Schwarzenbek/Ratzeburg. Infos zur Viruskrise sollen für Nachwelt erhalten bleiben. Kreisarchivarin Dr. Anke Mührenberg sucht dringend Bilder von Hilfsaktionen.

Bilder von Hilfsaktionen in Corona-Zeiten, Facebook-Posts und WhatsApp-Statusmeldungen von Menschen mit ausgefallenen Mund- und Nasenschutzmasken, Bastelanleitungen für Alltagsmasken, Malbücher für Kinder, die in Quarantäne sind: Dokumente und Fotos wie diese sucht Kreisarchivarin Dr. Anke Mührenberg jetzt dringend.

Es ist Eile geboten, weil viele zeitgeschichtliche Dokumente nicht aufbewahrt werden. „Bilder, die in sozialen Netzwerken kursieren, bleiben oft nur 24 Stunden erhalten. Das ist anders als früher, als die Menschen noch Kleinbildfilme mit 36 Bildern nutzten und sich wegen der Kosten bei jedem Foto überlegten, was sie aufnehmen und die Bilder auch lange aufbewahrten“, erläutert die Historikerin. Auch Plakate, die auf Schließungen von Läden und Restaurants oder auf deren Lieferservice während der Corona-Zeit hinwiesen, werden jetzt schon wieder entsorgt. „Den Menschen ist nicht bewusst, welchen historischen Wert solche Dokumente in einiger Zeit haben werden, wenn wir aus einigen Jahren Distanz auf diese außergewöhnliche Zeit zurückblicken“, sagt die promovierte Historikerin, die bis vor Kurzem noch Archivarin in Schwarzenbek war und nun das Kreisarchiv in Ratzeburg leitet.

Dies ist ein Dokument der Zeitgeschichte: Pascal Brückner von den Schwarzenbeker Wolves liefert im März in der Europastadt Einkäufe an Menschen in Corona-Quarantäne.
Dies ist ein Dokument der Zeitgeschichte: Pascal Brückner von den Schwarzenbeker Wolves liefert im März in der Europastadt Einkäufe an Menschen in Corona-Quarantäne. © Wolves | Wolves

Große geschichtliche Ereignisse wie das Ende des Zweiten Weltkriegs und die deutsche Wiedervereinigung haben Spuren im Kreis hinterlassen, aber es gebe kein vergleichbares Ereignis, wie den Lockdown in der Corona-Krise, so Mührenberg. „Natürlich haben wir auch hier Pest, Cholera, Pocken und die spanische Grippe erlebt. Aber ein totales Herunterfahren der Wirtschaft und des sozialen Lebens hat es so noch nicht gegeben. Deshalb ist es um so wichtiger, möglichst viele Dokumente darüber zu erhalten. Bei den Dokumenten aus der Kreisverwaltung und den Rathäusern ist das kein Problem. Es geht jetzt darum, Dokumente aus privater Hand zu sichern“, so die Historikerin.

Erste Ausstellungen etwa in zehn Jahren

Anke Mührenberg will die Corona-Krise wissenschaftlich aufarbeiten und mit einer zeitlichen Distanz die Erinnerung mit Vorträgen und Ausstellungen wach halten. „Dafür ist ein gewisser Abstand erforderlich. Fünf Jahre wären wohl noch zu früh, aber in zehn Jahren dürfte das für die Menschen als Rückbesinnung sehr interessant sein – vor allem auch für die jüngere Generation, die die Krise und Schließung von Kitas und Schulen sowie das Homeoffice der Eltern als Kinder erlebt haben“, so die Archivarin.

Deswegen ruft die Leiterin des Kreisarchivs alle Einwohner des Kreises auf, Dokumente und Bilder aus der Corona-Zeit nicht gleich in den Müll zu werfen, sondern mit ihr in Kontakt zu treten. „Ich suche allerdings ausschließlich Dokumente oder flache Dinge. Für Gegenstände des Alltags ist bei uns im Archiv kein Platz, da wir kein Museum sind“, sagt die Archivarin.

Historische Dokumente zu Pest und Ruhr

Wie wertvoll solche Dokumente in der Zukunft sein können, zeigen auch Schätze aus dem Kreisarchiv wie die Akten aus dem Bestand der Ritter- und Landschaft, in denen es in erster Linie um die Bekämpfung von Pest und Ruhr, aber auch damals unerklärliche Krankheiten geht. „Die Obrigkeit war deswegen um Vorsorge bemüht, wie der Aufruf von König Georg I. von Großbritannien, damals auch Herrscher über das Herzogtum Lauenburg, aus dem Jahr 1723 zeigt“, so Mührenberg. In diesem im Original im Kreisarchiv aufbewahrten Dokument ruft er zur Vermeidung ansteckender Krankheiten auf. So heißt es: „Solchemnach ist Unser Wille und Befehl, dass die Prediger, Schultzen, Aeltesten und Vorsteher jeder Gemeinde und Dorffschafft gehalten seyn sollen, so bald in ihren Gemeinen und Dorffschafften sich mehrere Krankheiten und Sterben äussern als gemeiniglich zu geschehen pfleget, solches sofort der Obrigkeit zu melden.“ Diese soll dann eine Untersuchung in die Wege leiten und die nötigen Medikamente beschaffen, aber auch für „die Verpflegung der Kranken gebührend Vorsorge“ tragen.

Besuch im Kreisarchiv derzeit nur mit Termin

Das Kreisarchiv, Am Markt 10 in Ratzeburg, hat seine Türen wieder geöffnet. Ein Besuch ist nach Anmeldung möglich: E-mail: dr.mueh renberg@kreis-rz.de ; Telefon: 04541/88 82 47.