Schwarzenbek. Alten- und Pflegeheime waren besonders von der Pandemie betroffen und lange für Besucher geschlossen. Wie geht es den Bewohnern heute?
Seit gut einem Jahr beherrscht die Corona-Pandemie das Leben. In den ersten beiden Wellen waren vor allem Bewohner von Alten- und Pflegeheimen von dem Virus und vielen Todesfällen betroffen. Viele Monate der Kontaktbeschränkungen und Isolation folgten nach Vorgabe der Landesverordnung.
Besuche von Angehörigen waren mit hohen Auflagen verbunden oder untersagt, Unterhaltungsangebote und Aktivitäten in den Heimen gestrichen. Mittlerweile hat sich die Situation auch dank der Impfungen entspannt. Aber wie geht es den Menschen, die so lange abgeschottet gelebt haben? Ein Besuch in der Alloheim Senioren-Residenz Sankt Franziskus in Schwarzenbek.
Die Kontaktbeschränkungen haben sehr belastet
„Glücklicherweise hatten wir hier nicht einen einzigen Corona-Fall“, sagt Residenzleiterin Tanja Schmalfeld. Dennoch mussten in dem Haus an der Berliner Straße die Verordnungen natürlich genauso streng umgesetzt werden wie in allen Alten- und Pflegeheimen des Landes. „Für viele Bewohner war das trotz unserer großzügigen Zimmer zwischen 27 und 45 Quadratmetern eine schwierige Zeit“, weiß die 43-Jährige.
Ilse Heitmüller nickt. Die 92-Jährige lebt seit 2011 in einem der Doppelzimmer. Zum Glück habe sie eine Mitbewohnerin gehabt, denn die Kontaktbeschränkungen nach außen, aber auch innerhalb des Hauses haben die Seniorin sehr belastet. „Dass ich meine Kinder nicht sehen durfte, war das Schlimmste“, sagt sie unter Tränen. Telefonate waren möglich, aber Video-Telefonie? Ilse Heitmüller schüttelt den Kopf, nein, das kann sie nicht.
Die Angst vor dem Virus war sehr groß
Die Traurigkeit sitzt noch immer tief. Das spürt man. Dazu sei sie im Dezember an beiden Hüften operiert worden, berichtet Ilse Heitmüller. Das Gehen falle ihr schwer, das belaste sie zusätzlich. Und niemand ihrer Angehörigen konnte da sein, um sie einfach mal in den Arm zu nehmen – so wie früher. Vor Corona.
„Die Berührungen fehlen“, bekennt auch Ursula Hutfils. Sie ist mit Ilse Heitmüller seit Langem befreundet. Beide genießen ihre täglichen Klönschnacks in der kleinen Nische im Erdgeschoss. Und in der Tat schafft es die 87-jährige gebürtige Ostpreußin, ihre Freundin aufzumuntern. „Wir erzählen gern Witze“, gesteht Ursula Hutfils. „Ich weiß nur nie einen“, fällt Ilse Heitmüller ein. Beide lachen.
Sie sind dankbar, dass sie sich und die anderen Bewohner haben. „Wäre ich ganz allein, wäre ich verzweifelt“, gesteht Ursula Hutfils. Die Angst vor dem Virus war sehr groß. „Wir haben immer befürchtet, dass einer von draußen Corona ins Haus schleppt“, erinnert sie sich.
Besuche sind – mit Hygieneregeln – wieder erlaubt
Die Nachrichten aus anderen Heimen und von Todesfällen sind auch zu ihnen gedrungen. Umso größer ist jetzt das Aufatmen. „Wir sind geimpft“, sagen sie erleichtert. Besuche sind, wenn auch mit Hygieneauflagen, wieder erlaubt. Spielenachmittage, Sitzgymnastik und gemeinsame Essen im Saal finden wieder statt. „Wir sind froh, dass wieder ein wenig Normalität herrscht“, sind sie sich einig.
Das bestätigt auch Klaus Hauschild, obwohl er mit der Pandemie und den Einschränkungen kein so großes Problem hatte. „Für mich hatte sich nicht viel verändert. Ich kann mich wunderbar allein in meinem Zimmer beschäftigen“, teilt er mit. Seit 2014 ist der humorvolle 74-Jährige in Sankt Franziskus. Durch eine schwere Krebserkrankung war ihm ein Alleinleben nicht mehr möglich.
Bildbände haben über die Zeit der Isolation hinweggeholfen
Aber Klaus Hauschild gibt sich lebensfroh. „Körperlich bin ich eingeschränkt, aber psychisch fit“, betont er. Der ehemalige Förderschullehrer aus Schwarzenbek hat sich seine eigene Welt eingerichtet, in der er es gut aushalten kann. Sein Zimmer ist voller Bilder, Bücher, antiker Möbel und Krüge. „Ich lese viel“, berichtet er. Wenn die „Lesezeit“, der Buchladen in der Stadt, geöffnet hat, ist er einer der ersten, der sich die Neuerscheinungen holt.
Da das lange nicht möglich war, hat der passionierte Kunstsammler im vergangenen Jahr Bildbände angeschaut, viele zum zweiten Mal. Aber langweilig? „Nein“, sagte er und lacht. Langweilen tut er sich nicht. Kinder, die ihn besuchen könnten, hat er nicht, bedauert er. Worauf er sich freut? „Ich möchte wieder auf Antikmärkte fahren“, sagt er und erzählt, dass er auch schon mal mit Bildern und Gemälden handelt.
Klaus Hauschild blickt ein wenig unruhig auf die Uhr. „Ich habe jetzt keine Zeit mehr“, verabschiedet er sich entschuldigend. Er spiele jeden Tag zwei Stunden Rummikub mit anderen Bewohnern – und die warteten jetzt auf ihn.