Abgeordnete sehen in dem Atommeiler an der Elbe eine real existierende Gefahr für die Menschen im Landkreis
Lüneburg. Die nukleare Katastrophe in Japan strahlt bis in den Lüneburger Kreistag aus. "Wir können doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Schließlich haben wir mit dem Kernkraftwerk Krümmel einen Siedewasserreaktor direkt vor unserer Nase, der anfällig für Pannen ist, und dessen Betreiber nicht gerade beweist, dass er zuverlässig ist", so Franz-Josef Kamp (SPD), Sprecher der Mehrheitsgruppe von SPD und Grüne im Kreistag.
Rot-Grün brachte zur gestrigen Kreistagssitzung in der Ritterakademie aus aktuellem Anlass einen Dringlichkeitsantrag für eine Resolution ein. Unter der Überschrift "Atomkraftwerk Krümmel nicht wieder ans Netz nehmen, keine Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke" beschloss der Kreistag sie mit einer Mehrheit bei 17 Enthaltungen. Sie richtet sich an die Bundesregierung und die Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
"Die Bürger erwarten von uns, dass wir uns mit dem Thema auseinandersetzen", sagte Kamp. Denn die Atomkraft sei im Notfall eine nicht zu beherrschende Technik wie die dramatischen Ereignisse in Japan zeigten: "Anscheinend ist alles möglich, wenn die Infrastruktur nicht funktioniert, es etwa zu einem Stromausfall kommt." So war im Meiler Krümmel am 28. Juni 2007 einer der beiden Transformatoren in Brand geraten.
Die atomare Katastrophe in dem Siedewasserreaktor von Fukushima mache deutlich, dass die Sicherheitsbedenken gegen diesen Reaktortyp berechtigt seien. "Das Atomkraftwerk Krümmel ist als baugleich mit dem Reaktor in Fukushima anzusehen und mit gleichem Sicherheitsstandard ausgerüstet", hieß es in der Begründung für den Dringlichkeitsantrag. Kamp: "Deshalb muss Krümmel ohne Wenn und Aber stillgelegt werden."
Die rot-grüne Mehrheitsgruppe formulierte in ihrem Resolutionstext dementsprechend: "Die Mitglieder des Kreistages protestieren gegen die geplante Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerkes und fordern die zuständigen Behörden auf, es aus Sicherheitsgründen endgültig stillzulegen." Zudem werde die bereits beschlossene Laufzeitverlängerung von deutschen Kernkraftwerken abgelehnt und eine Rücknahme dieser Entscheidung von der Bundesregierung gefordert. ,,Wir müssen Flagge zeigen und unseren politischen Protest formulieren", so Kamp.
Das hatte der Kreistag in der Vergangenheit bereits mehrfach getan. Mit Resolutionen vom 16. Juli 2007, vom 31. August 2009 und vom 22. September 2010 hatte er sich dafür ausgesprochen, dass eine Wiederinbetriebnahme des Reaktors in Krümmel nur dann erfolgen dürfe, wenn weitere Störfälle ausgeschlossen werden können.
Doch die atomare Katastrophe in Fukushima mache nun auf erschreckende Art deutlich, dass die Sicherheitsbedenken nicht auszuräumen seien und eine Kernschmelze bis hin zum atomaren Super-GAU real existiere, so die Gruppensprecher Kamp und Bernhard Stilke (Grüne) unisono. Der baugleiche Siedewasserreaktor in Krümmel stelle eine Bedrohung für Bürger im Landkreis Lüneburg dar.
Für Kamp ist die Zeit des endgültigen Ausstiegs aus der Kernenergie gekommen. "Die Beruhigungspolitik der Befürworter ist in sich zusammengebrochen, weil Japan eine deutliche Warnung ist", sagte Kamp. Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge sieht das auch so. "Wir können keine 100-prozentige Sicherheit für Atomkraftwerke garantieren, weil wir längst nicht alle Faktoren in der Hand haben", sagte er. Selbst die sichersten Meiler könnten durch Umstände, auf die der Mensch keinen Einfluss hat, zum vernichtenden Risiko werden: "Die Natur lässt sich nicht beherrschen."
Der Lüneburger CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhard Pols sagte, er habe großes Verständnis für Menschen, die Bedenken gegenüber die Kernkrafttechnologie haben. "Sicherheit ist nicht verhandelbar. Deshalb bin ich froh, dass die christlich-liberale Bundesregierung die Atomgesetznovelle durchgesetzt hat." Mit dieser, so Pols, habe sie die Energiekonzerne verpflichtet, die Sicherheitsvorkehrungen permanent an den neuesten Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen.
Es stelle sich jedoch für alle Kernkraftwerke in Deutschland die Frage, ob diese noch bei einem Ausfall der Kühlsysteme dem neuestem Stand genügen. "Sollte dies nicht der Fall sein, so müssen entsprechende Konsequenzen gezogen werden." Welche, ließ der Christdemokrat Pols aber offen.