Schwarzenbek/Lohbrügge. Der Kampfmittelräumdienst des Landeskriminalamts in Kiel braucht immer länger für seine Bau-Freigaben – derzeit 27 statt früher 16 Wochen.

Alarm beim Kampfmittelräumdienst des Landeskriminalamts in Kiel: Die acht Mitarbeiter sind offenbar überlastet, schieben einen Berg von 1000 Anträgen vor sich her. Doch bei Bauvorhaben in 90 Kommunen in Schleswig-Holstein geht ohne den Stempel dieser Experten nichts. Die Folge sind Bauverzögerungen von mehreren Monaten.

Feuerwehr-Garage erst 2021

In Schwarzenbek sind deswegen zwei kommunale Bauvorhaben in Verzug geraten. Der für Anfang August geplante Neubau eines Sozialgebäudes für das Klärwerk muss wegen ausstehender Freigabe auf den September verschoben werden, der Bau einer Doppelgarage auf dem Gelände der Feuerwehr an der Lauenburger Straße dürfte dieses Jahr gar nicht mehr realisierbar sein.

„Aktuell nicht die volle Personalstärke“

Die Kampfmittel-Experten werten alte Luftbilder aus dem Zweiten Weltkrieg aus, die häufig von Bomberbesatzungen stammen. Darauf ist zu erkennen, ob eine Bombe explodiert ist und einen entsprechend großen Krater hinterlassen hat oder ob es sich um einen Blindgänger handelt, der ein Loch in den Boden geschlagen hat. Ist alles okay, erfolgt eine Freigabe. Üblicherweise dauert diese Prüfung 16 Wochen. Wegen der Corona-Pandemie und der Urlaubszeit sind es mittlerweile 27 Wochen, Tendenz steigend. „Wir haben aktuell nicht die volle Personalstärke“, sagte eine Mitarbeiterin gegenüber unserer Zeitung.

Zwei Kommunen in Südstormarn, sechs im südlichen Herzogtum

In Südstormarn gehören Glinde und Reinbek zu den landesweit 90 Kommunen, wo Bauvorhaben die Freigabe des polizeilichen Kampfmittelräumdienstes benötigen, im südlichen Herzogtum Lauenburg sind es neben Schwarzenbek auch Geesthacht, Escheburg, Brunstorf, Büchen und Siebeneichen. Und auch hier entstehen für Projektentwickler und Investoren regelmäßig Terminprobleme.

Bis zu zwei Jahre Verzögerung

„Die Verzögerungen sind enorm“, sagt Andreas Breitner vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), dem öffentliche Bauträger und Genossenschaften angeschlossen sind. Zumal, wenn noch Sondierungen auf den Grundstücken erforderlich werden. „So eine Untersuchung kann den Bau eines Wohnhauses zwei Jahre verzögern. Das verteuert den Bau und ist besonders für VNW-Unternehmen, die bezahlbaren Wohnraum zur Miete anbieten, ein Problem.“ Einer der Gründe sei Personalmangel, da es zu wenig Experten in dem Fach gebe.

Antrag immer gleich nach dem Umweltgutachten

„Es dauert immer zu lange, bevor die endlich mal loslegen“, bestätigt Hauke Asmussen, Geschäftsführer des Bauträgers „Dein Haus“ in Neuschönningstedt. „Das gilt in Schleswig-Holstein genauso wie für Hamburg.“ Dort ist der Kampfmittelräumdienst nicht der Landespolizei, sondern der Feuerwehr angegliedert. Vier Monate Wartezeit sind aber laut Asmussen auch in dere Hansestadt inzwischen üblich: „Daher beantragen wir immer sofort die Freigabe, wenn wir wissen, dass wir bauen können, also gleich nach dem Umweltgutachten.“

Freigabe verfällt nach zwölf Monaten

Wer die Genehmigung zu früh in Händen hält, kann laut Asmussen aber das Nachsehen haben – nämlich dann, wenn die Tiefbauarbeiten sich danach aus anderen Gründen verzögern: „Eine Freigabe ist nur für zwölf Monate gültig, dann verfällt sie. Im Baugebiet Tienrade in Lohbrügge hatte ich das Problem, dass die Bagger erst 14 Monate später starten konnten. Da hat sich die Firma geweigert, und ich musste von vorn anfangen.“

