Die Abendblatt-Regionalausgabe geht auf Sommertour. Die Stadt Bleckede an der Elbe, im Osten des Landkreises, ist die 13. Station
Bleckede. Jörg Sohst und seine Frau Angela tauschten vor vier Jahren den Rhein gegen die Elbe. Sie kamen von Bonn nach Bleckede. "Wir fühlen uns sauwohl", sagt Jörg Sohst. Der pensionierte Berufssoldat zog vor seinem Ruhestand mit seiner Familie neun Mal um. "In Bleckede hatten wir das erste Mal die Chance, dazuzugehören. Das ist geglückt." Die Kleinstadt an der Elbe ist das Zuhause geworden. "Wer sich als Neubürger einbringt, wird mit offenen Armen aufgenommen", sagt Sohst. Er engagierte sich als Koordinator der 800-Jahr-Feier Bleckedes 2009, seine Frau ist Vorsitzende der Ortsgruppe des Deutschen Roten Kreuz.
Obwohl der rund 6000 Einwohner zählende Ort eine Stadt ist, die einzige im Landkreis neben Lüneburg, sei das Leben trotzdem überwiegend dörflich geprägt. "Beim Einkauf trifft man sich und schnackt miteinander", sagt Sohst. Aber die Angebote der größeren Städte wie Lüneburg und Hamburg seien nah. "Wir haben eine gute Anbindung an den Hamburger Verkehrsverbund. Kulturelle Veranstaltungen liegen somit vor der Haustür. Wir nutzen die Angebote."
Der Umzug von Bonn nach Bleckede war kein Zufall. "Wir kannten uns schon aus, weil wir vorher mit unseren Islandpferden immer Urlaub auf dem Kronshof in Ellringen bei Dahlenburg gemacht hatten. Als die Pensionierung kam, entschlossen wir uns, in unsere Urlaubsregion zu ziehen."
Und von der ist er nach wie vor begeistert. "Die Elbe strahlt viel Ruhe aus und die Innenstadt mit ihren Fachwerkhäusern hat Ambiente." Er wünscht sich, dass im Zentrum an der Breiten Straße Kunstgewerbe und Handwerkskunst künftig Tür an Tür leben. "Vorne Geschäftsräume, hinten Werkstätten." Denn die Innenstadt, so Sohst, müsse aufgemöbelt werden, mehr Leben in die Geschäfte gebracht, vorhandene Leerstände beseitigt, neue verhindert werden.
Bleckedes Zukunft liege nach seinen Worten im Tourismus. "Bei uns wird sich keine Industrie ansiedeln, die Arbeitsplätze mitbringt. Dafür ist die Verkehrsinfrastruktur nicht ausreichend." Und die Elbbrücke, die Sohst zwar fordert, werde nicht für einen mittelständischen Boom sorgen, glaubt er.
Noch mehr Tagesausflügler, Busreisende, Rad- und Bootsfahrer müssten in die Stadt gelockt werden. "Deshalb benötigen wir dringend ein Hotel mit mindestens 50 Betten, ein Fahrgastschiff und den Heideexpress auf der Strecke Lüneburg-Bleckede." Er ist optimistisch, dass der Ausbau der Angebote kommen wird. "Wir haben viele Leute mit guten Ideen", sagt Sohst.
Eine ist Andrea Harnisch, die Vorsitzende der Werbegemeinschaft Handel und Handwerk. Sie sattelte vor einem Jahr um. Die Steuerfachgehilfin in einem Autohaus eröffnete eine Pension mit zwei Ferienwohnungen und vier Gästezimmern in ihrem Bauernhaus. Seit dem Start im Juli vergangenen Jahres hat sie 2500 Übernachtungen gezählt, 95 Prozent der Gäste buchten über das Internet, sagt Harnisch. Unter ihnen war auch Prominenz: der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher.
Die noch junge Pension wurde bereits mit fünf Sternen des Deutschen Tourismus Verbandes und dem Zertifikat Service Qualität Deutschland ausgezeichnet. "Mich hat es geärgert, dass die Touristen, die an der Elbe zwischen Lauenburg und Hitzacker Urlaub machen, Bleckede auslassen", sagt sie über ihren Beweggrund, dass sie die Pension nach zweijähriger Vorbereitungszeit, unter anderem mit Fachschulungen, eröffnete.
"Wer über den Deich geht, kommt in eine andere Welt und kann die Seele baumeln lassen", sagt Harnisch. Und das hat sich offenbar schon bis in die USA, die Schweiz und nach Frankreich herumgesprochen. Denn von dort kommen Gäste in den nächsten Wochen.
