Lüneburg. Auf ausländische Ärzte wie Mohamed Babiker und Mohamed Karam können und wollen Gesundheitsträger nicht mehr verzichten.
Bei der Frage nach ihren Vornamen müssen sie lachen. „Ich heiße Mohamed“, sagt der eine. „Ich auch“, sagt der andere. „Wie alle Männer bei uns.“ Die beiden verstehen sich. Mohamed Babiker stammt aus dem Sudan, Mohamed Karam aus Ägypten. Kennen gelernt haben sich die beiden Ärzte in der Psychiatrischen Klinik Lüneburg (PKL). Sie zählen zu den vielen Menschen, die aus dem Ausland nach Lüneburg kommen, um in der PKL oder im Krankenhaus zu arbeiten. Und auf die der Träger nicht mehr verzichten kann – und es auch gar nicht will.
Mohamed Karam aus Ägypten arbeitete als Allgemeinmediziner und beim Militär
Mohamed Karam hat in Ägypten Medizin studiert und zunächst als Allgemeinmediziner in einem Dorf und beim Militär gearbeitet. Beides ist in Ägypten nach dem Studium Pflicht. Später war er Hotelarzt in Hurghada am Roten Meer. „Die Medizin ist in Deutschland viel weiter als in Ägypten, deswegen wollte ich nach Deutschland kommen“, erzählt der 32-Jährige. Bevor er sich in Lüneburg bewarb, arbeitete er in Osnabrück, Göttingen und Hamburg in der Chirurgie.
„Ich hatte in der Psychiatrie hospitiert, das hat mir gut gefallen“, erzählt der Assistenzarzt. „Es gibt hier nicht 1 + 1 = 2. Diagnose, Medikament, Heilung. Man muss mehr nachdenken, sich selbst entwickeln und sehen, wie man mit den Patienten kommuniziert. Das macht mir Spaß.“ Karam absolviert in der Psychiatrischen Klinik seinen Facharzt für Psychiatrie, das dauert etwa fünf Jahre.
Mohamed Babiker aus dem Sudan arbeitete nach dem Studium in der Chirurgie
Mohamed Babiker hat in Sudans Hauptstadt Khartum Medizin studiert und dort zunächst in der Chirurgie gearbeitet. Sein Vater kannte Deutschland und hatte ihm schon früh empfohlen, hier eine Universität zu besuchen. „Damals war ich aber noch zu jung dafür“, erinnert sich der 31-Jährige. „Daher habe ich später beschlossen, meine Weiterbildung hier zu absolvieren.“ Er begann, Deutsch zu lernen, reiste anschließend mit Visum nach Hannover. Dort lernte er weiter Deutsch, dann bewarb er sich auf Empfehlung eines Kollegen bei der PKL in Lüneburg. Das war 2021.
„Das Arbeitsklima hier in der Klinik ist sehr angenehm, die Lebensqualität ist hoch. Es gefällt mir besser als in der Chirurgie“, sagt Babiker, der zunächst eine Approbationsprüfung ablegen muss, damit sein Studium anerkannt wird. „Anschließend möchte ich meine Weiterbildung zum Facharzt machen. Danach möchte ich zurück in meine Heimat und dort weitergeben, wie Psychiatrie hier funktioniert. Im Sudan ist sie noch nicht so weit entwickelt.“
Großer Vorteil bei Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund
Für die PKL sind Bewerbungen wie die von Mohamed Babiker und Mohamed Karam eine Bereicherung, sagt Geschäftsführer Jan-Hendrik Kramer. „Gerade bei Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund hilft es sehr, wenn jemand nicht nur fachlich ausgebildet ist, sondern gleichzeitig auch noch kulturelle und sprachliche Barrieren abbauen kann.“
Natürlich würde die Klinik junge Assistenzärzte gern längerfristig halten. „Erfahrungsgemäß hängt das aber immer von der persönlichen Lebenssituation ab, ob jemand hierbleiben möchte.“ Bislang seien alle Mitarbeitenden aus dem Ausland auf eigene Initiative zur PKL gekommen. „Wir haben das große Glück, mit unserer Klinik in Lüneburg einen sehr beliebten Standort zu haben“, sagt Kramer.
