Im Hauptquartier der Bundeswehr steht ein Soldat aus Neetze hinterm Tresen der Sanshine-Bar. Es ist wohl der ungewöhnlichste Job im Kosovo.

Prizren. Unten im Stadtzentrum von Prizren ruft ein Muezzin zum Gebet. Oben auf den schneebedeckten Bergen herrscht selbst im Frühsommer noch Winter, im Tal lähmt die Hitze. "Frühling gibt es hier nicht", sagen die Soldaten. Die Sonne brennt auf die einstige Kaserne der jugoslawischen Volksarmee, in der seit Ende des Kosovo-Krieges 1999 Soldaten der von der Nato geführten Kosovo Force (Kfor) wohnen und arbeiten. Hinter der mit Stacheldraht, Betonpfeilern und Wachtürmen gesicherten Zufahrt stehen Werkstatthallen und eine kleine Kneipe.

1200 Bundeswehrsoldaten sind in dem kleinen, unruhigen Balkanstaat Kosovo im Einsatz, davon 600 im deutschen Hauptquartier in Prizren. Einer von ihnen ist Christoph Wilhelmsen (Name aus Sicherheitsgründen geändert) aus Neetze bei Lüneburg. Sein Job ist einer der ungewöhnlichsten, den die Bundeswehr zu bieten: Der 27-Jährige ist Kneipenwirt.

Offiziell spricht die Truppe zwar nicht von einer Kneipe, die Sanshine-Bar zählt zu den Betreuungseinrichtungen im deutschen Feldlager. Doch der Unterschied ist kaum zu erkennen: In schummeriger Atmosphäre stehen Soldaten mit ihrem Feierabendbier an Stehtischen und am Tresen. Musik aus den aktuellen Charts wummert aus den Lautsprecherboxen, Pfeile fliegen auf die Dartscheiben. In der Ecke steht ein Kicker. Auf dem Programm stehen Bingoabende, Pokerturniere und Disco.

Wilhelmsen kennt sich in der Gastronomie aus. 30 Jahre haben seine Eltern in der Spargel-Gemeinde Neetze eine Traditionsgaststätte betrieben. "Da bekommt man eine Menge mit", sagt der junge Mann, der sich gegen eine Karriere in der Gaststube ("Um Himmels Willen, nein!") und für eine Laufbahn bei der Bundeswehr entschied und sich zum Personalfeldwebel ausbilden ließ. Für den Einsatz in der 1900 Kilometer entfernten Sanshine-Bar, die ihrem Namen einer Sanitätseinheit verdankt, hat er sich freiwillig gemeldet.

"Die Bar ist ein kleiner Rückzugsort", sagt Wilhelmsen. "Ein Stück Gemütlichkeit im Einsatz." Auch die Soldaten aus Österreich und der Schweiz, die im Feldlager arbeiten, wissen deutsche Kneipenkultur zu schätzen und sind gern gesehene Gäste. Wilhelmsen öffnet die Bar um 11 Uhr, ab 19 Uhr gibt es außer Kaffee, Softdrinks und Snacks auch Bier. In den Betreuungseinrichtungen im Kosovo schreibt die Bundeswehr die Drei-Dosen-Regel vor, in Afghanistan dürfen die Soldaten nur zwei trinken. "Die Kameraden müssen dienstfähig bleiben", sagt der junge Wirt, der mit zwei Soldaten und drei Angestellten jeden Tag bis 23 Uhr, an Wochenende bis Mitternacht für Gemütlichkeit in der Bar sorgt. "Wer betrunken ist, muss sofort gehen", lautet die eiserne Regel, die gegen jeden Soldaten durchgesetzt wird - unabhängig vom Dienstgrad.

"Ich bin ein kleiner Seelsorger hier", sagt Wilhelmsen. Besonders die Soldaten, die im Norden des Kosovos im Einsatz waren, freuen sich auf einen Treffpunkt, in dem es ungezwungen zugeht und wo sie offen sprechen können. Im Norden des Landes kommt es immer wieder zu Krawallen mit der serbischen Minderheit. Viele Soldaten müssen dort wochenlang in Zehn-Mann-Zelten in Camps leben, die nach dem Winter im lehmigen Matsch versinken - Einsatzbedingungen, die an die Nerven gehen. "Den Kameraden tut es gut, wenn sie hier darüber reden können", sagt Wilhelmsen.

Den Kontakt zu seiner Familie und zur Freundin in Bleckede hält er übers Internettelefon Skype. Außerdem schaut er regelmäßig ins soziale Netzwerk Facebook, was die Freunde zu Hause unternehmen. Viel Freizeit bleibt Wilhelmsen bei seinem besonderen Auslandseinsatz jedoch nicht. Morgens ist er bei den örtlichen Händlern unterwegs, um Waren einzukaufen. Danach geht's in die Sanshine-Bar. "Das schlaucht", gesteht der Wirt.

Worauf zu Hause freut er sich am meisten? "Auf meine Freundin, die Familie, Freizeit und darauf, dass der Wecker nicht jeden Morgen klingelt."