Fischotter, Meerforelle und Neunauge kehren dank Renaturierung an die Wümme zurück. Die geplante Weservertiefung könnte Wunden schlagen.

Bremen/ Fischerhude. Einst mäanderte die Wümme gemächlich durch Wiesen und Moore und verzweigte sich dutzendfach.

1925 waren die Menschen die Windungen und Verästelungen leid: Sie bündelten und begradigten das Binnendelta. Heute verwandelt sich der eingepferchte Strom wieder in ein naturnahes Fließgewässer, Tierarten wie Fischotter, Flussjungfer und Neunauge kehren zurück.

Die Wümme entspringt bei Schneverdingen (Kreis Soltau-Fallingbostel). Nach gut 150 Kilometern vereint sie sich in Bremen mit der Hamme zur Lesum und mündet schließlich in die Weser. „Das Einzugsgebiet der Wümme ist fast so groß wie das Saarland“, erklärt Thomas Arkenau von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Verden. „Ein naturnaher Fluss ufert in die Landschaft aus“, meint Gunnar Oertel, Geschäftsführer der Stiftung Nordwest Natur. „Die blaue Linie kann man nicht schützen ohne die Fläche.“ Deshalb seien Feuchtwiesen, Moore, Röhricht und Auwälder in die Schutzgebiete integriert.

Die Remodellierung der Wümmelandschaft reicht von der Verlegung ganzer Sommerdeiche bis zum Ausheben von Teichen und Gräben. Ufervegetation ist erwünscht: „Bäume gehören an den naturnahen Lauf“, sagt Oertel. „Typisch sind Weiden und Erlen.“ Ein Beispiel für das Zusammenspiel von Fluss und Landschaft ist das „Nasse Dreieck“ zwischen Fischerhude und Bremen-Borgfeld. Im Winter rasten auf den überschwemmten Feuchtwiesen tausende Enten, Gänse und Schwäne.

Einst war die Wümme mit Wehren gespickt. „Der Flusslauf glich einer Kette aneinandergereihter Badewannen“, erinnert sich Oertel, der schon die ersten Maßnahmen Mitte der 80er Jahre begleitet hat. Weil Wehre für Wanderfische unüberwindbar sind, werden sie durch Sohlgleiten ersetzt. Allein im Landkreis Verden sind es bisher 15. Noch ist die Wümme nicht komplett durchgängig. „Die Scheeßeler Mühle (Kreis Rotenburg) ist ein echter Knackpunkt“, gesteht Arkenau.

Die Umweltschützer richten für Arten wie Forelle und Lachs auch Kinderstuben aus Kieselsteinen ein. Doch die starke Sandfracht der Wümme führt immer wieder zu Rückschlägen. „Der Sand legt sich wie ein Leichentuch über die Laichplätze“, sagt Oertel. „Er wird im Zuge des früheren Gewässerausbaus freigesetzt und von Äckern oder kahlen Ufern in den Fluss geschwemmt.“

Die Wiederherstellung naturnaher Lebensräume stößt besonders am Wümme-Südarm an ihre Grenzen. Er wurde in den 70er Jahren weiter vertieft, begradigt und mit Steinen befestigt. „Der ist so verhunzt, dass man kurzfristig nicht viel ausrichten kann“, bedauert Oertel. Bisher gelten nach Angaben von Achim Stolz, Pressesprecher des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), rund zehn Prozent der Wümme als renaturiert. Weitere 40 Prozent seien teilweise renaturiert und müssten noch punktuell nachgebessert werden.

Zwischen 2010 und 2013 wurde an der Wümme und ihren Nebengewässern 46 Maßnahmen vorgenommen, sagt Stolz. 38 davon befänden sich gerade in der Umsetzung oder seien bereits abgeschlossen, acht stünden noch an. Finanziert werden die Projekte mit 7,5 Millionen Euro aus dem Niedersächsischen Fließgewässerprogramm, das sich zu 90 Prozent aus EU-Mitteln und Mitteln des Niedersächsischen Umweltministeriums speist. Die übrigen zehn Prozent steuern Landkreise und Kommunen bei.

Das Wechselspiel von Ebbe und Flut war in der Wümme vor der ersten Weservertiefung Ende des 19. Jahrhunderts unbekannt. Heute weist der Unterlauf einen Tidenhub von bis zu drei Metern auf, auch die Strömungsgeschwindigkeit hat stark zugenommen. „Die ökologischen Beeinträchtigungen sind enorm“, weiß Oertel. „Brutvögel wie Rohrdommel und Knäkente haben ihren Lebensraum verloren, die Libellenfauna ist verarmt. Selbst das Erlenwachstum scheint beeinträchtigt.“ (dpa/abendblatt.de)