Schwarzenbek. Schwarzenbek. Ute Borchers-Seelig ist seit einem Jahr als Bürgermeisterin im Amt. Hier gibt sie Aus- und Rückblick auf Erfolge und Ärgernisse.
Ute Borchers-Seelig ist seit exakt einem Jahr Bürgermeisterin in Schwarzenbek. Sie ist die erste Frau in diesem Amt in der Stadtgeschichte. Die 55-Jährige übernahm den Chefsessel im Verwaltungsgebäude am Ritter-Wulf-Platz von ihrem Vorgänger Frank Ruppert, der nach zwei Amtszeiten nicht wieder antrat. Beide haben eines gemeinsam: Sie sind aus der Position des Kämmerers heraus von den Schwarzenbekern an die Verwaltungsspitze gewählt worden. Angesichts der Konsolidierung keine schlechte Ausgangsbasis für eine Bürgermeisterin. Nach einem turbulenten ersten Jahr mit Verschwisterungsfeier, Flüchtlingswelle und großen finanziellen Einsparbemühungen zieht die Neu-Schwarzenbekerin im Interview mit unserer Zeitung Bilanz.
Wie haben Sie das erste Jahr als Bürgermeisterin erlebt? Haben Sie überhaupt noch Zeit für sich selbst?
Ute Borchers-Seelig: Ein klares Nein. Als ich das Amt übernahm, gingen die ganzen Empfänge, Weihnachtsfeiern und Jahreshauptversammlungen los. Das war gut, um mich bei Vereinen und Verbänden vorzustellen. Aber die Situation bescherte mir neben meiner Arbeit in der Verwaltung oft auch eine Sieben-Tage-Woche. Ich war mir vorher über die hohe Arbeitsbelastung im Klaren, weil ich Herrn Ruppert oft an der Verwaltungsspitze vertreten habe, wenn er repräsentative Termine für die Stadt wahrgenommen hat. Ich bin froh, dass mich Bürgervorsteherin Kirsten Niemann in diesem Punkt entlasten wird. Wir sprechen uns künftig ab, wer wohin geht.
Sie sind nach wie vor auch Kämmerin. Wie lange kann diese Doppelbelastung angesichts der großen Herausforderungen an die Stadt noch gut gehen?
Es war bis vor Kurzem sogar eine Dreifachbelastung. Ich war bis zum November auch noch für die Personalleitung im Rathaus zuständig. Mit der Einsetzung von Petra Scheerer als Amtsleiterin für Zentrale Dienste habe ich eine Aufgabe weniger. Jetzt müssen wir noch einen Kämmerer finden, dann kann ich mich ausschließlich um mein Amt als Bürgermeisterin kümmern. Dann werde ich weitere Projekte in Angriff nehmen, die mir wichtig sind. Und ich werde mir auch Freiräume schaffen, um mehr Sport zu treiben und Zeit für meine Familie zu haben. Momentan beschränkt sich das auf Spaziergänge mit dem Hund.
Die Stadt befindet sich seit mehreren Jahren in der Konsolidierung. Das heißt, sie muss sparen und den Bürgern einiges abverlangen. Jetzt müssen zahlreiche Flüchtlinge untergebracht werden. Wie wirkt sich das auf die Finanzen aus?
Das Land entlastet die Kommunen finanziell. Die Miete bekommen wir über die Sozialhilfe zurück. Aber wir müssen personell Zusatzkosten stemmen. Das geht mit der Prüfung von Sozialhilfeanträgen und Mietverträgen los und bald ab Januar mit der Prüfung der Betriebskostenabrechnungen für die rund 40 Wohnungen weiter. Deshalb ist es erforderlich, zusätzliches Personal einzustellen. Wichtig ist mir aber, den sozialen Frieden in der Stadt zu erhalten. Es gibt auch andere Menschen, die bedürftig sind oder bildungsfernen Schichten angehören. Diese Bürger dürfen bei unseren Bemühungen um die Flüchtlinge nicht auf der Strecke bleiben. Wir werden weiterhin auf dezentrale Unterbringung setzen. Dabei spielt der soziale Wohnungsbau eine wichtige Rolle. Das erfordert Fingerspitzengefühl und kostet eben Geld.
