Schwarzenbek. Als er anfing auf Streife zu gehen, kannte er seine Pappenheimer. Heute hat Polizeichef Ernst Jenner mehr mit reisenden Banden zu tun.
Cyberkriminalität, reisende Einbrecherbanden, Drogendelikte und randalierende Jugendliche halten die Polizei in Schwarzenbek aktuell in Atem. Von diesen Problemen war in der Kleinstadt mit damals noch dörflichem Charme Anfang der 1980er-Jahre nichts zu spüren. „Wir hatten die Bundeswehr und den Bundesgrenzschutz. Da war immer Leben in der Stadt – verbunden auch mit Alkoholkonsum, Autodiebstählen und Schlägereien. Überörtliche Täter gab es kaum, wir kannten unsere Pappenheimer“, sagt Ernst Jenner und lässt den Blick vom Fenster seines Büros im ersten Stockwerk des Polizeireviers an der Compestraße über „seine“ Stadt schweifen. Die Brücke über die Bahnlinie gab es noch nicht, als der heute 62-Jährige 1980 als Streifenpolizist in der Europastadt anfing. Auch gab es damals mehr Kneipen und sogar ein Bordell.
Auf Streife in Schwarzenbek
Nach dem Realschulabschluss in Büchen kam der junge Mann aus Siebeneichen 1975 zur Polizei. „Ich wollte mit Menschen zu tun haben. Die Entscheidung habe ich nie bereut“, sagt der Erste Polizeihauptkommissar. Nach der Ausbildung und dem Dienst in der Einsatzhundertschaft in Eutin kam Schwarzenbek. 15 Beamte versahen damals ihren Dienst in der Wache am Hellerkamp. „Wenn irgendwo in ein Geschäft eingebrochen wurde oder Zigarettenautomaten aufgebrochen wurden, hatten wir schnell einen Verdacht, weil wir es im Unterschied zu heute fast ausschließlich mit örtlichen Tätern zu tun hatten. Bei einem Einbruch in ein Sportgeschäft lag der Täter sogar noch betrunken im Schaufenster“, erzählt Jenner.
Besonders gut erinnert er sich noch an den Brand im ehemaligen Möbelhaus an der Seestern-Pauly-Straße Anfang der 1980er-Jahre. „Ich war alleine auf Streife, das Haus brannte lichterloh.“ Im oberen Stockwerk habe sich ein älteres Ehepaar aufgehalten. „Ich bin hochgegangen und habe die beiden ins Freie geleitet. Sie wollten ihre Wohnung nicht gerne verlassen“.
Auch an einen Hauptgefreiten der Bundeswehr aus Nordrhein-Westfalen erinnert er sich noch gut. „Der Mann hat ständig Autos gestohlen, um am Wochenende nach Hause zu fahren. Zurück kam er ebenfalls in gestohlenen Autos. Er hat uns ganz schön in Atem gehalten“, so Jenner. Auch die Jahrmärkte in der Region auf dem Ritter-Wulf-Platz sorgten immer wieder für Einsätze der Beamten. Die Volksfeste waren in früheren Zeiten von reichlich Alkoholgenuss und Schlägereien begleitet.
Grenzöffnung live erlebt
Es folgte eine kurze, aber spannende Zeit in der Einsatzleitstelle in Ratzeburg. Jenner war zwar nur drei Monate im Herbst 1989 dort im Einsatz, aber genau in diese Zeit fiel die Grenzöffnung. „Das war Gänsehautgefühl pur, als die ersten Kolonnen von DDR-Bürgern gemeldet wurden, die von der Zonengrenze bei Mustin in den Westen kamen. Damals habe ich Geschichte hautnah miterlebt“, berichtet Jenner.
Es folgten Verwendungen in Mölln, als Stationsleiter in Trittau, Geesthacht und beim Bezirksrevier in Ratzeburg. Vor elf Jahren schloss sich der Kreis: Seit November 2009 ist Ernst Jenner Leiter des Polizeireviers Schwarzenbek, das auch für die Stationen in Büchen und Lauenburg zuständig ist. Insgesamt ist er Chef von 61 Beamten, 27 davon in Schwarzenbek.
Vandalismus und Brandserien
Nach der Rückkehr war vieles anders als Anfang der 1980er-Jahre, aber keineswegs weniger turbulent. Die Beamten hielt eine große Vandalismusserie (2010) am Bahnhof auf Trab, im September 2012 fahndeten die Beamten 13 Tage lang nach einem Sexualstraftäter, der an einem Feldweg bei Grove mehrere Frauen belästigt hatte. Letztlich konnten sie einen damals 18-Jährigen ermitteln und im Haus seiner Eltern festnehmen.
2017 und 2018 hielten Brandserien die Polizei in Atem. Es gab diverse Brandstiftungen an Autos, es brannte im ehemaligen Restaurant „Jade“, im Blumenhaus Scheumann und im Hevi’s. Ein Teil der Täter konnte ermittelt werden, andere Brandstiftungen blieben ungeklärt – aber die Serie ist vorbei. Einen kuriosen Fall gab es 2014: Jack-Russel-Terrier Jette lief an der Schützenallee weg und wurde entführt. Die Spur führte nach Hamburg. Dort konnten die Beamten den Hund ausfindig machen und der glücklichen Besitzerin zurückgeben.
Betrügereien werden immer raffinierter
Wenn Jenner am 31. Januar zum letzten Mal seine Dienststelle verlässt, erwarten seinen Nachfolger einige große Herausforderungen. „Die Eigentumskriminalität und Betrügereien sind durch immer neue Tricks wie falsche Polizeibeamte oder Enkel immer schnelllebiger geworden. Darauf müssen wir reagieren“, sagt Jenner. Auch die Probleme mit lärmenden und trinkenden Jugendlichen auf dem Ritter-Wulf-Platz sind noch nicht gelöst. Ferner muss das Polizeirevier in Schwarzenbek umgebaut werden, weil Sanitäranlagen und Umkleideräume nicht ausreichen. „Die Wache in Lauenburg ist so marode, dass ein Neubau benötigt wird“, so Jenner. Wer sich darum kümmern muss ist noch unklar. Das Auswahlverfahren für einen neuen Dienststellenleiter läuft. Vorerst übernimmt Jenners Vertreter Jens Stamer die Aufgabe kommissarisch.
Jenner will sich im Ruhestand weiter um die Sanierung seines Elternhauses aus dem Jahr 1825 in Siebeneichen kümmern und sich weiter im Verein zur Rettung der Fähre engagieren. Außerdem ist in der Kommunalpolitik seines Dorfes tätig – und er sieht noch weitere ehrenamtliche Betätigungsfelder.