Auf 16 Wochen Frist verlassen

„Es wurde uns zugesagt, die Freigabe erfolgt innerhalb von 16 Wochen. Auf Basis dieses Termins haben wir geplant und die Gewerke koordiniert. Eigentlich sollte bereits Anfang August gebaut werden. Jetzt wird es erst im September losgehen. Das ist sehr ärgerlich“, sagt Reinhard Cordes, Chef der städtischen Eigenbetriebe Abwasser.

Feuerwehr muss richtig lange warten

Während diese Verzögerung ärgerlich ist, trifft es die Feuerwehr noch massiver. Dort sollte auf dem Gelände an der Lauenburger Straße 46 eine Doppelgarage als Provisorium gebaut werden, bis der dringend benötigte Neubau steht. Nach Informationen unserer Zeitung wird er mit der Garage in diesem Jahr nichts mehr. Auch hier ist das ausstehende Okay des Kampfmittelräumdienstes der Grund. Die Baugenehmigung liegt auch hier vor. Ohne die Freigabe, dass keine Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg in dem Gelände schlummern, kann es dennoch nicht losgehen.

Löschfahrzeuge parken in Frost und Schnee

Für die Feuerwehr bedeutet das, dass zwei Fahrzeuge – ein Transporter und das Einsatzleitfahrzeug der Wehrführung – auch in den Wintermonaten unter freiem Himmel stehen werden, was für die Haltbarkeit der Wagen von Nachteil ist. Umso mehr als Feuerwehrfahrzeuge im Vergleich zu Autos im Privatbesitz oder im Firmeneinsatz relativ wenig bewegt werden und so in geschützten Unterständen oder Fahrzeughallen 20 Jahre oder länger halten.

Größe des Projekts nicht maßgeblich

Früher konnten Planer die Geländefreigabe bei Planungsbeginn mit einreichen. Jetzt kann und muss der Bauträger – in beiden Fällen die Stadt – erst im weiteren Verfahren tätig werden. „Dabei geht es nicht nach der Größe und der Bedeutung des Projekts, sondern nach dem Eingangsstempel. Ein Antrag nach dem anderen wird abgearbeitet, egal ob es sich um ein privates Carport oder ein Großvorhaben handelt“, erläuterte Bauamtsleiter Ralf Hinzmann während der ersten Sitzung des Bauausschusses nach der Sommerpause.

Neues Sozialgebäude kostet 1,9 Millionen Euro

Rund 1,9 Millionen Euro wird der Neubau des Betriebs- und Sozialgebäudes für das Klärwerk an der Bölkau kosten. Nach den ursprünglichen Planungen war der erste Spatenstich für April oder Mai geplant. Unter anderem wegen der langen politischen Beratungspause durch die Corona-Pandemie hat sich das Projekt auch ohne die Probleme mit dem Kampfmittelräumdienst bereits verzögert. Konzeptionell ähnelt das neue Gebäude an der Bölkau dem Sporthaus. Es wird Büros und Sanitärbereiche im Erdgeschoss geben, die Gebäudetechnik wird unter dem Dach untergebracht. Besonderheit ist ein „Knick“ im Grundriss, damit der Klärwerksleiter von seinem Büro aus, ungehinderten Blick auf die Anlage hat. Ein wichtiger Punkt ist auch die sogenannte Schwarz-Weiß-Trennung von Privat- und verschmutzter Arbeitskleidung der Mitarbeiter im Umkleidebereich.

Finanzierung über Abwassergebühren

Auf den städtischen Haushalt, der ein Minus von 7,5 Millionen Euro ausweist – hat das Vorhaben keine Auswirkungen: Das Gebäude werde über die Abwassergebühren finanziert und sei bereits einkalkuliert. Die Gebühren sollen dafür nicht steigen.