Während der Tatverdächtige auf dem Emder Polizeirevier vernommen wird und nach Polizeiangaben weiterhin zu den Vorwürfen schweigt, wird die Zahl der Schaulustigen vor seiner nur 500 Meter entfernten Wohnung größer.

Emden. Ein dreigeschossiger Miethausblock reiht sich im Emder Stadtteil Port Arthur an den anderen. In einem der rot geklinkerten Häuser, in denen jeweils sechs Parteien wohnen, lebt der festgenommene Tatverdächtige im Fall des getöteten elfjährigen Mädchens Lena. Die weißen Außenjalousien an Fenster und Balkontür sind halb heruntergezogen worden. Nachbarn, Schaulustigen und Journalisten werden Einblicke verwehrt. „Ich kenne den Mann nicht, ich will meine Ruhe, wir haben unsere eigenen Probleme“, sagt eine Bewohnerin aus dem Haus gegenüber, während Kinder auf der Straße der Wohnsiedlung Fußball spielen.

Weitaus gesprächiger ist ein 15-jähriger Schüler, der auf dem Fahrrad anfährt und kurz anhält. „Ich kenne ihn aus dem Freundeskreis, vom Fußball“, sagt er über den Tatverdächtigen. Dass der nur 15 bis 17 Jahre alt sein soll, wie in Medien vermutet wird, glaubt er nicht. „Ich schätze ihn auf 25“, fügt er an.

Der Schüler hofft, dass der Täter schnell gefasst wird. Er habe selber zwei kleine Nichten, um die er sich seit der Tötung des elfjährigen Mädchens am Samstagabend in einem Parkhaus in der Emder Innenstadt große Sorgen mache, sagt der Jugendliche.

Nach unbestätigten Angaben soll es auch ein 15-jähriger Schüler gewesen sein, der der Polizei den entscheidenden Tipp zur Festnahme des Tatverdächtigen am Dienstagabend gegeben hat. Der Schüler soll ihn nach Recherchen der Nachrichtenagentur dapd auf einem von der Polizei im Internet veröffentlichten Parkhaus-Video am Gang erkannt haben. Er soll zur Polizei gegangen sein und seinen Verdacht geäußert haben.

Während der Tatverdächtige auf dem Emder Polizeirevier vernommen wird und nach Polizeiangaben weiterhin zu den Vorwürfen schweigt, wird die Zahl der Schaulustigen vor seiner nur 500 Meter entfernten Wohnung größer. Sonnenschein, Temperaturen um 16 Grad und Sensationslust führen zahlreiche Auto- und Radfahrer sowie Fußgänger zu dem roten Klinkerbau. Bis vor seine Haustür oder den Balkon im Erdgeschoss trauen sich aber nur wenige.

„So viel war hier noch nie los“, sagt die Frau aus dem Haus gegenüber, während ein Autozug auf der nahe gelegenen Bahnstrecke vorbeifährt und ihre Worte übertönt.

Emden plant Trauerfeier für das getötete Mädchen

Die Familien des Opfers und des Jungen werden derzeit von Helfern betreut. Voraussichtlich wird es in den kommenden Tagen eine Trauerfeier für das getötete Mädchen geben. Ort und Zeitpunkt stehen noch nicht fest.

Nach Erkenntnissen der Polizei hatte das Mädchen mit einem ebenfalls elfjährigen Nachbarsjungen am Sonnabend gegen 17 Uhr das Elternhaus verlassen. Beide waren mit einem Fahrrad unterwegs. Ob später beide auf den Täter trafen oder nur das Mädchen, ist noch nicht klar. Aus der Vernehmung des unter Schock stehenden Jungen konnte sich die Polizei nur ein lückenhaftes Bild machen. Fest scheint zu stehen, dass der Junge mit seinem Fahrrad allein nach Hause gefahren war und seiner Mutter davon berichtete, dass seine Freundin "plötzlich weg" war, sagte Werner Brandt, Leiter der Mordkommission. Die Mutter des Jungen alarmierte daraufhin die Mutter von Lena, die zusammen mit dem Vater des Mädchens auf die Suche ging. Am Parkhaus baten sie schließlich den Wachmann um Hilfe. Angeblich hat die Mutter ihre Tochter leblos gefunden.

Zunächst soll der Schutz der Eltern gewahrt werden

"Wir wollen den Weg des Mädchens möglichst genau nachzeichnen. Jedes Detail ist für uns interessant", sagte Brandt. Deshalb bittet er um Informationen aus der Bevölkerung. "Wir wollen so viele Hinweise wie möglich." Möglicherweise wird die Polizei heute Details zu der Festnahme des Verdächtigen bekannt geben.

Brandt versicherte, dass alle eingesetzten 40 Beamten mit höchster Motivation an der Aufklärung arbeiten. Die "Emder Zeitung" zitiert einen Beamten aus der Polizeiführung: "So eine Tat hat es hier seit Jahrzehnten nicht gegeben." Zwar seien auch in Emden Tötungsdelikte zu beklagen gewesen, aber nicht in dieser Dimension.

Mit Material von dpa und dapd