Schüler und Jugendliche üben bei einem Castor-Aktionstraining für die Proteste in Gorleben

Lüneburg. Die Demonstranten haben sich zur Sitzblockade niedergelassen. Nebeneinander hocken die Jugendlichen auf dem Boden, die Arme fest mit denen des Sitznachbarn verschränkt. Dann kommt "die Polizei" und trägt die Protestierenden weg, einen nach dem anderen. Weg vom imaginären Bahngleis, das sie eben noch mit ihren Körpern blockiert haben.

Das alles passiert im Innenhof der Lüneburger Musikschule - und ist natürlich nur ein Spiel. Oder besser: eine Übung. Denn die Jugendlichen sind keinesfalls zum Spaß hier. In knapp zwei Wochen wollen die meisten von ihnen in Lüneburg oder im Wendland tatsächlich gegen den Castor-Transport öffentlich demonstrieren. Auf welche Weise auch immer.

"Für uns ist es wichtig, den Teilnehmern die ganze Bandbreite der Protestformen näherzubringen", erklärt Jonas Spengler die vielen verschiedenen Übungen. "Keiner soll irgendetwas machen, was er nicht möchte, jeder soll hier seine eigene Aktionsform finden können. Innerhalb des Bündnisses werden wir uns aber noch auf Richtlinien verständigen." Jonas ist noch jung, 20 Jahre alt, Zivildienstleistender, und im Moment nebenbei Pressesprecher - für das Lüneburger Jugendbündnis gegen Atomkraft (JugA), das dieses "Aktionstraining" anbietet.

Auch die 25 Teilnehmer sind jung, genauer gesagt, zwischen 14 und etwa 25 Jahre, die meisten von ihnen noch Schüler. Angeleitet werden sie von erfahrenen Protestlern aus dem Wendland. "Wir haben vor etwa vier Wochen im Bündnis entschieden, dass uns ein solches Training wichtig ist", sagt Jonas. Darum hat das JugA diese Vorbereitungstage gegen den Castor-Transport unter dem Motto "Get Ready!" ins Leben gerufen.

Neben dem Training der verschiedenen Aktionsformen stehen Themen wie Verhaltensregeln gegenüber der Polizei, rechtliche Fragen und mögliche Konsequenzen auf dem Workshop-Programm. "Was wir hier vermitteln wollen, ist so etwas wie ein Demo-Einmaleins", erzählt Jonas. "Was nehme ich mit? Was lasse ich besser zuhause? Was will ich da überhaupt?" Das alles seien Fragen, die sich jeder stellen sollte, bevor er demonstrieren geht, und die bei diesen Vorbereitungstagen thematisiert werden. Darum wurde den Jugendlichen auch erklärt, was überhaupt die Probleme von Atomkraft, Strahlung und Endlagerung sind.

Die Resonanz zeigt, dass offenbar Bedarf für das erstmalige Angebot besteht. Zwar gab es bereits Demonstrationstrainings für Schüler und Jugendliche, auch in Lüneburg. Bisher aber nur im Vorfeld von Nazi-Aufmärschen und zum Thema Bildungsstreik. Dass es nun auch beim Castor-Transport klappt, etliche junge Menschen zum Handeln zu motivieren, ist spezifisch für diese Region, meint Jonas. "In Lüneburg ist so was drin. Hier gibt es einfach ein generationsübergreifendes breites Spektrum gegen Atomkraft, das immer wieder aktiv wird. Daraus hat sich hier eine gewisse Jugendkultur entwickelt", erklärt er seine persönliche Motivation. Aber auch familiär sei er da sicher vorgeprägt, sagt der 20-Jährige.

Das gilt wohl auch für Tassilo Schmidt. Der 16-Jährige Lüneburger nimmt zum ersten Mal an einem Aktionstraining teil. "Mich hat ein Freund zu den Vorbereitungstreffen mitgenommen", sagt er. Er sei "schon immer gegen Atomkraft" gewesen, deswegen habe ihm die Idee gefallen, Jugendliche gegen den Castor zu mobilisieren. Es sei schon wichtig, einige Dinge im Vorfeld zu wissen, sagt Tassilo: "Zum Beispiel die Frage: Wie strafbar macht man sich eigentlich mit dieser oder jener Aktionsform?" Die möglichen Konsequenzen zu kennen, ist ihm wichtig. "So was kann ja auch später mal berufliche Folgen haben", weiß er.

Warum er auf die Straße gehen will gegen den Castor, das weiß Tassilo schon ziemlich genau. Da sei zum einen der Aspekt der Nachhaltigkeit, "weil erneuerbare Energien durch die Atomkraft verzögert werden." Zum anderen ist ihm die Sicherheitsfrage wichtig: "Die Technik wird von Menschen bedient, und Menschen machen nun mal Fehler." Und ganz Gorleben-bezogen ergänzt er noch: "Die Endlagerfrage ist überhaupt nicht geklärt."

Der Schüler hat sich schon für seine Protestform entschieden, wenn er zusammen mit vielen anderen Jugendlichen zur großen Demo in Gorleben geht. "Ich werde ganz normal an Sitzblockaden teilnehmen und nicht den stärksten Widerstand leisten." Zu einfach will Tassilo es der Polizei dann aber auch nicht machen: "Auf jeden Fall werde ich mich bei meinen Nachbarn einhaken."