Standort Lüneburg ist bei Fachkräften aus dem Ausland sehr beliebt
Anders sieht es im Bereich Pflege im Städtischen Klinikum Lüneburg aus, dem Krankenhaus der Stadt. Dort akquiriert die Betriebsleitung seit vorigem Jahr in Kooperation mit einer Agentur Pflegekräfte aus Mexiko. Seit August arbeiten zehn Pflegehelferinnen und Pflegehelfer im Klinikum, die in Mexiko Krankenpflege studiert haben und ihre Ausbildung noch in Deutschland anerkennen lassen müssen. Dazu zählen Sprachkurse und Prüfungen, insgesamt dauert der Prozess etwa neun Monate. „Wir haben bewusst nur eine Pflegefachkraft aus Mexiko pro Station eingestellt, weil wir sichergehen wollten, dass wir die Leute gut integrieren und am Anfang bei sprachlichen Barrieren auch unterstützen können“, sagt der stellvertretende Pflegedirektor Patrick Evel.
Laut Schätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg werden bis 2035 mindestens 400.000 Erwerbstätige fehlen. Schon jetzt hätten selbst attraktive Arbeitgeber Schwierigkeiten, ihre Stellen zu besetzen. „Es geht gar nicht mehr ausschließlich um hoch qualifizierte Fachkräfte“, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Sönke Feldhusen, „sondern seit diesem Jahrzehnt fehlen Menschen auf allen Qualifikationsebenen, also auch Hilfskräfte.“ Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, und zwar über Europa hinaus, sei „gar nicht umgehbar“.
Es fehlen Menschen auf allen Qualifikationsebenen, also auch Hilfskräfte
Feldhusen macht aber auch klar: „Man darf sich nichts vormachen. Aus Sicht der Menschen aus Drittstaaten außerhalb Europas sind wir nicht das Einwanderungsland Nummer eins. Das liegt zum einen an der Sprache, zum anderen am Einwanderungsrecht. Auch der Ruf Deutschlands beim Thema Integration ist nicht der beste.“ Branchen, in denen ausländische Kräfte seit Jahren akquiriert werden, seien neben dem Pflege- und Gesundheitsbereich vor allem Logistik und IT. Auch das Hotel- und Gaststättengewerbe rekrutiere seit der Corona-Pandemie deutlich mehr Personal aus dem Ausland.
Kampagnen und weitere Angebote für Fachkräfte:
Die Kampagne „Wir pflegen Lüneburg“ soll dem Klinikum ebenfalls die dringend benötigten Fachkräfte bescheren. Auf der gleichnamigen Website erzählen Pflegekräfte in Videos, warum sie ihren Beruf so mögen. Bewerbungen sind dort einfach und unkompliziert online möglich. Dafür reicht sogar ein Smartphone aus.
Die Krankenpflegeschule der Psychiatrischen Klinik informiert über die Ausbildung zur Pflegefachkraft mit Ausbildungsstart am 1. Oktober: Am morgigen Dienstag, 18. April, von 17 bis 19 Uhr gibt es in Haus 12 Am Wienebütteler Weg 1 einen Tag der offenen Tür in der Schule sowie am Donnerstag, 27. April, von 18 bis 19 Uhr einen Azubi-Infoabend.
Für ihre Beschäftigten baut die PKL in Zusammenarbeit mit der Lüneburger Wohnungsbaugesellschaft zurzeit sogar ein eigenes Wohngebäude mit 26 Wohneinheiten, Ende des Jahres sollen hier Mitarbeitende mit schmalerem Geldbeutel einziehen können sowie kurzfristig auch neue Beschäftigte, die von außerhalb in die Stadt kommen.
Sowohl die Psychiatrische Klinik als auch das Städtische Klinikum firmieren als gemeinnützige GmbH und liegen unter dem Dach der Gesundheitsholding Lüneburg GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der Hansestadt mit insgesamt rund 3.800 Mitarbeitenden