1989 öffnete sich auch die Grenze an der Elbe. Bleckede schrieb mit einer Schiffs-Verbindung deutsch-deutsche Geschichte.
Bleckede. Während in den Abendstunden des 9. November 1989 in der geteilten Stadt Berlin die Mauer langsam brüchig wurde, die ersten DDR-Bürger Grenzübergangsstellen von Ost nach West überschritten, blieb es in der geteilten Stadt an der Elbe ruhig. In Bleckede liefen die Fernseher. Karl-Heinz Hoppe, damals Bürgermeister in Bleckede, und Lutz Röding, seinerzeit Stadtdirektor, erinnern sich: ,,Wir sahen, was sich in Berlin tat."
Am nächsten Morgen machten sich die Bleckeder eifrig daran, deutsch-deutsche Geschichte mit zu schreiben. ,,Auch Bleckede war eine geteilte Stadt, 1000 Hektar Land lagen auf dem Gebiet der DDR. Auch wir wollten einen Grenzübergang", sagt Hoppe.
Sofort sei die Idee geboren worden, einen Fährbetrieb von Bleckede im Westen nach Neu Bleckede im Osten einzurichten, um den verhassten Grenzzaun am Elbufer überwinden zu können, Begegnungen der auseinander gerissenen Bleckeder Familien möglich zu machen. ,,Wir wollten eine Fährverbindung, wie es bis 1945 war", sagt Röding.
Doch bis es soweit war, vergingen noch mehr als zwei Wochen. Erst am 25. November fuhr die erste Fähre. Allerdings, ohne am DDR-Ufer festmachen zu dürfen. Erst einen Tag später legte sie an und der Eiserne Vorhang öffnete sich auch für die Bleckeder und viele Besucher aus der Region.
Bevor Hoppe, Röding und alle anderen Mitstreiter für eine Fährverbindung den ersten Fuß auf DDR-Gebiet setzen durften, mussten sie viele Hürden überwinden. "Es gab auch genügend Kritiker gegen die Errichtung einer Fähre in Bleckede", berichtet Röding. Wegen der besseren Straßenanbindung sollte einer Fähre Neu Darchau-Darchau der Vorzug gegeben werden. "Einige Kritiker waren ernsthaft der Ansicht, die Brücken in Lauenburg und die Wiederherstellung der Brücke bei Dömitz würden ausreichen."
Hoppe ergänzt: "Wir mussten vorpreschen, weil es auch beim Land und beim Landkreis Stimmen gab, die eine Fährverbindung ablehnten." Bleckede ging in die Offensive, rührte kräftig die Werbetrommel. Röding: "Wer die Bleckeder kennt, hätte wissen müssen, dass einmal gefasste Ziele mit Energie und Ausdauer verfolgt werden."
Bis an den Rhein nach Bonn eilte der Ruf von der Elbe. "Mit einem Schreiben an den damaligen Chef des Bundeskanzleramtes Rudolf Seiters wurde um Unterstützung bei Bundeskanzler Helmut Kohl für die Errichtung einer Fährverbindung gebeten. Es wurde alles in Bewegung gesetzt", sagt Röding.
Am Ende siegten Willen und Überzeugungskraft der Bleckeder. "Der Schiffsmakler Michael Herold aus Hohnstorf/Elbe wusste Rat und wir wurden uns über die Anmietung der Prahmfähre des Schiffseigners Karl-Heinz Büchel, genannt Käptn Kuddel, einig. Herr Büchel, der in der Saison die Autofähre Hoopte-Zollenspieker betrieb, machte sich mit Karl-Heinz Hoppe, Landrat Dr. Wilhelm Martens und mir an Bord auf den Weg nach Bleckede. In den Mittagsstunden des 25. November kreuzte die Elbfähre mit vielen Bleckedern vor der Staatsgrenze Ost. Wir forderten lautstark ,Tor auf, Tor auf'", erzählt Röding. Doch der Ruf aus dem Westen beeindruckte die Staatsmacht im Osten nicht.
"Schiffe der Nationalen Volksarmee versperrten den Weg auf der Elbe, verhinderten, dass wir festmachten. Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass das Anlegen eine Grenzverletzung gewesen wäre", sagt Hoppe.
Doch einen Tag später klappte es. Am 26. November fand sich in Neu Bleckede eine große Menschenmenge am Zaun ein, während die Bleckeder mit Sirenen, weißen Fahnen und lautstarken Rufen bei der Überfahrt der Fähre protestierten. "Um 13.15 Uhr war es dann soweit, nach 44 Jahren lagen sich die Menschen in den Armen, ganz Bleckede war auf den Beinen, die Glocken unserer St. Jakobi Kirche läuteten und der Posaunenchor spielte den Choral ,Nun danket alle Gott'", berichtet Röding. Die Fährverbindung wurde bis zum Frühjahr 1990 an den Wochenenden eingerichtet. Bis zum 23. Dezember 1989 fand nur der Verkehr von Ost nach West statt.
Heute ist die Fähre nicht mehr wegzudenken. Sie heißt "Amt Neuhaus" und ist für alle die selbstverständliche Verbindung zwischen den beiden Ufern der Elbe.