Schwarzenbek. Schwarzenbek. Zum 100. Geburtstag droht den Volkshochschulen (VHS) eine Steuererhöhung: Bisher sind Kurse von der Mehrwertsteuer befreit.
Das ist ein schönes Geburtstagsgeschenk: Freitagabend hatten die Volkshochschulen (VHS) in Deutschland erstmals zur „langen Nacht“ eingeladen. Grund: Vor 100 Jahren schlug ihre Geburtsstunde mit der Verankerung des Volksbildungswesens in der Weimarer Verfassung. Kurz vor dem Jubiläum war jedoch durchgesickert: Die Bundesregierung plant im Gesetzentwurf „zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ die Steuerbefreiung der Weiterbildung zu ändern.
Steuerfrei nur bei beruflicher Bildung
Sicher von der Umsatzsteuer befreit sind künftig nur noch solche Kurse, die beruflich unmittelbar verwertbar sind oder zur Sphäre des Schul- oder Hochschulunterrichts gehören. „Das wären bei uns die EDV- und Sprachkurse“, sagt Anja Erdmann, VHS-Geschäftsführerin in Schwarzenbek: „Für die übrigen Kurse, die etwa 80 Prozent des Angebots ausmachen, müssten wir künftig 19 Prozent Mehrwertsteuer erheben und die Verteuerung an die Teilnehmer weitergeben.“ Während der Grundkursus in der Tabellenkalkulation Excel weiterhin 32,50 Euro kosten könnte, müssten Teilnehmer für den Kursus „Yoga für den Rücken“ künftig 57,12 Euro zahlen – 9,12 Euro mehr als bisher.
„Linke Tasche – rechte Tasche“
Das sei das Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“, ärgert sich der VHS-Vorsitzende Peter Klemmer: „Der Staat, der uns verpflichten will, die Umsatzsteuer abzuführen, unterstützt uns auf der anderen Seite durch Zuschüsse für unsere Arbeit.“ Etwa 60 Prozent ihrer Einnahmen erwirtschaftet die VHS über die Teilnehmerentgelte. „Damit können wir weitgehend die Dozentenhonorare abdecken“, so Erdmann. Die Stadt trägt rund 30 Prozent der Kosten (Miete und Zuschuss), das Land ist mit vier bis fünf Prozent, der Kreis mit einem Prozent dabei, der Rest sind Mitgliedsbeiträge und Spenden.
Tangolehrerin klagte vor Gericht
Bei ihrem erneuten Versuch, Bildung und berufliche Bildung zu trennen – 2012 hatte die Bundesregierung auf die Neuregelung verzichtet – beruft sich die Bundesregierung auf EU-rechtliche Vorgaben sowie Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH). Der hatte zu Jahresbeginn das Urteil der Vorinstanz revidiert und einer Dozentin untersagt, in ihrer Steuererklärung die VHS-Kurse, die sie als Tangolehrerin gibt, als umsatzsteuerfrei auszuweisen, weil diese nicht berufsrelevant seien.
Zugang zu Bildung wird schwerer
„Wir versuchen diese Neuregelung noch abzuwenden, indem alle 900 Volkshochschulen in Deutschland ihre politischen Vertreter ansprechen und mit ins Boot holen“, sagt Anja Erdmann. Denn die Mehrwertsteuerausweisung bedeutet nicht nur höhere Preise für die Teilnehmer, sondern auch einen höheren Verwaltungsaufwand bei der Abrechnung für die Volkshochschulen. Das bedeute aber nicht, dass dann der öffentliche Zuschuss für die VHS steige, so Erdmann. Die VHS-Leiterin kritisiert angesichts der Forderungen nach lebenslangem Lernen, dass die Bundesregierung jetzt einen Unterschied zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung macht: „Mit der Verteuerung, die dann notwendig wäre, würden wir Menschen den Zugang zu Bildung erschweren.“
Volkshochschulen feiern 100. Geburtstag
Wie vielfältig die Bildungsangebote sind, zeigte die Volkshochschule am Freitagabend mit dem VHS-Chor SingSangSong und Grußworten von Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig. „Es waren ehemalige Teilnehmer da, aber auch viele neue Gesichter“, freut sich Erdmann, die die „lange Nacht“ gemeinsam mit der VHS Büchen-Gudow geplant hatte. In ihrer Ansprache hob Borchers-Seelig die Bedeutung der VHS hervor: „Sie tragen entscheidend dazu bei, das Bildungsbarrieren abgebaut werden.“ Wichtig für die Büchener VHS-Vorsitzende Ute Ehlers: „Wir sind vor Ort, niemand muss für unsere Angebote weit fahren.“