Schwarzenbek. Schwarzenbek. Vor fünf Jahren verließ die Keksfabrik Schwarzenbek. Die ehemaligen Besitzer erinnern sich an die gute alte Zeit.
Entspannt sitzen die beiden Brüder Holger (75) und Uwe Lembcke (76) auf der Gartenmauer am Fliederweg und sprechen über den 70. Geburtstag eines Freundes, den sie am Abend besuchen wollen. Und sie schwelgen in Erinnerungen – zum Beispiel an die siebenköpfige Band „Schräge 7“, mit der sie in ihrer Sturm- und Drangzeit die Umgebung ihrer damaligen Heimat Grande bis hin nach Lohbrügge bereist und ihr erstes Geld verdient haben.
Den ersten Auftritt hatten sie bei einem Fußballturnier in Trittau. Es trat eine Mannschaft aus ihrer eigenen Bäckerei gegen Teams von Nico Pyrotechnik und dem Autohaus Russmeyer an. Die Instrumente musste die Band von Grande ins vier Kilometer entfernte Trittau schleppen. Akkordeon mussten sie auf Wunsch des Vaters lernen, später stiegen sie auf Gitarren um. „Die Beatles haben uns inspiriert“, erzählt der 75-Jährige.
Golf spielen statt backen
Viel Zeit haben die beiden ehemaligen Unternehmer auch heute nicht. „Wir sind Rentner, die haben nie Zeit. Wir spielen Golf, machen viel Sport, ich selbst mache auch wieder Musik und trete bei Feiern von Freunden auf“, sagt Holger Lembcke.
Kekse backt er nur noch im heimischen Backofen mit seiner Freundin. Jetzt soll er einige neue Rezepte für Andreas Coppenrath entwickeln, der die Keksbäckerei im Jahr 2009 von den beiden gekauft hat. Doch auch dafür hat Holger Lembcke im Augenblick keine Zeit. Sein Bruder Uwe Lembcke hat das Backen komplett aufgegeben. Dabei haben Kekse über viele Jahre das Leben der beiden bestimmt.
Kinder wollten Betrieb nicht
Den Verkauf der Fabrik im Jahr 2009 und den Umzug des Unternehmens nach Großröhrsdorf bei Dresden im Jahr 2013 sehen die beiden mittlerweile gelassen. „Wir sind Unternehmer. Da muss man sich jeden Tag auf eine neue Situation einstellen. Unsere Kinder wollten den Betrieb nicht übernehmen. Wir haben drei Jahre in Deutschland und den umliegenden Ländern nach einem Käufer gesucht“, erzählt Uwe Lembcke.
Interessenten gab es viele, sogar Bahlsen war dabei. Dann stand fast der Verkauf an ein norddeutsches Unternehmen bevor, der Vertrag war fertig. Praktisch zur Vertragsunterzeichnung sprang der Interessent ab. „Andreas Coppenrath kam als letzter, sah sich alles an und war sofort begeistert“, berichtet Holger Lembcke. Der Unternehmer, der in sechster Generation die Keksbäckerei im emsländischen Groß Hesepe führte, wollte sich mit dem Zukauf den Traum von einer „Produktlinie im Premiumsegment“ erfüllen. „Lembcke ist der Mercedes unter den Keksen“, schwärmte Coppenrath damals.
Mercedes unter den Keksen
2009 kam es zum Verkauf. Im gleichen Jahr starb auch Seniorchef Richard Lembcke im Alter von 95 Jahren. Seine beiden Söhne blieben einige Jahre beratend im Betrieb tätig. Denn das Unternehmen hatte seine Eigenheiten: Holger Lembcke ist gelernter Konditor und war für die Rezepturen der Kekse und neue Kreationen zuständig. Uwe Lembcke wollte eigentlich etwas Technisches lernen, machte dann aber doch eine Ausbildung zum Bäcker. Im Betrieb war er für die Maschinen zuständig und entwickelte gemeinsam mit dem Maschinenbauer Wolf aus dem nordrhein-westfälischen Bad Salzuflen einige Neuheiten. „Wir haben eine Maschine erfunden, die Mandelsplitter auf Keksen portionierte, eine weitere nahm uns die Handarbeit beim Rollen von Florentinern ab“, erzählt der „Tüftler“ stolz.
Neuer Standort bietet Platz
Ein Teil der Maschinen ist heute noch im sächsischen Großröhrsdorf im Einsatz. Mit Andreas Coppenrath sind die Lembckes heute noch befreundet. „Der Umzug war verständlich. In Schwarzenbek hätte sehr viel Geld investiert werden müssen, weil die Hallen und die Technik alt waren“, sagt Holger Lembcke. In Großröhrsdorf stand eine fast neue Fabrik mit Backöfen und 5000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, die Coppenrath aus der Konkursmasse einer Bäckerei für 1,5 Millionen Euro kaufen konnte. Hier hätte er viel mehr Geld in die Hand nehmen müssen“, so der 75-Jährige weiter.
Bis zu Hundert Mitarbeiter
Auch die Mitarbeiter hegen keinen Groll gegen die Brüder. „Sie grüßen uns höflich auf der Straße. Viele haben wieder einen Job“, sagt Holger Lembcke. Denn in dem Betrieb waren in der Hochsaison von August bis März mehr als 100 Menschen beschäftigt – meistens ungelernte Arbeiter, überwiegend Hausfrauen. Die Tätigkeiten in der Produktion erforderten Erfahrung, Geschicklichkeit, aber keine fundierte Ausbildung. Zum Zeitpunkt des Umzugs waren 84 Mitarbeiter in Schwarzenbek beschäftigt. Zwar bekamen alle ein Angebot, den Umzug nach Sachsen mitzumachen, das lohnte sich aber für die wenigsten.