Rot-Grün im Kreistag spricht von Affront und wirft der Regierung in Hannover vor, Gesamtschulen finanziell austrocknen zu wollen

Lüneburg. Gerade erst haben sie ihr gemeinsames Vorhaben auf den Weg gebracht: Am Montag, 8. November, wollte die rot-grüne Mehrheitsgruppe im Kreistag eine zweite Gesamtschule im Landkreis beantragen (die Rundschau berichtete). Das Vorhaben Gesamtschule zählte zu den wesentlichen Projekten aus der Koalitionsvereinbarung der beiden Fraktionen, deren Zusammenarbeit erst in diesem Sommer besiegelt worden war. Doch das Land könnte einen Strich durch die Rechnung machen.

"Die zweite Gesamtschule wollen wir immer noch", sagt die Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der SPD, Andrea Schröder-Ehlers. Geplant war, am 8. November die Kreisverwaltung mit einer Elternbefragung zu beauftragen und in die Abstimmung mit der Landesschulbehörde einzutreten. Jetzt tauchen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Vorhabens auf: Das Land Niedersachsen hat die Mittel für die Umsetzung neuer Ganztagsschulen eingefroren.

Das trifft vor allem die Grundschulen - aber auch für eine neue Gesamtschule in Lüneburg könnte das zum Problem werden. Denn eine Gesamtschule als Halbtagsschule entspricht in der Regel nicht dem Elternwillen.

"Die Billigvarianten als Halbtagsschule oder als Ganztagsschule nur mit nachmittäglichen Betreuungsangeboten sind nicht das, was die meisten Eltern wollen", sagt auch Richard Lauenstein, bildungspolitischer Sprecher der Gewerkschaft für Erziehung (GEW) in Hannover. "Wer jetzt eine Gesamtschule ins Leben ruft, der möchte natürlich das ganze Paket - also eine grundständige, echte Ganztagsschule. Auch die Forderungen des Landeselternrates gehen dahin", sagt Lauenstein.

Froh ist er immerhin, dass es das grundsätzliche Verbot für die Errichtung neuer Gesamtschulen nicht mehr gibt. "Früher wollte die Landesregierung den Gesamtschulen das Wasser komplett abgraben, aber das ist nach den Landtagswahlen 2008 nicht mehr so. Es gibt allerdings immer noch hohe Hürden bei der Einrichtung einer neuen Gesamtschule: Sie soll beispielsweise fünfzügig sein. Obendrein gilt auch die Regelung zum Turbo-Abitur inzwischen für die Gesamtschule", sagt Lauenstein.

Wie es jetzt weiter geht, will Andrea Schröder-Ehlers mit den Koalitionären im Kreistag absprechen. "Der Haushaltsentwurf der Landesregierung sieht jedenfalls für neue Ganztagsschulen überhaupt keine zusätzlichen Mittel vor", sagt sie. Nach internen Informationen aus dem Kultusministerium, die ihrer Fraktion vorliegen, will die Landesregierung zum kommenden Schuljahr 2011/2012 zwar Anträge auf Einrichtungen von offenen Ganztagsschulen genehmigen, aber keine Finanzen für notwendige zusätzliche Personalressourcen zur Verfügung stellen. "Mal wieder profiliert sich die Landesregierung auf dem Rücken der Kommunen und lässt sie im Regen stehen. Eine Ganztagsschule ohne zusätzliche Mittel kann sich ein Türschild an die Pforte nageln und das war es", sagt Schröder-Ehlers.

"Wir werden auf einer Klärung der Frage in Hannover bestehen. Eine Gesamtschule braucht ein vernünftiges pädagogisches Grundkonzept", sagt die Landtagsabgeordnete. Auch in den Reihen des Koalitionspartners im Kreistag beginnt man sich Gedanken zu machen. "Die Situation ist neu, wir konnten in der Fraktion bisher nur kurz darüber sprechen. Die Landesregierung versucht jetzt, auf diesem Weg Gesamtschulen zu blockieren - das sehen wir als Affront", sagt Bernhard Stilke, der für die Grünen im Kreisschulausschusses sitzt.

"Möglicherweise wird die Befragung der Eltern vor diesem Hintergrund etwas schwieriger - aber wir haben einen langen Atem und hoffen, dass die CDU nicht mehr regiert, wenn wir mit unserem Projekt starten. Für uns ist das eine Frage der Zeit", sagt Stilke. Die geplante Elternbefragung will er auf jeden Fall durchführen, um den Bedarf im Landkreis zu ermitteln. "Die IGS Kaltenmoor hat sich in kurzer Zeit einen guten Ruf erarbeitet, das spricht für unsere Pläne. Und auch die mittelfristig sinkenden Schülerzahlen sprechen für Gesamtschulen", sagt Stilke.