Wentorf. Lars Krackert hat im Alter von zwölf Jahren sprechen gelernt. Bis dahin war für den Jungen aus Dithmarschen jeder Vokal und jeder Konsonant ein nahezu unüberwindbares Hindernis.
"Ich habe stark gestottert. Weil die meisten Kinder und Erwachsenen damals Stottern mit blöd gleichgesetzt haben, war ich ziemlich einsam", erinnert sich der heute 42-Jährige. Sechs Monate hat er 1982 im Landesförderzentrum Sprache in Wentorf verbracht. Eine Zeit, die sein Leben verändert hat. "Ich bin dieser Schule unendlich dankbar. Wenn ich weiter immer nur der Stotterer geblieben wäre, hätte ich in meinem Leben keinen Sinn gesehen", sagte Krackert gestern bei der Geburtstagsfeier des Förderzentrums.
Seit 50 Jahren werden dort Kinder mit einem besonderen Förderbedarf fit fürs Leben gemacht. Grund genug für Lehrer, Eltern und Schüler, auf dem herrlichen Schulgelände an der Golfstraße kräftig zu feiern. Wochenlang hatten sich die Kinder auf ihre Jubiläumsveranstaltung vorbereitet, das gesamte Gelände war mit selbst gemalten Fahnen und Bastelarbeiten geschmückt. Im Park lud ein von den Lehrern und der Schulleiterin Heidi Grotzsch organisierter Jahrmarkt ein, gemeinsam viel Spaß zu haben.
"Was kann es Schöneres geben, als in diesem Ensemble aus alt und neu zu lernen", zeigte sich Kreispräsident Meinhard Füllner beeindruckt. In seiner gut recherchierten Gratulationsrede sprach er dem gesamten Förderzentrum ein Riesenkompliment aus. "Andere Schulen können sich von ihnen einiges abschauen. Ihr Konzept ist absolut überzeugend."
Davon ist auch Nicole Kück, Mutter des Zweitklässlers Tjorben, überzeugt. In bewegenden Worten zeichnete sie kurz den schweren Weg nach, den Eltern mit ihren sprachbehinderten Kindern gehen müssen. "Was diese Schule bietet, ist phänomenal. Seitdem unser Sohn hier ist, hören wir nicht mehr: ,Der spricht aber komisch'. Ohne diese Schule wären unsere Kinder sehr aufgeschmissen."
Dafür, dass hervorragende Förderung zu ausgezeichneten Erfolgen führt, ist der Viertklässler Jan das beste Beispiel. Der Junge las vor hundert Gästen fehlerfrei eine kleine Geschichte vor. Dass er früher große Schwierigkeiten beim Sprechen hatte, konnten die Festgäste kaum glauben. Stolz hat nicht nur er seine Erzieher gemacht, sondern auch alle anderen Kinder, die den Mut hatten, zusammen mit ihren Betreuern ein Lied zu singen. Das Motto: "Schüler und Lehrer sind ein tolles Team."
An den guten Geist der Schule erinnert sich auch Lars Krackert gern. "Wir sind hier so liebevoll aufgenommen worden, dass Heimweh erst gar nicht aufkam." Als er nach sechs Monaten die Schule verließ, war er ein anderer Mensch. Mit Stolz und neuem Selbstbewusstsein startete er in ein neues Leben. Seine einstigen Mitschüler, die in ihm nur den Stotterer gesehen hatten, erkannten ihn kaum wieder. Plötzlich hatte er eine Stimme, etwas zu sagen. Lars Krackert, heute verheiratet und Vater von fünf Kindern, war im Leben angekommen. Übrigens: Er selbst ist heute Schulleiter an einem Förderzentrum in Schleswig-Kropp.