Schwarzenbek. Auf dem neuen Friedhof an der Lauenburger Straße in Schwarzenbek gibt es jetzt für „Sternenkinder“ ein Gräberfeld.
Mehr als 16.500 Menschen leben mittlerweile in der Europastadt, die durch den Zuzug junger Familien stetig wächst. „Das Durchschnittsalter der Schwarzenbeker liegt bei 42 Jahren, wir haben viele Neugeborene. Aber leider kommen auch immer wieder Kinder aus den unterschiedlichsten Gründen nicht lebendig zur Welt. Bislang fehlte für diese Eltern ein Ort zum Trauern in der Stadt“, sagte Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig gestern bei der Einweihung des „Sternenkinder-Grabfeldes“ an der nordwestlichen Ecke des Neuen Friedhofs gleich neben dem Bereich für Kindergräber.
„Wir haben lange nach einem Konzept und einer passenden Stelle gesucht. Hier ist ein würdiger Platz entstanden, an dem Eltern trauern können“, sagt Pastor Andreas Schöer. „Dies ist ein Platz für Kinder, die nach dem Gesetz nicht bestattet werden müssen. Aber wir wissen aus unseren Beratungsgesprächen, dass der Bedarf bei Eltern, die ein ungeborenes Kind verloren haben, groß ist, einen Platz zum Trauern zu haben“, betonte Trauerberaterin Ute Rutzen. Als Sternenkind, seltener als Schmetterlingskind oder Engelskind, werden verstorbene Kinder bezeichnet, insbesondere wenn sie vor, während oder bald nach der Geburt verstorben sind.
Beisetzungen von Ungeborenen jetzt am Heimatort möglich
„Bis vor zwölf Jahren, wurden verstorbene Kinder unter 500 Gramm noch wie Klinikmüll verbannt und entsorgt. Sie galten als juristisch nicht existent. Das ist heute unvorstellbar. Aber es gibt immer noch in den Geburtskliniken Sammeltermine für Bestattungen, bei denen die Asche mehrerer dieser Kinder in einer Urne beigesetzt wird. Jetzt haben die Eltern die Möglichkeit, eine Bestattung in ihrem Heimatort vorzunehmen und auch den Namen ins Familienstammbuch eintragen zu lassen. Das ist für die Trauerbewältigung wichtig“, ergänzte Sterbeamme Nadine Beyer.
„Einen Begräbnisplatz für Sternenkinder gibt es bereits seit zwölf Jahren in Geesthacht und der Bedarf nach so einem Angebot ist groß. Als die Idee, so einen Platz in Schwarzenbek zu schaffen an mich herangetragen wurde, habe ich den passenden Stein bereitgestellt“, berichtete Steinmetz Holger Passing aus Geesthacht. Er hat vor 33 Jahren als 18-Jähriger aus schwedischem Bohus-Granit sein Gesellenstück hergestellt. „Daran habe ich lange gehämmert. Das Material ist sehr hart aber auch sehr haltbar. Es stellt eine Säule dar, die ins All strahlt und sich nach oben öffnet“, erläuterte der Steinmetz, nachdem Nadine Beyer darüber spekuliert hatte, ob es sich um einen stilisierten Engel handeln könnte.
Würdige Verwendung für das Gesellenstück aus Granit
Die Stele stand bereits einige Jahre zu Werbezwecken für die Firma Passing am Eingang der Schwarzenbeker Friedhofs an der Finkhütte. Zuletzt war sie aber wieder im Betrieb in Geesthacht. „Ich habe lange nach einer würdigen Verwendung gesucht. Hier habe ich sie gefunden“, so Passing. In den bislang blank polierten Stein hat Passing nach Absprache mit der Projektgruppe, der neben Pastor Andreas Schöer unter anderem die Sterbeammen und Bestatter Axel Möller angehörten einen Vers aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry eingraviert und mit bunten Sternen versehen. „Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache“ steht als Leitspruch auf dem Gedenkstein.
„Erinnerungen sind kleine Sterne. Wir haben hier keine Geburtsklinik. Es ist wichtig, dass Eltern von totgeborenen Kindern hier in ihrem Heimatort diesen Platz zum Trauern bekommen. Deshalb habe ich seit 2016 auch immer wieder nachgefragt, wie weit das Projekt ist“, sagt Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig.
Kleine Sterne zum Gedenken der gestorbenen Kinder
Für die Beisetzung eines „Sternenkindes“ nimmt die Kirche als Träger des Friedhofs keine Gebühr. Es gibt auch die Möglichkeit, einen Stern mit dem Namen in eine Steinkissen eingravieren zu lassen. „Diese Möglichkeit besteht auch zum Gedenken, wenn es nichts zu bestatten gibt, wie beispielsweise bei einer Fehlgeburt“, so Axel Möller.
„Was wir hier anfassen, ist ein Tabuthema. Der Tod eines ungeborenen Kindes wurde oft verschwiegen. Für die eigene Trauer fehlte der passende Ort“, so Pastor Andreas Schöer.
Besonders hoch ist nach Erfahrung von Trauerberaterin Ute Rutzen die Hemmschwelle, über ein Abtreibung zu sprechen. „Es gibt medizinische Indikationen, wie beispielsweise eine drohende schwere Behinderung, die Eltern zu einer Abtreibung bewegt. Mitunter geht es aber auch um die Entscheidung, durch eine Abtreibung das Leben der Mutter zu retten. Auch für diese Schicksale gibt es mit dem Sternenkinder-Grabfeld einen würdigen Platz für die Eltern, um zu trauern“, sagte die Trauerberaterin.