Rostock (dpa/mv). Eigentlich braucht es dringend mehr bezahlbare Wohnungen - auch im Nordosten. Die Voraussetzungen für den Bau sind aktuell besonders schlecht. Von einem Einbruch ist bereits die Rede.
Auch im Nordosten sieht es wegen gestiegener Bau- und Finanzierungskosten nicht gut aus für den Bau bezahlbarer Wohnungen. Das Minus bei den Auftragseingängen im Wohnungsbau aus dem vergangenen Jahr habe sich auch dieses Jahr fortgesetzt, sagte Jörn-Christoph Jansen, Hauptgeschäftsführer des Bauverbands MV, der Deutschen Presse-Agentur. Der Wert sei im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 7,4 Prozent gesunken. „Da sieht man, denke ich, dass der Wohnungsbau insgesamt einbricht.“ Für das Gesamtjahr 2022 lag der Rückgang laut Jansen ebenfalls bei 7,4 Prozent.
Das größte Wohnungsunternehmen im Nordosten - die Rostocker Wiro - baut dieses Jahr zwar nach eigenen Angaben mit 600 Wohnungen so viele wie noch nie. Aber auch hier bereiten die Kosten Sorgen. „Derzeit muss man leider sagen, dass viele Bauprojekte im frei finanzierten sowie im geförderten Wohnungsbau auf Eis gelegt werden müssen beziehungsweise nicht neu begonnen werden können“, sagte Wiro-Sprecher Carsten Klehn. Den Bau zweier geplanter Wohnhäuser mit sozial geförderten Wohnungen habe man zunächst zurückstellt.
Jansen rechnete das Problem vor: Eine Wohneinheit die vor einem Jahr noch 300.000 Euro gekostet habe, koste jetzt allein durch die Preissteigerungen 350.000 Euro. Gleichzeitig seien die Bauzinsen von ein auf vier Prozent gestiegen. Im Ergebnis müssten zur Refinanzierung etwa 1150 Euro monatlich auf die Miete umgeschlagen werden. „Wer soll das bezahlen?“ Ohne Förderung sei das Problem nicht zu lösen. „Kein Mensch wird dafür bauen, weil man genau weiß, das zahlt mir kein Mieter.“
Die Wiro kann laut Klehn die Zinsentwicklung durch langfristige Kooperationen zwar abdämpfen. Sorgen bereiteten dem Unternehmen aber höhere Auflagen, Bürokratie und abrupte Änderungen bei Förderungen.
Von einer unlösbaren Aufgabe sprach Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen. Dass jetzt wie von der Wiro teilweise noch viele Wohnungen gebaut werden, liege an der Dauer der Projekte. „Jede Wohnung, die in diesem oder im kommenden Jahr schlüsselfertig übergeben wird, stammt eigentlich aus dem Jahr 2019 oder 2020.“ Projekte würden noch abgearbeitet. „Den großen Einbruch bei den Neubauzahlen werden wir daher in zwei, drei Jahren erleben.“
Neben Material- und Finanzierungskosten machten Klimaschutzanforderungen den Firmen zu schaffen, etwa in ländlichen Regionen im Nordosten. „Teilweise liegen hier die Mieten bei unter fünf Euro pro Quadratmeter und die oftmals kleineren am Gemeinwohl orientierten Wohnungsunternehmen haben gar nicht so viele Finanzmittel, größere Investitionen zu stemmen.“ Zudem müssten hier Menschen zum Teil mit wenig Geld auskommen. „Schon eine Mieterhöhung von 20 oder 30 Cent pro Quadratmeter würde viele Menschen finanziell überfordern.“
Auf dem Land, vor allem in Vorpommern, hätten Unternehmen vom Zuzug vieler Flüchtlinge profitiert. Bis vor kurzem habe es hier noch Leerstandsquoten von teilweise 15 Prozent gegeben. Diese seien inzwischen deutlich gesunken, teilweise unter ein Prozent. „Hält der Zuzug von Flüchtlingen weiter an, kommt man auch da ans Limit.“
Mit Blick auf das Programm Klimafreundlicher Neubau des Bundesbauministeriums sagte Breitner: „Die 750 Millionen Euro für ganz Deutschland sind lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Die Mittel seien weitgehend ausgeschöpft.
Klehn betonte, eine verlässliche und auskömmliche Förderpolitik sei für bezahlbaren Wohnungsbau unerlässlich. Die Schweriner Landesregierung hat kürzlich die neue Förderrichtlinie „Mietwohnungsneubau sozial“ aufgelegt. Klehns ist skeptisch: „Wir glauben nicht, dass das neue Förderprogramm zu einem Schub im Wohnungsbau führen wird. Denn die Förderung reicht kaum aus, um eine Brücke zur Wirtschaftlichkeit von Bauvorhaben zu schlagen.“
Verbände hatten kürzlich vom Bund ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro gefordert - ähnlich dem der Bundeswehr. So viel Geld bräuchte es nach Aussage Jansens jährlich, „um das aufzuholen, was wir an Defizit haben“. Er sieht am Horizont schon das nächste Problem: Baufirmen, die sich unter Umständen vom Wohnungsbau abwenden. „Wenn die sich erst einmal umgestellt haben, dann gibt es vielleicht gar nicht mehr so viele Firmen.“