Luhmühlen. Erstmals fand der Mud Masters Obstacle Run im Norden statt. Bei Europas größtem Hindernislauf kommt man nur mit Teamwork voran.

Ein riesengroßer Banner mit dem Warnhinweis „Teilnahme auf eigenes Risiko“ hängt unübersehbar vor dem Eingang zum 100.000 Quadratmeter großen Eventgelände „Himmel und Heide“ in Luhmühlen. Und doch haben sich 4000 Waghalsige auf der Strecke in Luhmühlen, einer Kleinstadt 50 Kilometer südlich von Hamburg, eingefunden.

Zum ersten Mal fand hier am Sonnabend der „Mud Masters Obstacle Run“ statt. Zwischen weidenden Kühen und fernab der Zivilisation erstreckt sich Europas größter Hindernislauf durch Schlamm und Matsch.

40 Prozent der Teilnehmer sind Frauen

Es ist halb zehn Uhr am Morgen, als sich bei fast schon winterlichen Temperaturen von sechs Grad die erste angespannte Teilnehmergruppe in der Startzone versammelt. Die ersten 150 „Mud Masters“ haben sich für die längste mögliche Strecke über 42 Kilometer angemeldet – ein Marathon mit 115 Hindernissen. Im Zwanzigminutentakt starteten die kürzeren Distanzen über sechs, zwölf und 18 Kilometer.

Schlammschlacht beim Mud Masters in Luhmühlen

Durch den Dreck ging es beim Mud Masters
Durch den Dreck ging es beim Mud Masters © HA | Mediamixx
Wie Tarzan, nur ohne Jane
Wie Tarzan, nur ohne Jane © HA | Mediamixx
Startschuss beim Mud Masters
Startschuss beim Mud Masters © Mediamixx
Adrenalin pur beim Sprung auf die Matte
Adrenalin pur beim Sprung auf die Matte © Mediamixx
Von der Rutsche ins kühle Nass
Von der Rutsche ins kühle Nass © Mediamixx
Trocken blieb kein Teilnehmer
Trocken blieb kein Teilnehmer © Mediamixx
Über Stock und Stein
Über Stock und Stein © Mediamixx
Applaus gab es von den Kleinsten
Applaus gab es von den Kleinsten © Mediamixx
Hand in Hand durch den Schlamm
Hand in Hand durch den Schlamm © Mediamixx
Geschafft, aber freudig im Ziel
Geschafft, aber freudig im Ziel © Mediamixx
Ins Gesicht geschaut
Ins Gesicht geschaut © Mediamixx
Über das Wasser gehangelt
Über das Wasser gehangelt © Mediamixx
1/12

„Ob das wirklich so eine gute Idee ist?“, fragt Steffen Jahns seinen Kumpel, als es eigentlich schon zu spät ist. Die beiden Hamburger hibbeln vor dem Start in der Kälte auf und ab. Vor zwei Jahren hat Jahns die Faszination für Hindernisläufe gepackt. „Es ist viel abwechslungsreicher, als stumpf geradeaus zu laufen. Der Adrenalinkick, den man bei spektakulären Hindernissen bekommt, ist einmalig.“

Angefangen mit acht Kilometern traute sich der 28-Jährige in diesem Jahr im Mai bei den Mud Masters in Weeze am Niederrhein erstmals die volle Distanz zu. 15.000 Menschen feierten mit ihm die Schlammschlacht. „Im Mai waren es allerdings noch über 20 Grad. Heute ist der Wind kalt und dein Körper kühlt schneller aus“, sagt Jahns, der hauptberuflich Polizist ist.

Die ersten Hürden, eine eineinhalb Meter hohe Holzwand und gestapelte Strohballen, überspringt er locker. Es ist eine sanfte Eingewöhnung auf das, was die Mud Masters auszeichnet: Matsch. Nach nur einem Kilometer erreichen die Teilnehmer, darunter 40 Prozent Frauen, den „Sizzler“. Auf den Ellenbogen müssen die Sportler unter einem mit Stacheldraht bestücktem und wenige Zentimeter hohem Zaun durchkriechen.

