Schwarzenbek. Schwarzenbek. Vor 70 Jahren hat Hans Behrendt Glasmalereien aus den vom Krieg zerstörten Fenstern der St.-Franziskus-Kirche geborgen.
Unter schwierigsten Umständen sind sie in der Nachkriegszeit entstanden. Trotzdem hielt die Bleiverglasung der Fenster in der St.-Franziskus-Kirche knapp 70 Jahre. Im Jahr 2015 mussten sie schließlich aufwendig saniert werden (wir berichteten). Jetzt hat der Mann, der 1947 in fast zweijähriger Bauzeit die Fenster einbaute, der Kirche ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Aus den Trümmern der alten Fenster hat Glasermeister Hans Behrendt damals Stücke gerettet. Unter anderem Bildmalereien, die die Jungfrau Maria und den Apostel Paulus zeigen.
Kunstwerke aus den Weltkriegstrümmern
Diese Kunstwerke schlummerten sieben Jahrzehnte in seiner Werkstatt. Gestern hat der 99-Jährige die Bilder im Zuge der Vortragsveranstaltungsreihe „Bewegte Jahre“ im Franziskus-Haus an Pastorin Christiane Klinge übergeben. „Wie alt die Glasmalereien genau sind, kann ich nicht sagen. Aber sie erschienen mir so wertvoll, dass ich sie erhalten wollte“, erzählte der Glasermeister.
Mobile Flak als Bombenziel
Die Kirche selbst stammt aus dem Jahr 1895. Die Fenster wurden im Zweiten Weltkrieg durch den Druck von Fliegerbomben zerstört. Piloten warfen nach Angriffen auf Hamburg ihre restlichen Bomben über Schwarzenbek ab, um die Eisenbahnlinie zu zerstören. Außerdem gab es hier eine mobile Flakstellung. Die Geschütze waren auf Eisenbahnwaggons montiert, und die Piloten versuchten, diese Kanonen auszuschalten.
Suche nach Blei in den Ruinen
„Ich kam nach dem Krieg als Flüchtling nach Schwarzenbek. Meine Familie war gläubig, aber es zog gewaltig in der Kirche. Deshalb entschloss ich mich, die Verglasung zu erneuern“, berichtete Behrendt. Glas war schwer zu bekommen im Nachkriegsdeutschland. Die Fabriken waren zerstört. Es fehlte aber auch an Blei, um die kleinen Scheiben miteinander zu einem großen Fenster zu verbinden. Mit Rucksäcken und Werkzeug ausgerüstet fuhr Behrendt gemeinsam mit Ehefrau und Tochter in das zerstörte Hamburg. In den Trümmern suchten sie nach Bleirohren von Wasserleitungen.
Butter und Wurst gegen neue Fenster
„Es war schwierig, jemanden zu finden, der das Blei schmelzen konnte. Es fehlte an allem“, erinnerte sich Behrendt. Noch schwieriger war es, an geeignetes Glas heranzukommen. Er fand schließlich einen Lieferanten, der farbiges Glas für Kirchenfenster herstellte, in der Tschechoslowakei. „Die Tschechen wollten allerdings Naturalien. Ich habe in einer Schlachterei Wurst besorgt und auch Butter beschafft. Im Tausch gegen diese Waren kamen nach und nach die Scheiben“, berichtete der 99-Jährige.
Spendenaktion für die Sanierung
So entstanden bis 1949 die neuen Kirchenfenster der St.-Franziskus-Kirche. Behrendt hat trotz der schwierigen Umstände gut gearbeitet. Die Fenster hielten bis 2012. Dann hatte der Rost die sogenannten Windeisen, die die Fenster halten, zerfressen. Auch die Bleieinfassungen konnten die Scheiben kaum noch halten. Mit einer groß angelegten Spendenaktion hat die Kirchengemeinde die Fenster dann gerettet. Die Sanierung kostete insgesamt 120 000 Euro, der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg übernahm aber nur 30 000 Euro. Die gleiche Summe kam aus Fördermitteln zusammen, weitere 20 000 Euro steuerte die Kirchengemeinde aus ihrer Rücklage bei. Für den Rest warb die Gemeinde unter Federführung von Pastorin Christiane Klinge mit zahlreichen Aktionen Spenden ein.
Kein weißes Glas in der Kirche
2015 begann die Sanierung und dauerte gut ein Jahr. Diplom-Ingenieur Jürgen Perau aus Börnsen, der 30 Jahre in der Bauverwaltung des Kirchenkreises Alt-Hamburg tätig war, betreute das Projekt. Restauratoren erneuerten die Bleieinfassungen und ersetzten zerbrochene Scheiben mit Glas in exakt den gleichen Pastelltönen, die auch die alte Verglasung hatte. Denn in der St.-Franziskus-Kirche gibt es kein weißes Glas, sondern nur Scheiben in Blau, Gelb, Rosa und Grün.