Schwerin (dpa/mv) –. Der Fall hatte in mehrfacher Hinsicht für Aufsehen gesorgt: Zum einen war die Mutter aktiv am Missbrauch ihrer Tochter beteiligt. Zum anderen hatte der Haupttäter seinen Missbrauch mit einer abenteuerlichen Geschichte begründet. Nun sind die Urteile gesprochen.

Der Vorsitzende Richter Armin Lessel ist für klare Ansagen in seinen Urteilsbegründungen bekannt. Doch griff er am Freitag zum Ende des gut viermonatigen Prozesses um den vielfachen sexuellen Missbrauch eines Mädchens zu selbst für ihn ungewöhnlich harschen Worten. „Ich sage abschließend: Pfui“, rief Lessel am Landgericht Schwerin dem 39-jährigen Mann entgegen, der sich laut Urteil über anderthalb Jahre hinweg an dem anfangs elfjährigen Kind auf kaum zu beschreibende Art vergangen hat.

Und auch der Mutter des Mädchens, die das Treiben aktiv unterstützt hatte, hielt der Richter ihr Tun unmissverständlich vor Augen: Sie habe ihr Kind „auf dem Altar der sexuellen Begierden“ seines Peinigers geopfert, die eigenen Wünsche nach einer Beziehung über das Wohl der Tochter gestellt und sie so einem regelrechten Martyrium ausgesetzt. Mindestens 46 Mal sei das Mädchen missbraucht worden. Doch sei davon auszugehen, dass es zwischen Januar 2021 und Juli 2022 noch häufiger Opfer von Übergriffen wurde.

Mit dem Strafmaß von zehn Jahren Gefängnis für den Mann wegen schweren Kindesmissbrauchs, Vergewaltigung und der Herstellung von Kinderpornografie blieben die Richter nur geringfügig unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Gegen die 37-jährige Mutter verhängten sie neun Jahre und drei Monate Haft, ein Jahr weniger als vom Ankläger gefordert.

Der ebenfalls angeklagten 35-jährigen Ehefrau des Mannes bescheinigte das Gericht für die Tatzeit aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur eine erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit. Zudem habe sie persönlich zu den Vorwürfen ausgesagt und glaubhaft Reue gezeigt. Noch im Gerichtssaal sagte ihr Verteidiger, dass seine Mandantin das Urteil von sechs Jahren und drei Monaten Haft annehme.

Die beiden anderen Urteile sind noch nichts rechtskräftig. Allerdings hatten der Mann und die Mutter einer Verständigung zum Strafrahmen zugestimmt, die Vorwürfe durch ihre Anwälte einräumen lassen und so dem Mädchen Vernehmungen vor Gericht erspart.

In der Urteilsbegründung entwarf Lessel das Bild einer toxischen Dreiecksbeziehung, die nach dem Scheitern der Ehe der 37-Jährigen und Eheproblemen des verurteilten Paares zustande kam. Demnach waren alle drei anfangs Nachbarn in einem Ort in Westmecklenburg und lebten dann zeitweise unter einem Dach, wobei der Mann sexuelle Beziehungen zu beiden Frauen unterhalten haben soll.

Um den Missbrauch des Kindes zu rechtfertigen, habe er die Frauen mit einer Bedrohungslüge unter Druck gesetzt und so auch die Einbeziehung der damals Elfjährigen erwirkt. Eine japanische Mafia-Organisation habe ihn und andere Familienmitglieder mit dem Tod bedroht, falls er keine Kinderpornografie schicke, beschrieb der Richter das Lügenkonstrukt. Die per SMS eingetroffenen Forderungen habe der Mann selbst verfasst. Mit diesem „perfiden und erlogenen System“ sei er bei den Frauen auf „grenzenlose Naivität und Dummheit“ gestoßen und habe sich so seine sexuellen und materiellen Wünsche erfüllen lassen, erklärte Lessel.

Zuerst seien Nacktaufnahmen von dem Mädchen gefordert und von den Frauen auch angefertigt und verschickt worden, dann auch Videoaufnahmen von sexuellen Handlungen an dem Kind. Und schließlich habe sich der Mann selbst an dem Mädchen auf unterschiedlichste Weise vergangen und von den Frauen davon Aufnahmen anfertigen lassen. Die Mutter habe die Szenen zum Teil auch noch kommentiert.

„Das Mädchen hat keine Lust empfunden, sondern einfach Ekel verspürt“, resümierte der Richter nach der detailreichen Schilderung von Videoaufzeichnungen. Zum Teil sei bei den Aufnahmen auch die jüngere Schwester mit einbezogen worden. Laut Lessel gab es im Verlaufe des Prozesses für die Richter „viele Momente, die von Zweifel und Fassungslosigkeit geprägt waren“. Die Verurteilten müssten künftig mit einem Stigma leben, zudem sei es unwahrscheinlich, dass die Mutter jemals das Sorgerecht für ihre Töchter zurückerhalte, sagte er.