Berlin. Fördern und Fordern werden neu definiert. Der Grundsatz Beschäftigung vor Ausbildung (bei Arbeitslosengeld II) gilt so nicht mehr.

Mit dem neuen Bürgergeld ändern sich einige Regelungen, die seit Einführung des ALG II vor rund 20 Jahren viel kritisiert wurden. Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem damaligen Bundesarbeitsminister Olaf Scholz waren die Möglichkeiten von Berufsausbildungen massiv beschnitten worden. War es zuvor möglich, Langzeitarbeitslose während einer schlecht bezahlten Lehre finanziell zu unterstützen, um die Menschen dauerhaft in Beschäftigung zu bringen, galt unter ALG II der Grundsatz, Beschäftigung vor Ausbildung.

Eine Folge: Durchliefen Betroffene zuvor verschiedenste staatlich geförderte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), wurden viele nun unter Androhung massiver Sanktionen in schlecht bezahlte Hilfsjobs verwiesen, mit ebenso geringen Aussichten, hierüber den Weg in eine reguläre Beschäftigung zu finden. Oder sie durchliefen kurzzeitige Qualifizierungsangebote, die jederzeit abgebrochen werden konnten, wenn sich irgendein Job für den Teilnehmer fand.

Bürgergeld bietet 150 Euro für Berufsausbildung

Mit dem neuen Bürgergeld steigen nicht nur die Regelsätze für Bedürftige, für den sogenannten Haushaltsvorstand um gut 50 Euro auf jetzt 502 Euro. Wer eine Berufsausbildung absolviert, kann jetzt mit 150 Euro zusätzlich im Monat gefördert werden.

Das sogenannte Schonvermögen wurde auf Druck der CDU-Länder im Bundesrat dagegen zusammengestrichen. Die Koalition hatte für den Haushaltsvorstand zunächst eine Aufstockung auf 60.000 Euro geplant, auf Druck der Union wurde die Summe auf 40.000 Euro reduziert. Für jedes weitere Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft erhöht sich das Schonvermögen um 15.000 Euro.

CDU erzwingt Reduktion des Schonvermögens

Neu ist die Karenzzeit von einem Jahr: Im ersten Jahr des Bezugs von Bürgergeld wird ein darüber hinausgehendes Vermögen nicht auf die Zahlungen angerechnet. Danach gelten 15.000 je Kopf als Schonvermögen, unabhängig davon, wer innerhalb der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich der Eigentümer ist. Wer darüber hinaus für das eigene Alter finanziell vorgesorgt hat, würde in der Regel weiterhin gezwungen, erst das Geld aufzubrauchen, bevor er oder sie Bürgergeld erhalten.

Rentner fühlen sich benachteiligt

Für massiven Ärger sorgt auch eine Ungleichbehandlung der Bezieher von Bürgergeld und Grundsicherung, wie sie etwa Rentner mit geringem Einkommen bei ihrer Kommune beantragen können. Für letztere beträgt das Schonvermögen statt 15.000 Euro nach Erhöhung lediglich 10.000 Euro je Person plus weitere Beschränkungen, etwa für den Besitz eines Autos.

Bis 2020 konnten nur Bezieher privater Renten oder Hartz-IV-sicherer Riester-Renten einen Grundfreibetrag von 100 Euro im Monat geltend machen, der nicht auf die Grundsicherung angerechnet wurde. Seit 2021 steht ein Freibetrag auch Beziehern gesetzlicher Renten zu. Aktuell beträgt er bis zu 224,50 Euro im Monat – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass mindestens 33 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt wurde.