Schwarzenbek/Hamburg. Schwarzenbek. Als die Sylvia Senger nach einem Friseur suchte, zögerte Partik Kolbow nicht lange und half...

„Da merke ich doch, wie klein und unbedeutend meine eigenen alltäglichen Probleme sind. Wenn ich nach so einem Termin nach Hause fahre, bin ich wieder richtig eingenordet“, sagt Patrik Kolbow. Seit dem Sommer gehört der Friseurmeister mit Filialen in Schwarzenbek und Geesthacht zum ehrenamtlichen Helferteam der Brunstorferin Sylvia Senger. Während die übrigen Helfer der Initiative „Zwischenstopp Straße – Obdachlosenhilfe Hamburg“ den Menschen etwas zu essen sowie Kleidung und Schlafsäcke geben, schneidet Kolbow ihnen die Haare.

Das sind ganz tolle Menschen

Senger, die damals noch Reddig-Rathje hieß, hatte im sozialen Netzwerk Facebook nach einem Friseur für ihr Obdachlosen-Projekt gesucht. „Ich bin so ein bisschen mit Vorurteilen rangegangen, denn ich hatte vorher nie mit Obdachlosen zu tun“, gibt Kolbow zu: „Und dann sind wir da hingekommen und ich war so gerührt, weil das teilweise ganz tolle Menschen sind.“ Auch am morgigen Sonntag wird der Friseurmeister wieder dabei sein: Um 13 Uhr treffen sich die rund 50 Helfer an den Langen Mühren in der Hamburger Innenstadt. „Das Vordach des Saturn-Marktes bietet uns Schutz, unsere Stände aufzubauen“, sagt Senger. 250 bis 300 Obdachlose kommen zu jedem Termin.

Kaum Möglichkeiten zu Körperpflege

„Was wir machen, ist eine friseurtechnische Grundversorgung. Je kälter es ist, desto schwieriger wird es natürlich“, so Kolbow. Waschen und föhnen sei nicht drin, dennoch zaubern der Friseur und seine Helfer auch schon mal eine flotte Kurzhaarfrisur: „Da kommen Menschen, die haben ein Bewerbungsgespräch vor sich und können sich einen richtigen Friseurbesuch nicht leisten.“ Oft jedoch werden Haare und Bart radikal mit der Maschine zurückgeschnitten. „Wer auf der Straße lebt, hat kaum Möglichkeiten zur Körperpflege. Eine rasierter Kopf ist da einfach praktisch“, sagt Senger.

Senger sucht weitere Spenden

Ohnehin sei Körperhygiene ein großes Problem: „Es gibt nur wenige Stellen, an denen Obdachlose mal duschen können – und nur bei einer können sie ihre Hunde mit hineinnehmen. Die Alternative – die Tiere draußen anzubinden, macht aber kaum einer“, so Senger. Dazu kommt: Die Menschen spenden zwar gern gebrauchte Kleidung, doch niemand gibt gebrauchte Unterwäsche oder Strümpfe ab. Als Konsequenz leiden viele Obdachlose an Ekzemen am Unterleib oder den Füßen. Helfer der Initiative stricken bereits warme Socken, doch Senger würde sich über weitere Spenden freuen. Neben Unterwäsche brauchen die Obdachlosen zum Winter auch warme Jacken, Isomatten, Zelte und Schlafsäcke. Wer helfen will, kann sich über Facebook an die Gruppe wenden oder Senger direkt unter 0171/4 11 31 32 anrufen.

Begegnungen auf Augenhöhe

Als die gelernte Immobilienkauffrau noch in Hamburg arbeitete, ist sie oft mit Obdachlosen essen gegangen: „Ich weiß, dass viele Alkoholiker sind. Deshalb habe ich kein Geld gegeben, sondern habe sie in die nächste Bäckerei eingeladen.“ Doch das war der Brunstorferin nicht genug: Als ein Wohnungsloser an einem entzündeten Ekzem am Bein fast gestorben wäre, beschloss sie das Projekt „Zwischenstopp Straße“ zu gründen. Neben der akuten Hilfe mit Nahrung und Kleidung begleiten die Helfer die Obdachlosen aber auch bei Behördenterminen, helfen ihnen Wohnungen zu bekommen und sich in der neuen Situation zurechtzufinden. Der Mann mit dem Ekzem ist mittlerweile gesund und hat wieder eine feste Bleibe. Wichtig ist es Senger, den Betroffenen auf Augenhöhe zu begegnen: „Ich zwinge niemandem meinen Willen auf, bin trotzdem für sie da.“ Die Initiative ist mittlerweile ein Projekt des Vereins „Hoffnung e.V. Hamburg“, über den es auch Spendenquittungen gibt.

Plätze reichen nicht aus

Die Hamburger Sozialbehörde geht von etwa 2000 Obdachlosen in der Stadt aus. Im Rahmen des Winternotprogramms bietet sie in diesem Jahr 900 Schlafplätze an. Kritiker wie Senger bemängeln, dass die Zahl bei Weitem nicht ausreiche, die Heime zudem tagsüber geschlossen seien. Zudem gebe es in diesem Jahr erstmals keine gemeinsamen Zimmer für Paare und auch Hunde und andere Haustiere müssten draußen bleiben.