Das Adrenalin treibt die Athleten an

In dem sabschigen Matsch ist es unmöglich, sauber zu bleiben. Aber das ist auch nicht das Ziel. Schuhe bleiben stecken, Gesichter klatschen in die modrige Masse. Von der Kleidung ist nicht mehr viel zu erkennen, fast alle Läufer sind vollkommen mit Schlamm bedeckt. Und genau das ist die Faszination des Wettbewerbs. Die Menschen lachen, während sie versuchen, im Matsch vorwärts zu kommen. Das Adrenalin treibt die Athleten an, Wildfremde klatschten sich vor Stolz und Glück gegenseitig ab.

Einer der Matschigen ist Steffen Jahns. Seine orangene Warnweste ist in der Schlammhülle nur noch zu erahnen. Alle Teilnehmer der Langstrecke tragen sie, um sich von der Masse abzuheben. Die Kurzstreckenläufer sind angehalten, den Marathoni bei kräftezehrenden Hindernissen zu helfen. Die gegenseitige Unterstützung ist im Gegensatz zu anderen Sportarten eines der wichtigsten Merkmale der Mud Masters.

„Hier läuft keine Sau für sich alleine“, ruft einer der Veranstalter per Mikrofon über das ländliche Areal. In Luhmühlen geht es nicht darum, als erster ins Ziel zu kommen – sondern gemeinsam. Es geht um Teamwork. Die Hindernisse sind so angelegt, dass sie ohne fremde Hilfe gar nicht zu überwinden sind. Diejenigen, die im Alleingang versuchen, eine fast senkrechte und einige Meter hohe, rutschige Wand hochzulaufen, prallen sofort ab und landen im Matsch. „Menschen, die sich gar nicht kennen, strecken sich die Hände entgegen“, sagt Veranstalter André Skwortsow, der die Mud Masters vor fünf Jahren ins Leben rief. „Die positive Stimmung ist das Schönste. Es ist wie ein großer Spielplatz für Erwachsene.“

Der 36-Jährige ist ehemaliger Marinesoldat der Niederlande. 14 Jahre lang hat er Parcours durchlaufen, die ihm Ausdauer, Kraft und Mut abverlangten. Dieses Gefühl wollte er mit anderen Menschen teilen. Und so kam es, dass alle Hindernisse von militärischen Trainingsparcours inspiriert sind. Jährlich laufen über 80.000 Mud Masters über die Ziellinien der fünf Veranstaltungsorte in Haarlemmermeer, Scheveningen, Biddinghuizen (alle drei in den Niederlanden), bei Hamburg und auf dem Airport Weeze (Nordrhein-Westfalen).

Nach sechs Stunden und 42 Kilometern im Ziel

Unter seiner markigen Weste trägt Steffen Jahns ein schwarzes, langärmliges Thermoshirt, eine kurze schwarze Hose und neongrüne Stutzen, die er bis zu den Knien hochgezogen hat. Die richtige Kleidung ist die Voraussetzung, um das Schlammrennen zu überstehen. Nicht alle halten sich an die Kleiderordnung – und müssen dafür leiden. Eine am ganzen Körper zitternde Frau muss mit blauen Lippen und eingehüllt in eine Wärmedecke abtransportiert werden. Bei anderen Teilnehmern mischt sich der Matsch mit dem Blut der aufgeschürften Knie, Unterarme und Handflächen. Die Sportler leiden, aber sie helfen sich bis zum Ende. Genau das ist es, was die Mud Masters auszeichnet. Das gemeinsame Überwinden der Schmerzen.

Beim Hindernis „The Flyer“, einer zehn Meter hohen Rutschbahn, bleibt keine Unterhose trocken. „Es ist das Schlimmste, wenn man das erste Mal ins Wasser muss“, sagt Jahns. Nach 18 Kilometern werden seine Beine schwer. Immer wieder muss er am Streckenrand pausieren, klopft sich auf die müden Oberschenkel. Erst vor vier Wochen hatte er sich dazu entschlossen, bei den Mud Masters erneut zu starten. Um sich vorzubereiten, hat der Hamburger vor drei Wochen einen 100 Kilometer langen Marsch in 24 Stunden absolviert. Bereut hat er die Idee nicht. Nach fünf Stunden und 55 Minuten überquert Jahns an der Seite seiner Mitstreiter die Ziellinie.