Wentorf. Ihre beiden Enkel hüpften tagsüber fröhlich barfuß durch den Garten an der Golfstraße. Doch abends war es mit der Freude vorbei: Juckende Pusteln am ganzen Körper quälten die Kinder so sehr, dass sie schrien.
Auch die 69-jährige Wentorferin und ihr Sohn litten unter dem extrem lästigen Hautausschlag. Die Ärzte diagnostizierten einmal Windpocken, dann eine beginnende Neurodermitis.
"Es beginnt mit kleinen Stichen, die aussehen wie Flohbisse", erzählte die Wentorferin gestern. "Dann entwickeln sich Quaddeln, die brennen wie die Hölle." Erst jetzt - nach einem Jahr - hat sie die Gewissheit, dass es eine Raupendermatitis war, eine allergische Reaktion auf die Brennhaare der Raupe des Eichenprozessionsspinners. Ein Fernsehbericht brachte sie auf die Idee, dass der Baumschädling, dessen Raupe für Mensch und Tier unangenehm und gefährlich sein kann, auch in ihren Eichen nistet. Die Haare, deren Widerhaken mit dem Nesselgift Thaumetopein besetzt sind, können nicht nur Pusteln, sondern auch Bindehautentzündungen und Atemwegsreizungen bis hin zu Asthma hervorrufen.
Weder die Meldung beim Ordnungsamt noch bei der Landwirtschaftskammer brachte 2011 zunächst Hilfe. Als sich auf den Armen der Wentorferin in diesem Mai erneut rote Quaddeln bildeten, ließ sie die Eichen auf ihrem Grundstück in direkter Nachbarschaft des Landesförderzentrums Sprache und des Golf-Clubs von Experten kontrollieren: mit Erfolg. In acht Meter Höhe fanden die Baumsteiger zwei Gespinstnester. Die Eigentümerin des Gartens informierte das Ordnungsamt.
Die Wentorferin holt jetzt Angebote für die Beseitigung durch Fachfirmen ein. Die Kosten bewegen sich bei etwa 3000 Euro. "Ich muss wohl in den sauren Apfel beißen", sagt sie. "Aber die Golfstraße, das Gelände der Sprachheilschule und des Golfclubs stehen voller Eichen. Alle behaupten, ihre Bäume seien frei von Eichenprozessionsspinnern." Sie befürchtet, dass sich der Schädling schnell weiter ausbreitet, wenn das Land die Bekämpfung nicht zentral steuert und konsequent vorgeht.
Das Gelände des Sprachheilinternats ist nach einer Kontrolle wieder freigegeben worden, soll in einigen Wochen vorsichtshalber nochmals überprüft werden. Dort gab es bisher aber noch keine Fälle von allergischen Reaktionen. "Wir haben auch sämtliche Eichen auf Gemeindegrund von den Mitarbeitern des Betriebshofes überprüfen lassen", berichtet Sascha Kröger, Leiter des Ordnungsamtes. "Auf privatem Grund haben wir leider keine rechtliche Handhabe."
Auch alte Nester können gefährlich sein, weil sich in ihnen die Brennhaare der Raupen erhalten, während die Tiere längst zu harmlosen Faltern mutiert sind. Die Brennhaare können sich laut Umweltministerium über mehrere Jahre im Unterholz und an Bodenbewuchs anreichern und toxische und allergische Reaktionen auslösen.
"Es gibt bisher keine gesetzliche Meldepflicht für die Gespinstnester", sagt Kröger. "Aber das Umweltministerium empfiehlt dringend, uns den Befall zu melden. Dann können wir Landwirtschaftskammer und Gesundheitsamt informieren, damit die Ärzte sensibilisiert werden."
Der Falter, eigentlich ein Baumschädling, ist 2011 über Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern nach Schleswig-Holstein vorgedrungen. Im vergangenen Sommer wurde er zum ersten Mal in Gudow im Herzogtum Lauenburg nachgewiesen.
Das Umweltministerium rät, befallene Gebiete zu meiden. Auf keinen Fall sollte man die Raupen oder das Gespinst berühren. Sollte es dennoch einen Kontakt gegeben haben, empfiehlt das Ministerium, sofort zu duschen und die Haare zu waschen sowie die Kleider zu wechseln. Werde die Kleidung bei 60 Grad gewaschen, werde das Nesselgift vernichtet. Die Beseitigung der Lästlinge und ihrer Nester sollte man dem Fachmann überlassen.