Schwarzenbek. Schwarzenbek. Zum achten Mal organisierte der Kinderschutzbund die „Fähnchenaktion“. Forderung: Grundsicherung für Kinder.
270 Euro stehen Eltern pro Monat für ihr Kind zur Verfügung, wenn sie von Hartz IV leben müssen. „Damit kann man überleben, aber gute Lebenschancen kann man damit nicht verwirklichen“, sagt Franz Albracht. Der Ratzeburger ist Vorsitzender des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB), der zum mittlerweile achten Mal mit seiner Fähnchenaktion auf Kinderarmut aufmerksam macht.
100 Kinder stecken Fähnchen
100 Kinder aus allen drei Schwarzenbeker Schulen steckten am gestrigen Vormittag 4336 kleine blaue Fähnchen in den Rasen der Grünfläche an der Ecke Compestraße/Jungfernstieg – jeweils ein Fähnchen für ein Kind im Kreis, dass in Armut aufwächst. „Wenn man das Wort Kinderarmut hört, denkt man automatisch an andere Länder“, so Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig: „Dass es auch uns betrifft, dokumentieren diese Fähnchen.“ Von 3162 Kindern in der Europastadt beziehen 142 Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, weil ihre Eltern als arm gelten. Der Kinderschutzbund geht sogar davon aus, dass 513 Kinder und Jugendliche in Schwarzenbek in Armut leben. Das entspräche einer Quote von 16,2 Prozent. Zum Vergleich: Laut Studie der Bertelsmannstiftung waren es 2015 bundesweit 14,7 Prozent, in Schleswig-Holstein 15,3 und im Kreisgebiet 13,2 Prozent.
Leistungen sollen sogar noch sinken
Albracht kritisiert gerade bei den Sozialleistungen für Kinder eine „massive Unterversorgung“. Und es wird nicht besser: Laut Kinderschutzbund plant das Bundesarbeitsministerium für 2017 Änderungen bei den Hartz-IV-Leistungen: Das Geld für Lebensmittel und Getränke soll bei Kleinkindern von 88,08 Euro im Monat auf 82,72 Euro abgesenkt werden. „Das sind nur noch 2,76 Euro pro Tag für Frühstück, Mittag- und Abendessen inklusive der Getränke. Das ist ein Skandal“, so Albracht. Seine Forderung: eine Grundsicherung, die allen Kindern zusteht.
Kritik am Krippengeld
Dass am Donnerstag vom Kieler Landtag beschlossene Krippengeld – bis zu 100 Euro pro Monat – fand dennoch nicht Albrachts ungeteilte Zustimmung: „Es ist gut, weil es etwa alleinerziehende Mütter entlastet. Wichtiger wäre aber ein kostenfreier Kita-Besuch, wie es ihn in Skandinavien gibt.“ Auch Awo-Kreisgeschäftsführer Uwe Frensel und Kreispräsident Meinhard Füllner (CDU), Schirmherr der Fähnchenaktion, kritisierten den Beschluss: Das Geld hätte den Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden müssen. Füllner: „Wir haben viel Geld im System, es kommt nur nicht da an, wo es gebraucht wird.“ Und an die anwesenden Schüler gerichtet appellierte Füllner: „Wir müssen uns auch um die Kinder kümmern, die jetzt neu zu uns gekommen sind. Das ist eure Aufgabe, sie mit offenen Armen aufzunehmen.“