Ratzeburg. Notärzte sollen nicht mehr freiberuflich oder in Teilzeit im Einsatz sein. 20 Ärzte in Vollzeit wären notwendig. Doch woher nehmen?

Wie für den Rettungsdienst hat der DRK-Kreisverband Herzogtum Lauenburg bislang auch für die inzwischen ebenfalls gekündigte Notarztversorgung verantwortlich gezeichnet. Die Neuausschreibung sei die logische Konsequenz der Kündigung des Rettungsdienstes durch den Kreis heißt es aus dem DRK. Und: Im Gegensatz zum Rettungsdienst, den der Kreis überraschend nun selbst bewältigen will, hat sich der DRK-Kreisverband bislang nicht um die Notarztversorgung beworben.

Die Ausschreibungsmodalitäten werden von manch anderem potenziellen Bewerber als Versuch des Kreises gewertet, Probleme auf künftige Dienstleister abzuwälzen. Das gelte besonders für das benötigte Personal. Tenor: Weil der Kreis Angst habe, wegen angeblich scheinselbstständiger Notärzte in die Verantwortung genommen zu werden, sollten die künftigen Dienstleister jetzt das personelle Risiko komplett tragen: Nach dem Ausschreibungstext dürfen sich nur Träger bewerben, die mit angestellten Notärzten arbeiten.

Gesetzesänderung soll mehr Mediziner begeistern

Woher die kommen sollen, ist die große Frage. Derzeit sind etwa 70 Mediziner im Kreis Herzogtum Lauenburg als Notärzte in Teilzeit oder freiberuflich im Einsatz. Wollte man diese komplett durch Vollzeitkräfte ­ersetzen, würden fast 20 Ärzte ­benötigt, um rund um die Uhr 365 Tage im Jahr alle drei Notarzteinsatzfahrzeuge einsatzbereit zu halten. „Ärzte können in anderen Tätigkeitsfeldern mehr Geld verdienen“, weiß Kai Steffens, Geschäftsführer Herzogtum Lauenburg Rettungsdienstgesellschaft. Zudem entspräche die Konzentration allein auf die Notarzttätigkeit kaum dem klassischen Wunschbild des Arztberufes.

Steffens setzt darauf, dass eine Gesetzesänderung hilft, dennoch ausreichend Mediziner für diese Aufgabe zu begeistern. „Es wurde die Möglichkeit geschaffen, dass diese Tätigkeit als Nebenbeschäftigung von der Steuerpflicht befreit wird.“ Gelinge es dennoch nicht, das benötigte Personal zu rekrutieren, bleibe nur noch, das Problem an den Gesetzgeber zurückzureichen. Steffens: „Nach der Rechtsprechung und der aktuellen Gesetzeslage bleibt uns nichts anderes, als darauf entsprechend zu reagieren.“

„Da geht mir als Betriebsrat und Gewerkschafter das Messer in der Tasche auf“

Dass dazu auch Überlegungen gehören, die Dienstleister könnten Notärzte vermehrt tageweise einstellen, ruft Widerspruch hervor. „Da geht mir als Betriebsrat und Gewerkschafter das Messer in der Tasche auf“, sagt Günther Stiewe, Betriebsratsvorsitzender beim DRK-Kreisverband. „Wer mit Verweis auf ein Gerichtsurteil argumentiert, Notärzte dürften nur weisungsgebundene, abhängig Beschäftigte sein, kann doch nicht andererseits mit Tagesverträgen agieren wollen.“

Der Plan, die Notärzte bei den Dienstleistern einzustellen und dann per Arbeitnehmerüberlassung auf die Notarztfahrzeuge zu setzen, habe zudem gleich mehrere Fehler, so Stiewe. „Wir hören aus Notarztkreisen, darauf werde sich kein Mediziner einlassen. Und für Leiharbeit ist zudem noch immer die Zustimmung der Agentur für Arbeit notwendig.“

Einen potenziellen Betreiber bereiten andere Vorschriften der Leiharbeit Sorge. Es liege in der Natur der Sache, dass diese nur mit fest angestellten Mitarbeitern funktioniere. „Und diese Arbeitnehmerüberlassung ist auf maximal 18 Monate begrenzt. Was machen wir danach mit den Ärzten, die wir ja noch nicht mal haben? Wo bekommen wir qualifizierte Nachfolger oder zumindest Vertretungen her für die auf mindestens drei Monate terminierte Zwangspause, bevor eine Arbeitnehmerüberlassung wieder zulässig wäre?“

Stormarn stellt Notarztversorgung mit Rettungsdienstverbund sicher

Ein Kardinalfehler sei der Glaube, auf freiberuflich tätigte Notärzte verzichten zu können. Bislang bewältigen im Notärzteverein Herzogtum Lauenburg organisierte Mediziner einen wichtigen Teil der Dienste. Stiewe: „Die dürften nach Lesart des Kreises künftig ebenso wenig zum Einsatz kommen wie die der Notarztbörse, die bundesweit im Einsatz sind. Beide haben keine festangestellten Notärzte.“

Der Nachbarkreis Stormarn hat die Notarztversorgung bereits vor gut zwei Jahrzehnten auf andere Füße gestellt. Der damit betreute Rettungsdienstverbund Stormarn (RVS) wird außer vom Kreis auch von Hilfsorganisationen getragen. Zur Besetzung der drei Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) an den Standorten Reinbek, Ahrensburg und Bad Oldesloe hat der RVS „zum Beispiel Verträge mit dem Krankenhaus Bad Oldesloe und der Notarztbörse geschlossen“, sagt Andreas Rehberg, Fachamtsleiter Sicherheit und Gefahrenabwehr im Kreis Stormarn. Also unter anderem mit der Notarztbörse, die nach Meinung der Verantwortlichen in Ratzeburg nicht mehr einbezogen werden darf, weil sie mit Ärzten ohne Festanstellung arbeitet.