Twitter und Facebook sind aus dem politischen Alltag der meisten Landespolitiker nicht mehr wegzudenken. Unter den norddeutschen Parlamentariern liegen die Niedersachsen derzeit an der Spitze. Den zweiten Platz belegt Hamburg.

Hannover/Kiel/Hamburg. Niedersachsens Parlamentarier sind unter den norddeutschen Landespolitikern die aktivsten Nutzer von sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook. Mehr als 86 Prozent der Abgeordneten haben nach einer Analyse des Hamburger Politikberaters und Social-Media-Experten Martin Fuchs inzwischen mindestens ein entsprechendes Profil. Mit 80,2 Prozent folgt Hamburg den Niedersachsen.

Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern – hier sind nur 52,1 Prozent in den Netzwerken aktiv. Die beiden übrigen Länder sortieren sich dazwischen ein: Schleswig-Holstein (75,4 Prozent), Bremen (77,1 Prozent). „Wie die Mehrheit der Abgeordneten in allen anderen Bundesländern sind auch die Norddeutschen in Social Media angekommen“, sagt Fuchs. Bundesweit liege der Schnitt derzeit zwischen 75 und 86 Prozent. Damit liegen die Landespolitiker aber noch deutlich hinter ihren Kollegen in Berlin und Brüssel zurück: 95 Prozent der Abgeordneten im Bundestag und 94 Prozent derer im Europaparlament sind derzeit im Internet mit Kurzmitteilungen aktiv.

„Facebook und Twitter liefern gute Anregungen, Einschätzungen und Hinweise“, erklärte Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD). „Gleichzeitig ist die Kommunikation aber durch das Medium selber natürlich eingeschränkt durch der Zwang zur textlichen Kürze und zur schnellstmöglichen Reaktion.“ Differenzierte, ausgiebige Debatten und persönliche Gespräche blieben deshalb weiterhin wichtig.

Laut Untersuchung von Fuchs hat in Hamburg FDP-Fraktionschefin Katja Suding die größte Fangemeinde im Netz. „Für mich haben die sozialen Netzwerke eine große Bedeutung: Nirgendwo gibt es unmittelbareres Feedback“, erklärt Suding. „Ich würde mir wünschen, dass mehr Politiker aus allen Parteien hier häufig präsent wären, um das Interesse für Politik gerade bei den jungen Leuten zu wecken.“

Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Hansjörg Schmidt kommt in der Hansestadt auf den zweiten Rang. Wer diese Kanäle als bloße Abspielstation für Politikphrasen nutze, werde keinen Erfolg haben, ist Schmidt überzeugt. „Nur wer im beständigen Dialog mit seinen Wählerinnen und Wählern bleibt, authentisch ist und sich die nötige Zeit nimmt, wird in den sozialen Netzwerken auch ernst genommen.“ Es zeigt sich, dass Facebook für die Parlamentarier das wichtigste soziale Netzwerk ist. In Niedersachsen haben 83,1 Prozent einen eigenen Account, in Hamburg 75,2 Prozent, in Bremen 73,5 Prozent, in Schleswig-Holstein 72,5 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern immerhin noch 50,7 Prozent.

Fuchs erklärt sich die niedersächsische Führungsposition mit der erst etwas mehr als ein Jahr zurückliegenden Landtagswahl. „Rund um einen Wahltermin bauen Politiker ihre Aktivitäten im Netz gerne aus.“ Bei rund 26,5 Millionen Facebook-Nutzern in Deutschland sei das kein Wunder, denn die Reichweite der Profile sei sehr groß – „immer getreu dem Motto „ich gehe dahin, wo die Masse ist“.“

Der verhältnismäßig schlechte Ausbaustand von schnellen Internetverbindungen wiederum könne eine Erklärung für die Zurückhaltung bei der Nutzung der sozialen Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern sein, so Fuchs. Hinzu komme, dass dort viele junge Menschen und damit die primäre Zielgruppe nach Hamburg und Berlin abwandere.

