Schwarzenbek. Mit „Wiener Madeln“ fing am 14. Dezember 1950 im damaligen Filmtheater alles an. Heute führt Frank Grimm es in dritter Generation.

Auf den Tag genau vor 70 Jahren, am 14. Dezember 1950, flimmerte zum ersten Mal ein Film über die Leinwand im vom Architekten Heinz Richter neu erbauten Kino Grimm – damals hieß es noch Filmtheater Schwarzenbek – an der Hamburger Straße 3: Kinogründerin Paula Grimm zeigte im 500 Zuschauer fassenden Saal des Lichtspielhauses „Wiener Madeln“. Der Musikfilm aus dem Jahr 1949 von und mit Willi Forst widmet sich der Zeit von Kaiser und König sowie einem Militärkapellmeister, der aus dem Schatten von Walzerkönig Johann Strauß heraustreten möchte.

Stolze Bauarbeiter mit den Betreibern: Das Kino feierte am 25. August 1950 Richtfest.
Stolze Bauarbeiter mit den Betreibern: Das Kino feierte am 25. August 1950 Richtfest. © Privat | Privat

Zur Eröffnung kam auch Bürgermeister Hans Koch, der die Verdienste von Paula Grimm lobte, die damals schon seit 30 Jahren Kinovorführungen in Schwarzenbek mit einem mobilen Projektor organisierte. Oft zeigte sie Filme im ehemaligen Hotel Stadt Hamburg, das sich im heutigen Passagetreff befand. Anfangs gab es noch keinen Ton, die Musik kam vom Klavier. 1950 erfüllte sie sich den Traum von einem eigenen Kino.

Das Flimmern ist dank modernster Technik längst passé

Während damals zur Eröffnung und in den Folgejahren Hochbetrieb im neuen Lichtspielhaus herrschte, stehen seit Wochen die Vorführgeräte still – große Zelluloidspulen haben allerdings schon lange ausgedient. Heute kommen die Filme digital auf Festplatte und auch das Flimmern ist angesichts modernster HD-Technik längst passé. Auch der Ton ist schon lange dolby-digital. Allein in die neue Vorführtechnik sind in den vergangenen Jahren 270.000 Euro geflossen. Zudem hat das ehemals weiß verputzte Kino 2015 eine moderne Klinkerfassade bekommen.

Kinobetreiber Frank Grimm.
Kinobetreiber Frank Grimm. © Anne Passow | Unbekannt

Doch von großem Zuschauerandrang kann Frank Grimm, der das Kino mit mittlerweile drei Sälen in dritter Generation führt, momentan nur träumen. Auf seiner Schautafel wirbt er für den Kauf von Kinogutscheinen, die hoffentlich schon bald eingelöst werden können.

Corona-Pause wird für Schönheitsreparaturen genutzt

„Ich hoffe sehr stark, dass wir unser Kino im Februar wieder öffnen können“, sagt Grimm, der die Ruhephase für weitere Renovierungsarbeiten und kleinere Schönheitsreparaturen im Kino nutzt. „Es gibt immer eine Aufgabe, jeden Tag überlege ich mir, was ich Sinnvolles tun kann“, sagt er mit ruhiger Stimme am Telefon. Und ergänzt dann: „Wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Es ist keine einfache Zeit, aber es muss sich kein Schwarzenbeker Sorgen machen, dass es das Kino im nächsten Jahr nicht mehr gibt.“ Ansonsten hätte er gar nicht erst zu Pinsel und Farbe gegriffen.

Dass Frank Grimm das Jubiläum nicht feiern kann, findet er schade: „Aber es ist einfach nicht die richtige Zeit zum Feiern.“ Die Pläne für einen kleinen Festakt hätten sich bereits im Herbst zerschlagen, sagt Grimm, der immer stets bescheiden ist und gar nicht gern im Mittelpunkt stehen mag. Und trotzdem: Eine kleine Feier mit treuen Kinofans hätte auch er gut gefunden.

Schwarzenbeker starteten Sammelaktionen für das Kino

Dass das Kino Grimm von großer Bedeutung für viele Schwarzenbeker ist, zeigen auch immer wieder Diskussionsrunden auf Facebook. Bereits zum ersten Corona-Lockdown im März startete die Schwarzenbekerin Stephanie Fischer von Mollard eine Geldsammelaktion, bei der damals 1500 Euro zusammenkamen. Nun sind die Türen des kleinen Kinos wieder geschlossen – doch die Hilfsbereitschaft der Bürger ist nach wie vor groß. So sagt die Initiatorin der Geschenkaktion: „Noch bis zum 20. Dezember besteht die Möglichkeit, zu spenden. Vor Weihnachten will ich Frank Grimm dann das Geld übergeben.“

Die 49-Jährige hat über den Online-Bezahldienst Paypal einen sogenannten „Moneypool“ eingerichtet. Der Link lautet: https://paypal.me/pools/c/8tTyMpbHS4. Wer kein Paypal nutzt und helfen möchte, kann das Geld in einen Umschlag stecken und ihn bei Stephanie Fischer von Mollard (Bertha-von-Suttner-Straße 5) einwerfen.

Das eingezahlte Geld soll dann ein Geschenk „von allen treuen Kinofans“ aus Schwarzenbek und Umgebung sein. „Wir haben bisher 450 Euro zusammen und hoffen noch auf weitere Unterstützung, damit unser geliebtes Lichtspielhaus auch weiterhin für uns da sein kann“, so Fischer von Mollard.

