Ab diesem Sommer haben Eltern das Recht ihre Kinder auf eine normale Schule zu schicken. Grüne und Linke im Landtag bleiben skeptisch.

Hannover. Die Eltern eines behinderten Kindes konnten bisher nicht frei wählen, auf welche Schule es gehen sollte. Das soll sich ab diesem Sommer ändern. In Niedersachsen können Eltern vom nächsten Schuljahr an wählen, auf welche Schule sie ihren Nachwuchs schicken wollen.

Nur wenn das Wohl des Kindes oder das der Mitschüler gefährdet ist, kann Schülern wie bisher verbindlich der Besuch einer Förderschule vorgeschrieben werden.

Das sieht der Gesetzentwurf von CDU, FDP und SPD zum gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern vor. Über die sogenannte Inklusion soll am Freitag im Kultusausschuss des niedersächsischen Landtags abschließend beraten werden. Im März soll das Gesetz dann vom Landtag verabschiedet werden, damit die ersten Grundschulen schon in diesem Sommer mit der Inklusion beginnen können. Anlass für die Änderungen sind die Vorgaben der UN zur Gleichstellung von Behinderten.

+++ Krach um die Inklusion von Förderschülern +++

„Schüler mit Behinderungen haben nun das Recht auf einen Platz in einer Regelschule, so wie jedes andere Kind auch“, sagte am Donnerstag in Hannover die Schulexpertin der SPD-Landtagsfraktion, Frauke Heiligenstadt.

Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) betonte: „Es ist ein positives Signal, dass im Sinne unserer Schülerinnen und Schüler so viele am gleichen Strang ziehen.“

In den vergangenen Monaten hatten die drei Fraktionen kontrovers über den Kompromiss gestritten. „Ich will nicht verhehlen, dass die Verhandlungen schwierig waren“, betonte Heiligenstadt. Im Gegensatz zum jetzigen Gesetzentwurf hätten CDU und FDP zunächst nur einen eingeschränkten Anspruch auf freie Schulwahl der Eltern vorgesehen.

„Für uns war immer wichtig, dass wir das Gesetz gemeinsam verabschieden“, sagte FDP-Bildungsexperte Björn Försterling. Er appelliert an Grüne und Linke, sich dem Konsens nicht zu entziehen.

CDU-Fraktionsvize Karl-Heinz Klare sagte, dass die geplante Senkung der Klassengrößen auf 22 Schüler nicht generell möglich sei, wie von der SPD gewünscht. Die Klassen, die Kinder mit Förderbedarf integrieren, würden aber mit rund 23 bis 24 Schülern deutlich kleiner werden als normale.

Die Inklusion soll im Sommer zunächst freiwillig im ersten Schuljahr eingeführt werden, vom Schuljahr 2013/2014 an dann verbindlich in allen ersten Klassen und in den Folgejahren aufsteigend bis Klasse 12.

Zudem sollen die vorhandenen Förderschulen für Lernen, Sprache und soziale Entwicklung schrittweise abgeschafft werden. Dauerhaft bestehen bleiben aber die Schulen für seh-, hör- und körperbehinderte sowie geistig behinderte Kinder.

+++ CDU: Lernbehinderte nur an bestimmen Schulen +++

Darüber hinaus dürfen Schulträger sogenannte Schwerpunktschulen bestimmen, damit die Schüler wenigstens eine entsprechende Schule in zumutbarer Entfernung erreichen können. Die Auswirkungen des neuen Gesetz sollen bis 2018 überprüft werden.

Die Linke will dem Entwurf nicht zustimmen. „CDU und FDP erklären zwar, dass ab 2018 alle Schulen inklusive Schulen sein sollen, allerdings verbleiben sie dabei auf einer plakativen Ebene“, sagte die schulpolitische Sprecherin Christa Reichwaldt. So müssten etwa alle Förderschulen wegfallen, um kein Parallelsystem zu schaffen.

Die Grünen sind dagegen noch unschlüssig. „Die Hintertür, die der Entwurf zur Aufhebung des freien Elternwillens offen lässt, ist zu groß“, betonte die schulpolitische Sprecherin Ina Korter. Schwer verhaltensauffällige Kinder in Förderschulen abzuschieben, sei diskriminierend und nicht konform mit der UN-Konvention.