Verbreitet hat sich auch, dass im Biosphaerium seit kurzem Elbfische in einer Aquarienlandschaft und ein Biber in einem Freigehege zu beobachten sind. "Seit der Eröffnung der Aquarien an Ostern hatten wir schon 10 000 Besucher. Das sind zwei Drittel von dem, was wir sonst in einem Jahr an Gästen haben", sagt Axel Schlemann vom Biosphaerium.
Über einen unerwarteten Andrang freut sich auch Jens Krause. Erst am vorigen Freitag hatte er im Hafen seinen Imbiss eröffnet. Die Hungrigen und Durstigen seien trotz des schlechten Wetters der vergangenen Tage in Scharen gekommen, um sich mit Getränken und Zwischenmahlzeiten zu stärken. "Die überdachte Terrasse, die sich dem Gastraum anschließt, und von der die Gäste auf die Elbe blicken können, war jeden Tag stundenlang besetzt", so Krause.
Gleich nebenan am neu errichteten Fährhaus fiebert Betreiber Florian Casper der Eröffnung noch entgegen. Ab Montag, 1. August, bewirtet er dann die Gäste in seinem Restaurant und Café. Das Fährhaus hat bei Speis und Trank einen nicht minder tollen Ausblick auf die Elbe zu bieten, bei der die über den Fluss tuckernde Elbfähre "Amt Neuhaus" das herrliche Panorama bildet. Das Restaurant, das auch für Familienfeiern zu buchen ist, hat 46 Plätze, die Dachterrasse 70 mit zusätzlich sechs Strandkörben.
Einem traditionellen, aber im Laufe der Zeit ausgestorbenen Wirtschaftszweig in Bleckede haucht der Handwerksmeister für Heizung und Sanitär, Stephan Scheer, neues Leben ein. Er baut in der Innenstadt eine Brauerei und bringt damit das Brauwesen in die Stadt zurück. "Es ist davon auszugehen, dass es in früheren Jahren an die 30 Braustätten in Bleckede gegeben hat", heißt es im Heimatbuch von Ute Schötteldreyer.
"Nachdem ich das Haus an der Breiten Straße 20 gekauft hatte, in dem früher ein Gefängnis war und zum Schluss ein Elektro- und Sanitärbetrieb mit Werkstatt, entdeckte ich beim Entrümpeln Schätze", sagt Scheer. lm Keller lagen alte Brauflaschen und auf dem Dachboden befanden sich Tongefäße, Glasflaschen und Laternen von der alten Bavaria St. Pauli Brauerei, deren wichtigste Marke Astra war. "Als ich das sah, konnte ich nicht anders. Ich musste ein Brauhaus bauen. Zumal ich leidenschaftlicher Fan des FC St. Pauli bin, der eng mit der Marke Astra verbunden ist."
Die Braukessel aus Kupfer hat er bestellt, im Dezember soll das erste Bier fließen. Der Arbeitstitel für das künftige typische Bleckeder Bier lautet "Das Gute von der Elbe." "Obwohl ich noch gar nicht angefangen habe, wurden schon 16 000 Liter bestellt." Der Ausschank soll direkt am Kessel erfolgen, der Verzehr im idyllischen Innenhof. "Zudem wird das Bier in Zwei-Liter-Tongefäßen abgegeben."
Das künftige Brauhaus liegt dann im Revier von Elisabeth Pahl und Heike Reinberger. Sie laden seit einem Jahr zu Stadtführungen ein, auf Anfrage einmal im Monat. Elisabeth Pahl ist als lustige Trine in ein typisches Kostüm aus dem 16. Jahrhundert gehüllt unterwegs. Sie spricht Landessprache, also auf Plattdeutsch und sucht nach ihrem Gatten Hinnerk (Uwe Vogel), den sie unterwegs aus der Kneipe zerren muss. Heike Reinberger trägt ein Fischerkostüm und erzählt auf Hochdeutsch Anekdoten und wichtige Stationen der bewegten Stadtgeschichte.
Bei ihren Rundgängen kommen sie an der Bücherstube von Erika Tipke vorbei, in der die Ausleihe kostenlos ist. Zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Ernst hatte sie die Bücherstube vor einem Jahr gegründet. 2500 Bücher aus dem Privatbesitz von Ernst Tipke stehen jetzt den lesebegeisterten Bleckedern zur Verfügung. Der Fundus besteht unter anderem aus Heimatliteratur, Kirchengeschichte, politischen Büchern und Werken über die Elbe. "Noch in diesem Jahr soll ein Bücherspaß für Familien mit Kindern unter drei Jahren starten", sagt Erika Tipke, die die Bücherstube ehrenamtlich betreut. Das Konzept sieht vor, dass Kinder mit ihren Müttern oder Vätern in die Bücherstube zum Spielen, Singen und Begucken von Bilderbüchern kommen. "Die Lesekompetenz muss so früh wie möglich beginnen", sagt Erika Tipke überzeugt.