Das Kino hatte ein wichtige soziale Funktion im Wirtschaftswunder

Ein Bild aus den 1950er-Jahren: Paul Grimm legt eine Filmspule in einen Projektor ein.
Ein Bild aus den 1950er-Jahren: Paul Grimm legt eine Filmspule in einen Projektor ein. © Privat | Privat

Die 1950er-Jahre waren die Boomzeit der Kinos. „Deutschland war im Wirtschaftswunder. Die Mobilität war aber noch nicht so groß. Deshalb waren Kinos gerade abseits der Metropolen ein wichtiger Treffpunkt und Ort der Freizeitgestaltung“, so der promovierte Historiker und Filmexperte Dr. Lukas Schaefer. „Junge Menschen wohnten noch bei ihren Eltern. Das Kino war ein dunkler Ort für Dates, bei denen der erste Kuss ausgetauscht wurde“, sagt der Schwarzenbeker Stadtarchivar. In den 1950er-Jahren wurden in den deutschen Kinos 800 Millionen Karten im Jahr verkauft, oft gingen Filmfreunde mangels heimischem Fernseher mehrfach pro Woche in ein Lichtspielhaus. Zum Vergleich: Heute gehen 120 Millionen Kinokarten jährlich über den Verkaufstresen.

„In der Boomzeit hatte Paula Grimm sogar bereits ein Grundstück an der Ecke Jungfernstieg/Compestraße gekauft, um ein zweites Kino zu bauen“, so Schaefer. Davon nahm die Schwarzenbekerin aber um 1960 aus ungeklärten Gründen Abstand und gab das Grundstück an die Stadt zurück. Auch am Hotel Stadt Hamburg gab es Pläne für ein weiteres Kino.

So erinnern sich Schwarzenbeker an Kino-Erlebnisse

Viele Schwarzenbeker fühlen sich mit dem Kino Grimm auf eine ganz persönliche Art und Weise verbunden, denn sie haben besondere Erinnerungen an einen Kinotag oder einen Film, der dort über die Leinwand flimmerte. Einige Bürger haben uns ihre Erinnerungen verraten.

Stephanie Fischer von Mollard 
Stephanie Fischer von Mollard  © Privat | Privat

Stephanie Fischer von Mollard (49) ist froh darüber, dass Schwarzenbek ein eigenes Kino hat. „Das ist schon etwas Besonderes“, findet sie. Auch ihre beiden Kinder besuchen immer wieder das Lichtspielhaus. „Meine Erinnerung an das Kino ist, dass meine Kinder durch einen Besuch ihr erstes Stück Selbstständigkeit erlangt haben.“ Sie erinnert sich noch genau an den Tag, als ihre Schützlinge das erste Mal alleine einen Film angeschaut haben und „allein on Tour waren“. „Ich habe mir keine Sorgen gemacht. In einer Großstadt wäre das etwas völlig anderes gewesen.“

Katja Estel
Katja Estel © Privat | Privat

Katja Estel (39) schätzt das Kino Grimm ebenfalls. Sie sagt: „Ich finde es toll, da es klein und gemütlich ist.“ Zudem müsse man nicht extra nach Hamburg fahren, um mal am Nachmittag oder am Abend ins Kino gehen zu können. Ein weiterer Pluspunkt: „Auch für Kita-Gruppen und Schulklassen ist das Angebot super. So kann dank des kurzen Weges auch mal ein Ausflug zu einer Vorführung gemacht werden.“

Judith Scheefe
Judith Scheefe © Privat | Privat

Seit ihrer Kindheit hat Judith Scheefe (42) eine Verbundenheit zum Kino Grimm. „Früher bin ich mit der Bahn mit Freunden von Büchen nach Schwarzenbek gefahren, um ins Kino zu gehen. Heute wohne ich selbst hier und nun sind es meine Kinder, sie sich dort verabreden.“ Sie hofft, dass es das Lichtspielhaus noch lange in der Stadt geben wird. „Für Schwarzenbek ist es Gold wert. Wir lieben es und es gibt immer ein gutes Programm“, sagt Judith Scheefe. Ein weiteres Lob: „Dort gibt es die weltbesten Nachos. Die muss jeder einmal probieren.“ Sie freut sich schon darauf, wenn die Kinos wieder öffnen dürfen.

Annika Will
Annika Will © Privat | Privat

Auch Annika Will (40) kennt das Kino Grimm seit ihrer Kindheit da sie in Schwarzenbek aufgewachsen ist. „Es ist gemütlich, ein richtiges ,Puschenkino’“, sagt sie. Es sei zentral gelegen und somit für alle gut erreichbar – auch ohne Auto. Ihre ganz individuelle Erinnerung ans Kino: „Als Jugendliche war ich mal mit meiner besten Freundin im Kino und dann riss plötzlich der Film. Ich glaube, es war der Film ,Im Sumpf des Verbrechens’. Nach einer kurzen Pause schaffte es das Team, es wieder hinzukriegen und es ging weiter.“

Auch 25 Jahre später besucht Annika Will das Kino noch regelmäßig mit ihren beiden Kindern. Ihr Sohn hatte erst diesen Sommer ein einmaliges Erlebnis: „Mein Sohn hat quasi eine ,Privatvorführung’ bekommen, da er der einzige in einem der drei Kinosäle war.. Ich dachte mir, was für ein Service, den Film nur für eine Person laufen zu lassen.“

Doch auch verschiedene Aktionen, die das Kino ins Leben ruft, findet Will gelungen. „Während des ersten Lockdowns waren Kinder dazu aufgerufen, Kinoplakate zu malen, sie wurden dann im Glaskasten ausgehängt. Meine Kinder waren stolz wie Bolle“, erzählt Will. Die Belohnung: ein Popcorngutschein.

Viele Schwarzenbeker sind sich einig: Das Kino Grimm ist eine wahre Institution. „Wir gratulieren ganz herzlich zum Jubiläum und wünschen, dass viele Bürger weiterhin das Kino unterstützen“, so Will.