Ratzeburg. Ratzeburg. Für die Experten beim Waldsymposium ist klar: Bewirtschaftete Wälder sind die besten CO2-Speicher.

Kleinwagen mit Anti-AKW-Aufklebern neben Geländewagen mit Allradantrieb: Der Parkplatz der Gelehrtenschule in Ratzeburg spiegelte die Vielfalt der Positionen wider, die auch beim Waldsymposium in der Schulaula zu Tage traten. Neben Förstern, Jägern und Waldbesitzern aus ganz Norddeutschland waren zum von der Kreisverwaltung ausgerichteten Symposium auch Kreispolitiker sowie Vertreter von Umwelt- und Naturschutzverbänden gekommen – insgesamt mehr als 200 Gäste.

Kein Wunder, saßen doch mit Professor Herrmann Spellmann (Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt), Professor Christian Ammer (Uni-Göttingen), Professor Michael Müller (Uni Dresden) und Professor Ulrich Schraml (Forstliche Versuchsanstalt Freiburg) die führenden Forstexperten Deutschlands auf dem Podium. Moderiert wurde die Veranstaltung von einem weiteren Waldexperten: Professor Volker Dubbel forscht an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Göttingen zum naturgemäßen Waldbau und ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Waldpolitik und Klimaschutz der Bundesregierung.

Herr Professor Dubbel, was ist eigentlich ein Wald? Nur eine Ansammlung von Bäumen oder mehr?

Professor Dubbel: In jedem Bundesland ist Wald ein Stück weit anders definiert. Im Groben kann man sagen, jede mit Waldbäumen bestandene Fläche gilt als Wald, wenn sie als solche auch im Grundbuch eingetragen oder entsprechend gewidmet ist. Eine Definition über die Zahl oder Dichte der Bäume gibt es nicht, weil die weltweit sehr unterschiedlich sein können.

Im Jahr 1983 war „Waldsterben“ ein Wort des Jahres. Jetzt stirbt der Wald schon wieder?

Die Ursachen des Waldsterbens der 1980er- und 1990er-Jahre waren der hohe Schadstoffeintrag. Die Luftreinhaltemaßnahmen und Kalkungen haben zu sichtbaren Erfolgen geführt, dennoch ist nicht alles gut. Der Stickoxid-Gehalt in der Atmosphäre hat nur mäßig abgenommen und belastet die Waldböden weiter. Das seit dem Sommer 2018 zu beobachtende Baumsterben hat jedoch andere Ursachen, wurde unter anderem ausgelöst durch die Schäden des Orkantiefs „Ulrike“ im Januar 2018 sowie den ungewöhnlich heißen Sommer und eine extreme Massenvermehrung von Borkenkäfern an den Nadelbäumen. Die Ursache dafür liegt im Klimawandel: Frühzeitige und warme Frühjahrsphasen und sommerwarme Herbstmonate verlängern für alle Baumarten die Wachstumsperioden, die dadurch in Stress geraten. Bislang harmlose Pilze etwa können nun plötzlich gravierende Schäden verursachen.

Ist der Wald also ein Opfer des Klimawandels?

Ja und nein. Wälder werden durch den Klimawandel bedroht. Intakte Wälder sind aber gleichzeitig eine wichtige Hilfe im Kampf gegen den CO2-Gehalt der Luft. Im Holz der Bäume und im Boden speichern Wälder große Mengen CO2. Diese Leistung ist aber gefährdet, wenn der Klimawandel unsere Wälder immer weiter schwächt. Die Lösung ist der Waldumbau: reine Nadelwälder werden in stabilere Mischwälder überführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Kahlschlagflächen mit Fichten- oder Kiefersamen aufgeforstet, die in großer Menge zur Verfügung standen. Viele Fichten wachsen deshalb auf zu warmen Lagen oder auf nur schlecht durchwurzelbaren Böden, zudem brauchen sie viel Wasser zum Wachsen.

Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

Es sind standortangepasste Baumarten: Neben Eichen, Buchen, Fichten, Weißtannen und Kiefern experimentieren Forstleute auch mit Tulpenbaum, Baumhasel oder Schwarznuss sowie Eichensaatgut aus Kroatien, wo schon jetzt ein warmes Klima herrscht. Auch Edelkastanie, Küstentanne und Douglasie beweisen bereits seit über hundert Jahren, dass sie gut für deutsche Wälder geeignet sind. Wichtig ist die Vielfalt: Der heiße Sommer 2018 hat nämlich gezeigt, dass nicht nur Fichten unter der Dürre gelitten haben, sondern zum Teil sogar Eichen und vor allem die Buchen.

Wenn der Wald ein CO2-Speicher ist, sollte man dann nicht auf die Holznutzung verzichten?

Auf gar keinen Fall! Wenn ein Baum abstirbt und verrottet, setzt er das gespeicherte CO2 wieder frei. Das kann man verhindern, indem man den Baum rechtzeitig fällt und daraus Möbel, Dachstühle oder ganze Häuser baut. Neben dem Waldspeicher ist dies der sogenannte Produktspeicher. Dazu kommt noch der Substitutionseffekt, denn mit diesen Holzprodukten werden andere Produkte aus Kunststoff, Metall oder Beton ersetzt, deren Herstellung Energie verbraucht und das Klima weiter belasten. In Deutschland werden im Wald und in Holzprodukten jährlich etwa 61 Millionen Tonnen CO2 direkt gebunden. Das entspricht etwa sechs Prozent des CO2 Ausstoßes in Deutschland. Der Substitutionseffekt spart nochmals etwa 66 Millionen Tonnen ein. Die Waldstilllegung ist in Hinsicht auf den Klimaschutz keine geeignete Strategie, das ist beim Waldsymposium sehr deutlich geworden.

Müssen wir in Zeiten des Klimawandels Wald künftig ganz neu denken, nämlich als CO2-Speicher und großflächig aufforsten, um auch unserer Klimaziele zu erreichen?

Aufforsten wäre eine Möglichkeit, um zusätzlich CO2 zu speichern. Aber Wald nimmt bereits flächenmäßig in Deutschland zu. Zudem gibt es eine starke Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nutzung, deshalb sind die Möglichkeiten an dieser Stelle begrenzt. Die Möglichkeit der Optimierung und Steigerung der CO2-Speicherung besteht darin, dass wir die Wälder auch bewirtschaften.

Kreis ist größter kommunaler Waldbesitzer

Mit 778.000 Hektar ist der Freistaat Bayern der größte Waldeigentümer Deutschlands. Immer noch 69.000 Hektar besitzt die DBU Naturerbe GmbH mit 69.000 Hektar. Mit fast 10.000 Hektar ist der Kreis Herzogtum Lauenburg der größte Waldbesitzer unter den Kommunen Deutschlands. Zum Vergleich: Der Lübecker Stadtwald ist „nur“ 4600 Hektar groß. Die Kreisforsten sind seit dem 20. März 2000 nach den FSC-Kriterien (forest stewardship council) zertifiziert und werden unter ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftet. Alle zehn Jahre wird diese Strategie der Bewirtschaftung überprüft. Das Waldsymposium ist Teil dieser Überprüfung, an deren Ende die Kreistagsabgeordneten über eine mögliche Neuausrichtung der Forstwirtschaft im Kreis entscheiden werden.