religiösen Zusammenhalt auf: „Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren“. Die Pegida-Bewegung zeige aber: „25 Jahre nach der Wiedervereinigung stellen wir fest, es geht ein Riss durch Deutschland.“ Es sei nun Aufgabe der Gesellschaft, diesen schnellstens zu reparieren. Zugleich sagte er: „Alle Weltreligionen müssen sich zu den universellen Menschenrechten bekennen.

Unterdessen warnten Wissenschaftler der Universität Hildesheim, die Gefahr der Pegida-Bewegung wegen geringer Teilnehmerzahlen zu unterschätzen. Das sei kein Grund, „sich beruhigt zurückzulehnen“, sagte Migrationsforscher Hannes Schammann. „Menschenfeindlichkeit und Demokratieverdrossenheit suchen sich verschiedene Ventile. In westdeutschen Bundesländern haben wir es eher mit einem subtileren Alltagsrassismus zu tun, den man nicht auf der Straße zeigt.“

Zuvor hatten sich bereits mehr als 405.000 Menschen an einer Unterschriftenaktion im Internet gegen das islamfeindliche Pegida-Bündnis beteiligt. Unter der Überschrift „Für ein buntes Deutschland“ sammelt der Organisator der Aktion, Karl Lempert aus Hannover, auf der Plattform „change.org“ seit dem 23. Dezember Unterschriften. Das Ziel: eine Million Unterstützer. Parallel zur Petition haben auch die Organisationen Campact und Pro Asyl im Internet zur Unterschriftensammlung aufgerufen.

Mehr als 168 000 unterzeichneten in kürzester Zeit den Appell „Wir sind Charlie – Wir sind nicht Pegida“. Damit soll vor einer Instrumentalisierung des Terror-Anschlags von Paris auf den Pegida-Demonstrationen gewarnt werden. Nach einer zwischenzeitlichen Absage einer Demonstration in Braunschweig meldete die Pegida-Gruppe nun für den kommenden Montag erneut einen Aufzug an.