Anwohner klagt gegen die Achterbahn Colossos. Von März bis Oktober Krach an sieben Tagen die Woche.

Lüneburg. Nervenkitzel und Nerverei liegen mitunter dicht beieinander. In dem Fall, der gestern vor der zweiten Kammer des Verwaltungsgerichtes in Lüneburg verhandelt wurde, sind es 600 Meter Luftlinie. Während sich jährlich tausende abenteuerlustige Besucher des Heide-Parks in Soltau den Kick im Colossos, der größten und schnellsten Holzachterbahn Europas, holen, zermürbt der Lärm der rasanten Schussfahrten einen Nachbarn des Freizeitparks im angrenzenden Ortsteil Friedrichseck. Deshalb klagt er gegen die Baugenehmigung für die Achterbahn, die der Landkreis Soltau-Fallingbostel erteilt hatte. Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Dr. Hans-Christoffer Beyer fällte gestern jedoch noch kein Urteil.

Richter Beyer erläuterte zu Beginn der mündlichen Verhandlung, dass der Nachbar ein Anrecht habe, dass Lärmschutzgrenzwerte eingehalten werden. Diverse Gutachten hätten sich mit dem Problem bereits befasst. ,,Aus Sicht des Klägers aber unzureichend", sagte Beyer.

Alfred Dietrich, Rechtsanwalt des Klägers, sagte, die Gutachten verkürzten das Problem. Zum einen seien die schlagartigen donnernden und grollenden Fahrgeräusche des Colossos ein erheblicher Störfaktor. ,,Sie liegen im Bereich tiefer Frequenzen und fallen in den Gutachten aber unter den Tisch", so der Anwalt. Zum anderen sei es die durch Fahrgäste hervorgerufene Geräuschkulisse, die die Nerven seines Mandanten zermürbten. ,,Wenn die physikalischen Kräfte in der Achterbahn auf die Menschen wirken, dann schreien sie - und zwar permanent. Das sind keine Freudenschreie, sondern Angstschreie", sagte Dietrich. Und letztere suggerierten Gefahr bei denjenigen, die die Angstschreie hörten. ,,Darauf ist der Mensch von Natur aus programmiert und deshalb werden Stresshormone ausgeschüttet." Ein Mediziner habe attestiert, dass gravierende gesundheitliche Folgen eintreten könnten, wenn jemand dauerhaft Angstschreien ausgesetzt sei. Dietrich zog das Fazit: ,,Es herrscht von März bis Oktober, sieben Tage die Woche, von morgens bis zum Teil spät in die Nacht eine Geräuschkulisse wie bei einem gigantischen Rummel." Zudem käme der Lärm vom Colossos überfallartig.

Thomas Kramer vom Landkreis Soltau-Fallingbostel widersprach: ,,Wir haben ein Überwachungsgutachten gefordert und dieses hat bewiesen, dass die vorgeschriebenen Werte eingehalten werden." Klaus-Albrecht Sellmann, Anwalt der Heide-Park Soltau GmbH, ergänzte: ,,Die Verschleißerscheinungen an der Achterbahn werden regelmäßig kontrolliert. Bei Abweichungen von der Norm wird sie repariert." So werde ein möglicher größerer Lärmpegel verhindert. Auch wenn höhere Werte gemessen werden sollten, bliebe die Baugenehmigung für die Holzachterbahn davon unberührt. ,,Schwankungen bei Messungen sind normale Fehlerquellen."

Wolfgang Siebert, Sprecher des Verwaltungsgerichtes, erläuterte auf Anfrage der Rundschau, dass die Baugenehmigung schon das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht beschäftigt hatte. ,,Das war ein Eilverfahren, bei dem es darum ging, ob mit dem Bau der Achterbahn begonnen werden darf. Nun geht es um die Entscheidung, ob die Baugenehmigung rechtens ist."