Starke Frauen besetzen die Schlüsselpositionen der Liberalen in der Kommunalpolitik von Stadt und Landkreis

Lüneburg. Ein Treffen der liberalen Frauen aus Stadt und Landkreis Lüneburg erweckt den Eindruck, dass die Weiblichkeit bei den Liberalen den Ton angibt. Fakt ist, dass unter den 135 Mitgliedern des FDP-Kreisverbands lediglich 35 Frauen registriert sind - das sind gute 33 Prozent. Auf Bundesebene sind es sogar nur 22 Prozent. Und doch sammeln sich auffallend viele Frauen in der kleinen Partei, die in der Lüneburger Kommunalpolitik wesentliche Positionen besetzen und an den politischen Stellschrauben drehen.

"Wir sind so frei." Nach diesem Motto denken, leben und handeln die FDP-Frauen. Die Scharnebeckerin Karin-Ose Röckseisen spricht augenzwinkernd von einem liberalen Haufen. Das freilich beschreibt nicht eben damenhaft den Fall, wenn die fortschrittlichen Kommunalpolitikerinnen zusammenströmen und sich austauschen. Im Kreistag prägen zwei Frauen das Bild der dreiköpfigen FDP-Fraktion: Karin-Ose Röckseisen und Karin Zimmermann. Dieselbe Konstellation gibt es im Stadtrat mit Birte Schellmann und Irene Kuckulies.

Während Röckseisen, die 72 Jahre alte Grand Dame der Liberalen, gleich drei Mandate in den Kommunalparlamenten besetzt, engagiert sich Zimmermann (46) im Kreistag und der Samtgemeinde Reppenstedt. Nicht minder freisinnige Kommunalpolitikerinnen ackern auf Gemeinde- und Samtgemeindeebene. Zu ihnen zählen Karin Schwerter-Strumpf in Gellersen, Gisela Plaschka in Amelinghausen, Ragna Gustafsen-Witte im Stadtrat Bleckede und Caroline Roberts als gewählte Ortsvorsteherin in Radegast an der Elbe.

Als berufstätige Mütter sind sie eher spät als zu früh in die Politik eingefallen. Sie wurden gewählt, weil sie sich bekannt wie "bunte Hunde", vor allem für ihre Familien und im Besonderen für ihre Kinder einsetzten. Kaum eine von ihnen verzichtete auf Eltern- und Schularbeit. Und alle erkannten dabei: Ohne die Politik geht es nicht.

Wer sich für die Parteiarbeit entscheidet und gut ist, wird nach oben katapultiert. Im Gegensatz zu den großen Parteien herrscht unter den gelben Sockenträgerrinnen eine eher pragmatische Stimmung. In den großen Parteien müsse man sich raufgearbeitet haben, um auf einen der begehrten Listenplätze zu landen. Und speziell Frauen hätten es dort nicht einfach.

Bei den Liberalen entscheide man pragmatisch und orientiere sich an den besten und stärksten Leuten. So kann es, wie vor fünf Jahren, ein FDP-Neuling wie Karin Zimmermann sein. Man erkannte ihre Stärke, hob die Betriebswirtin als Spitzenkandidatin auf die Wahlliste und das fast Unmögliche geschah: Zimmermann holte für die FDP Mandate für den Kreis, die Samtgemeinde Gellersen und die Gemeinde Reppenstedt.

Auch die studierte Juristin Schellmann schaffte in den 80er-Jahren überraschend schnell den Sprung in den Stadtrat. "Wenn man aktiv ist und sich einsetzt, hat man es leicht in der FDP", sagt die 64-Jährige. Da sei es dann fast egal, was auf Bundesebene läuft. Dennoch bezeichnen die Frauen die Situation der Bundespartei als Desaster.

Was die liberalen Frauen im Landkreis so stark macht, nennt Schellmann Authentizität. "Es ist das Engagement für andere, das Frauen in der FDP vereint", sagt sie. "Wir bringen Ideen mit und lösen Probleme vor Ort. Da spielt die Partei nicht unbedingt eine Rolle." Karin-Ose Röckseisen drückt es so aus: "Wir liberalen Frauen sind selbstlos, engagiert im Sinne der Sache und immer kompromissbereit."

Seit Jahrzehnten betreibt die Künstlerin und Pädagogin in ihrem Ort mit viel Elan kreative Lokalpolitik. 1981 trat sie der FDP bei, um Genscher zu stützen und um die liberale Idee zu kämpfen. "Sie steht als Freiheits- und Bürgerpartei für jeden Einzelnen und für seine Chancen", so die Scharnebeckerin. Sie wird in diesem Jahr erneut für den Kreistag kandidieren.

Verlieren jedoch wird die Partei Frontfrau Karin Zimmermann. "Die Anforderungen von Beruf, Kommunalpolitik und Familie waren einfach zu heftig", begründet sie ihren Schritt zurück nach knapp fünfjähriger, engagierter Ratstätigkeit. Irgendwann müsse sich eine Frau entscheiden, ob sie sich dem Ehrenamt oder dem Beruf widmet. Die Mutter zweier Kinder gibt jetzt dem beruflichen Weiterkommen in der Lüneburger Industrie- und Handelskammer den Vorrang.

Die Entscheidung zeigt das Dilemma, in dem eine kleine Partei wie die FDP steckt. "Allein gegen alle" könnte man den Dauerzustand beschreiben. Wenige Köpfe hätten einen Berg von Arbeit zu bewältigen, der bei SPD und CDU auf die Schultern zahlreicher Mitglieder verteilt werde. Freizeit kennen die Damen und Herren kaum, denn entweder müssen Anträge geschrieben, Kenntnisse erworben, Ausschüsse besucht oder eben Parteiarbeit an der Basis geleistet werden.

Mit Anikó Hauch (36) jedenfalls wird bereits eine Nachfolgerin für den Kreistag herangezogen. Karin Zimmermann warb um die junge Unternehmerin, die sich als Liberale Vertreterin mittlerweile im Ortsverband Gellersen übt. Die Politikeinsteigerin absolvierte das Mentoring-Programm zur politischen Nachwuchsförderung von Frauen unter dem Titel "Politik sucht Frauen" und sieht bereits hoffnungsvoll der Kommunalwahl entgegen. Wie die anderen brennt sie für die Kommunalpolitik und erhofft sich als Stärkung für die Region auf Bundesebene eine baldige Neuorientierung.