Gülzow. Rund um die Uhr einkaufen, Warenangebot mitbestimmen: Die Dorfbewohner haben es selbst in der Hand, ob sie das wollen.
„Wir hatten keine Pause. Es gab zwar keine langen Schlangen, aber wir waren eigentlich immer in Beratungsgesprächen“, sagt Gülzows Bürgermeister Wolfgang Schmahl. Es ist die Bilanz einer ganz besonderen Werbeaktion. Der SPD-Politiker hat gemeinsam mit Parteifreundin Christina Brandtmann und dem CDU-Gemeindevertreter Michael Schulz Bürgern das Konzept von Tante Enso erklärt. Es geht um einen als Genossenschaft organisierten Dorfladen. Sozusagen um den Tante-Emma-Laden des 21. Jahrhunderts.
Tante Enso: Paten informieren am Wochenende im Markttreff in Gülzow
Am kommenden Wochenende, 12. und 13. Februar, bauen die Tante Enso-Paten noch einmal ihren Werbestand jeweils von 9 bis 12 Uhr im Markttreff auf. Noch verhalten optimistisch ist der Bürgermeister: „Wir müssen dann mal schauen, ob wir noch nachsteuern müssen.“ Denn nicht nur die Unterschrift potenzieller Teilhaber ist wichtig, auch das Geld muss bis zum 27. Februar bei myEnso eingegangen sein. „Zur Not gehen wir dann noch mal Klinken putzen“, sagt Schmahl.
Nachdem vor fünf Jahren der Topkauf-Markt im Gülzower Markttreff mangels Nachfrage schließen musste, ist das Bremer Start-up Tante Enso die wahrscheinlich letzte Chance für das 1300 Einwohner zählende Dorf, einen Nahversorger anzusiedeln. Parteiübergreifend haben sich deshalb Gemeindevertreter bereit erklärt, ihren Bürgern das Konzept von Tante Enso zu erläutern – mit Erfolg. Aktuell sind in der myEnso-Firmenzentrale in Bremen 110 Anträge mit insgesamt 130 Anteilen eingegangen (Stand 9. Februar). Weitere 68 Anträge mit 80 Anteilen liegen bereits vor, jedoch sind hier die 100 Euro, die ein einzelner Anteil kostet, noch nicht eingegangen. Damit liegen zur Halbzeit bereits 210 Anteile vor.
300 Anteile müssen bis Ende Februar gezeichnet werden
Damit der Markt nach Gülzow kommt, müssen binnen vier Wochen 300 Anteile gezeichnet werden. Die Zeichnungsfrist endet am 27. Februar. „Wir schaffen das. Nach diesem Wochenende gehe ich ganz sicher davon aus, dass wir die Zahl der benötigten Anteile erreichen“, sagt Michael Schulz.
Zu den beiden letzten Beratungsterminen waren vorwiegend ältere Gülzower gekommen. Schulz geht davon aus, dass Jüngere sich über das Internet direkt angemeldet haben. Bürgermeister Schmahl hat am Montag 50 unterschriebene Beitrittserklärungen per Post nach Bremen geschickt.
24-Stunden-Supermarkt ist ein Treffpunkt für die Menschen im Dorf
Für die Bürger ist nicht nur die Einkaufsmöglichkeit rund um die Uhr wichtig, sagt Marc Wenk, sondern vor allem auch der soziale Aspekt: „So etwas gibt es sonst nur in Großstädten, dabei ist es auf dem Lande eigentlich viel sinnvoller. “ Das sieht CDU-Gemeindevertreter Maik Schmidt ähnlich: ,„So ein Laden ist ein Treffpunkt. Man klönt, tauscht sich aus.“ Er ist selbst der Genossenschaft beigetreten, hat auch Anmeldeformulare für Eltern und Schwiegereltern mitgenommen.
Für Christian von Redecker ein wichtiger Punkt sind frische Brötchen zum Frühstück. „Als wir den Tante-Enso-Laden in Schnega besucht haben, gab es die.“ Schmahl erläutert die Regeln: „Es hängt von den Teilhabern vor Ort ab – also von Ihnen.“
Teilhaber bestimmen über Sortiment und Personaleinsatz
Anteilseigner und Kunden können Einfluss auf das Sortiment und auch auf die Arbeitszeit der Filialkräfte nehmen: In der Regel ist ein Tante- Enso-Markt an 30 Stunden pro Woche mit Mitarbeitern besetzt. In der übrigen Zeit wird der Zugang über eine Kundenkarte geregelt, mit der an der Selbstzahlerkasse auch bezahlt wird. Wann Mitarbeiter vor Ort sind, entscheiden die Anteilseigner mit. Die Teilhaberschaft und die Einbindung der Gemeinde sind wichtige Unterschiede zu Mitbewerbern wie Teo oder Herr Anton.