Im Norden und Süden der Republik haben die zwei großen Festivals am Wochenende zusammen weit über 100.000 Besucher angezogen.
Scheeßel. Dicht an dicht stehen zehntausende Musikbegeisterte am Abend nebeneinander gepfercht auf dem staubigen Acker. Die Sonne scheint, über den Köpfen der Menge wehen einige Deutschlandfahnen. Viele der jungen Leute haben sich im Gesicht schwarz-rot-gold angemalt. Sie alle verzichten auf das prominent besetzte Programm des „Hurricane“-Festivals im niedersächsischen Scheeßel und verfolgen auf der großen Leinwand gespannt das EM-Viertelfinalspiel Deutschland gegen Griechenland. Als Philipp Lahm dann am Freitagabend in der 39. Spielminute das erste Tor schießt, ist die Menge nicht mehr zu halten.
Parallel zum Spiel läuft das Festivalprogramm planmäßig weiter. Von Freitag bis Sonntag stehen auf den vier Bühnen des „Hurricane“ Bands aus den Bereichen Rock, Pop und Electro. Neben Größen wie The Cure oder New Order sorgen auch der musikalische Nachwuchs wie die Hamburger Band In Golden Tears oder die Jungs von Casting Louis für ausgelassene Stimmung. Nach dem Bühnenprogramm geht die Party noch stundenlang im Discozelt und auf dem Campingplatz weiter.
Isabel Lück hat sich für das Fußballspiel und nicht für Bands wie The XX oder Sportfreunde Stiller entschieden. „Mein absolutes Highlight ist das Spiel“, sagt sie. Alles andere lasse sie spontan auf sich zu kommen. Andreas Stein und Moritz Grann sind ebenfalls nicht nur wegen der Musik nach Scheeßel gekommen. „Festivals sind mein Urlaub“, sagt der gelernte Mediengestalter Stein. Gemeinsam mit vier Freunden zelten die beiden jungen Männer, auf dem Grill liegen Würstchen.
Rund 750 Kilometer weiter südlich ein ähnliches Bild: Beim „Southside“-Festival im baden-württembergischen Neuhausen ob Eck erstrecken sich die Zelte über Hunderte von Metern, der ehemalige Militärflugplatz hat sich in eine kleine Camping-Stadt verwandelt. Nebenan, auf insgesamt vier großen Bühnen, sind bis in die Nachtstunden hinein ständig wechselnde Bands zu erleben. Die ersten Konzerte beginnen bereits am Nachmittag – und von Beginn an wird kräftig getanzt und mitgesungen.
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Viele der rund 55 000 Besucher nutzen das schöne Wetter auch, um sich auf die Wiesen zu setzen, etwas zu essen oder einfach nur das Geschehen zu verfolgen. Am Freitag spielten Gruppen wie Kettcar, The Kooks und die Ärzte. Am Samstag und Sonntag standen unter anderem The Cure, Blink-182, Jennifer Rostock und die Sportfreunde Stiller auf dem Programm. Ein Festivalbesucher bietet nach dem Motto „Free Hugs“ Umarmungen an – und fast jeder geht gern darauf ein.
In Scheeßel ging es für Jens Poltrock in diesem Jahr um mehr als Musik. Am Freitag gaben sich seine Freundin Janina und er auf dem Festival das Ja-Wort. Kennengelernt haben sie sich vor drei Jahren auf einem anderen Festival, zusammen gekommen sind sie auf dem „Hurricane“. Genau wie damals übernachten sie auch an diesem Wochenende im Zelt. „Als Zugeständnis für die Hochzeitsnacht haben wir einfach ein größeres Zelt gekauft“, lacht der frisch gebackene Ehemann. Gefeiert wird in voller Montur: Janina trägt seit Freitag ihr weißes Hochzeitskleid. „Andere haben einen DJ, wir haben über 80 Bands, die für uns spielen.“
(dpa/abendblatt.de)