Hildegard Knef ließ in Bendestorf einst die Hüllen fallen. Jetzt lädt die Band Truck Stop zur Abriss-Party auf das Gelände der Filmstudios.
Bendestorf. Nur ein halbe Autostunde südlich von Hamburg liegt in Bendestorf am Rand der Lüneburger Heide ein fast vergessenes Filmstudio. Dem Heide-Hollywood, wo Hildegard Knef einst alle Hüllen fallen ließ und die deutschen Stars der Nachkriegsjahrzehnte ein- und ausgingen, droht jetzt der Abriss. Im Zentrum des 1,4 Hektar großen Areals liegen drei große Studiohallen, in denen Filmgeschichte geschrieben wurde. Ein bisschen erinnern die verfallenen Gebäude an das alte Hollywood in Billy Wilders berühmter "Sunset Boulevard“-Verfilmung.
"Ich bin das letzte Fossil vom Film“, sagt Monika Götz schmunzelnd. Die 74-Jährige ist eine der ehrenamtlichen Leiterinnen des kleinen Filmmuseums im Bendestorfer Gemeindehaus. Sie habe die große Zeit hautnah miterlebt, sagt sie. Ihr Vater sei Techniker in den Bendestorfer Studios gewesen. Sie selber habe als Cutterin gearbeitet. Götz' Augen leuchten, als sie beim Museumsrundgang noch einmal einen der alten Schnitttische in Betrieb nimmt, an denen Filme mit der Schere geschnitten wurden.
Ersatzdrehort für Babelsberger Ufa-Studio
Begonnen hatte in Bendestorf alles, weil das Ufa-Studio Babelsberg in der sowjetischen Besatzungszone lag. Für die aufkommende westdeutsche Filmindustrie musste schnell ein Ersatzdrehort gefunden werden. In kürzester Zeit habe der Regisseur Rolf Meyer mit Erlaubnis der britischen Militärregierung in der ländlichen Idylle ein komplettes Studio aufgebaut. Das habe alle Elemente einer Filmproduktion vom Kulissenbau bis zum Schnitt aus einer Hand liefern können, sagt Götz.
Etliche UFA-Stars der NS-Kinoindustrie knüpften in Bendestorf nahezu lückenlos an ihre früheren Karrieren an: Marika Rökk, Zarah Leander, Johannes Heesters, Gustav Fröhlich und viele andere bezogen Quartier in den Gaststätten und Hotels des kleinen Ortes, der sich schnell zum wichtigsten Standort der westdeutschen Filmindustrie entwickelte.
Viele bekannte deutsche Filme sind hier entstanden wie zum Beispiel "Die Csardasfürstin“ (1951), "Ave Maria“ (1953) oder "Der blaue Nachtfalter“ (1959). Eine der skandalumrankten Szenen des deutschen Nachkriegskinos wurde im heute noch vorhandenen Wasserbecken der großen Halle gedreht. Als Hildegard Knef sich in "Die Sünderin“ (1951) hier nackt vor ihrem Liebhaber zeigte, seien plötzlich alle Beleuchter und Techniker auf den Brücken über dem Set sehr beschäftigt gewesen, erinnert sich Götz.
Studio für moderne Filmindustrie zu klein geworden
Ende der 70er Jahre begann der Rückgang der Produktion in Bendestorf, weil die Studios für die Anforderungen der modernen Filmindustrie zu klein geworden waren. Heute liegen sie bis auf wenige Ausnahmen ganz brach. "Wir sind hier nicht Babelsberg“, sagt Gemeindedirektorin Carmen Reddig. Das ehemalige Studio liege mitten in einem Wohngebiet. Man könne es nicht einfach zu einem Riesenmuseum oder einem Freizeitpark umfunktionieren. Außerdem sei zu respektieren, dass der Besitzer das Gelände in bester Lage gerne gewinnbringend verwerten würde. Ein Filmstudio, das ungenutzt verfalle, sei auch keine attraktive Lösung für den Ort, sagt Reddig.
Die derzeitigen Pläne eines mit der Erschließung beauftragten Bauunternehmers sehen eine kombinierte Lösung vor. 22 Wohneinheiten sollen entstehen, aber auch einige wenige Teile der alten Bebauung erhalten bleiben. Dass das Filmmuseum in eines der alten Ateliers umziehen könnte, wie es Monika Götz hofft, sei wenig wahrscheinlich, sagt Reddig. Noch aber sei über all das "das letzte Wort nicht gesprochen“.
Sang und klanglos jedenfalls werden die alten Studiohallen nicht in die Geschichte verabschiedet. Die Countryband Truck Stop aus dem nahegelegenen Seevetal-Maschen, die seit Jahren ihre Platten auf dem Bendestorfer Gelände aufnimmt, lädt für den 20. August zu einer Abriss-Party ein. Das Motto: "Singen, bis die (Abriss)Birne kommt.“