Neben Facebook nutzen Politiker auch Twitter. Hier sind die Abgeordneten aus Schleswig-Holstein zahlenmäßig an der Spitze im Ländervergleich (36,2 Prozent), gefolgt von Hamburg (35,5 Prozent), Niedersachsen (35,3 Prozent), Bremen (18 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (16,9 Prozent). Im Vergleich zur EU- und Bundesebene ist das wenig – in Brüssel zwitschern knapp 60 Prozent, in Berlin rund 51 Prozent der Politiker. „Für Landespolitiker ist Twitter weniger interessant, da dort die Wirkung für sie geringer ist“, betont Fuchs. Die Statistiker rechnen mit rund 1,1 Millionen Accounts in Deutschland. Für unbekanntere Politiker seien Äußerungen via Twitter aber eine gute Möglichkeit, sich schnell einen Namen zu machen.

Schleswig-Holsteins Politiker nicht so mitteilungsbedürftig

Schleswig-Holsteins Politiker geben sich im Internet noch recht wortkarg. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) nutzt Facebook und Twitter. Der letzte seiner 159 Tweets stammt allerdings aus dem vergangenen Sommer. Bei Facebook ist der Sozialdemokrat etwas aktiver. „Ich gehe aber sehr zurückhaltend damit um“, sagt er.

Gleiches gilt für die meisten Mitglieder seines Kabinetts. „Ich habe einen Twitter-Account, aber er schläft den Schlaf der Gerechten“, sagt der stellvertretende Ministerpräsident Robert Habeck (Grüne). „Die Tage sind so eng getaktet, dass sich ein Zwischendurch-Mitteilungsbedürfnis in engen Grenzen hält.“ Seine Facebook-Seite sehe er deshalb eher als „schwarzes Brett für Bürger, mit mir in Kontakt zu treten“.

Wesentlich aktiver ist hier Innenminister Andreas Breitner (SPD). Er versorgt seine Facebook-Freunde teilweise mehrmals täglich mit Infos und Bildern aus seinem Arbeitsalltag. „Ich nutze Facebook aber ausschließlich, um über die Inhalte meiner Arbeit zu informieren. Meine Familie und damit mein Privatleben halte ich raus.“ Die Resonanz seiner 5000 „Freunde“ sei sehr positiv. „Immer wieder höre ich: „Ich wusste gar nicht, was an dem Job alles dranhängt“.“ Breitner sieht in Facebook eine „gute und direkte Form der Rückkoppelung“. Aktiver Twitterer sei er nicht. „Ist nicht mein Format. Ich lese bei anderen Berufspolitikern ständig verkürzte Botschaften, die nur so vor „Herausforderungen“ und „Chancen„ strotzen.“ Er könne zwar auch kurz, aber nicht immer und nur.

Ein Amtsvorgänger Breitners zwitschert auf Bundesliga-Niveau. Dem streitbaren SPD-Landeschef und Partei-Bundesvize Ralf Stegner folgen auf Twitter mehr als 15.800 Nutzer. Kein anderer Nord-Politiker hat so viele Follower. Auch im bundesweiten Vergleich lässt sich die Zahl sehen. Stegner kommt mit den auf 140 Zeichen begrenzten Tweets offenbar gut klar. „Kurz und knapp, das verlangt einem etwas ab“, räumt er ein. Seine Tweets setze er meist aus dem Auto ab. „Ich mache natürlich viel über Ironie. Das geht bei Twitter wunderbar.“

Beim einstigen Koalitionspartner CDU kamen diese Botschaften zum Teil ganz schlecht an. Das Bündnis scheiterte 2009 kurz nach einem besonders umstrittenen Tweet Stegners – bei der CDU lief damit das Fass über. Vielleicht deshalb sind die Fraktionschefs von CDU und FDP dort gar nicht erst aktiv. „Facebook und Twitter haben mir meine Mitarbeiter untersagt, weil ich sehr schnell reagiere und sie das dann nicht mehr kontrollieren können“, sagt FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

Nach Ansicht von CDU-Kollege Johannes Callsen verleiten soziale Netzwerke dazu, Sachverhalte ohne ausreichende Faktenkenntnis zu kommentieren. „Das kann schnell zu falschen oder banalen Aussagen führen.“ „140 Zeichen können schnell für Missverständnisse sorgen“, sagt der Piraten-Fraktionschef und eifrige Twitter-User Torge Schmidt.