Derzeit wird die ehemalige Realschule zu einer Unterkunft für bis zu 130 Flüchtlinge umgebaut. Eigentlich sollte dort ein Bildungszentrum entstehen. Was wird aus diesem Plan, der Ihnen sehr am Herzen lag?
Das liegt er mir immer noch. Ich bin noch bis Dezember 2020 im Amt. Ich hoffe, dass das Bildungszentrum bis dahin Wirklichkeit wird.
Wie sieht ihre Vision für das Schwarzenbek im Jahr 2020 aus?
Ich hoffe, dass die Menschen, die als schutzsuchende Gäste in unsere Stadt kommen, bis dahin vollständig integriert sind. Wir müssen die Stadtentwicklung und die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben, damit alle Wohnung und Arbeit finden. Schwarzenbek ist flächenarm. Wir könnten Wohnraum für die Neubürger durch Verdichtung der Baugebiete und eventuell auch Aufstockung bestehender Häuser schaffen.
Was waren die angenehmsten Momente in ihrer Amtszeit?
Der Moment, in dem ich feststellte, dass Politik und Verwaltung ein Ziel verfolgen und sich den gefassten Beschlüssen verpflichtet fühlen. Und dann die Eröffnung der Kita „Knöpfchen“, das neue Kundenzentrum der LMT Group und die Einweihung des Gebäudes der Lebensgemeinschaft Gut Lanken in der Industriestraße, das waren einfach tolle Momente. Aber gerade die Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihren Problemen zu mir kommen, waren sehr angenehm und auch entspannend.
Was ist nicht so gut gelaufen?
Auf meiner Agenda stehen die Entlastung der Innenstadt vom Schwerlastverkehr und auch die Umgestaltung des Bahnhofs. Die Gespräche hierzu sind sehr zäh. Ich hatte zu meinem Amtsantritt gehofft, dass ich in beiden Punkten nach einem Jahr wesentlich weiter wäre. Sobald Dritte zu beteiligen sind, vergehen schnell Monate, bis ein Etappenziel erreicht ist. Beim Bahnhof handelt sich mit der Deutschen Bahn AG, der NAH-SH und einem privaten Besitzer des Bahnhofsgebäudes um drei Ansprechpartner für ein Areal. Das macht die Arbeit schwierig. Aber auch das Thema Fracking mit Widerspruch und Klage hat mich sehr viel Arbeitszeit gekostet.
Der Bahnhof ist ein Dauerbrennerthema. Was hätten Sie sich im ersten Schritt gewünscht?
Ich hatte gehofft, dass wir schnell eine bessere Beleuchtung in der Unterführung und zusätzlichen Wetterschutz auf den Bahnsteigen bekommen. Außerdem wollte ich Graffiti-Boards an den Wänden (Das sind große Tafeln, die von Schülern oder Künstlern gestaltet werden könnten, um Schmierereien zu verhindern; Anm. der Redaktion). Außerdem ist es schwierig durchzusetzen, dass die Deutsche Bahn AG den Bahnhof an sich und die Beete sauber hält, die Büsche zurückschneidet, damit der Bahnsteig besser einsehbar ist. Dann würden sich die Fahrgäste sicherer fühlen. Froh bin ich, dass ich einen Teilerfolg für die Bike&Ride-Plätze erringen konnte. Dadurch kann die Stadt am Landesprogramm teilhaben und spart so Kosten für die Planung.
Selbst wenn das alles realisiert worden wäre, würde das von einem privaten Investor erworbene und immer mehr verfallende Bahnhofsgebäude in dem gesamten Ensemble schlimm aussehen. Wie geht es weiter?
Wir sind in Gesprächen mit dem Eigentümer. Aber die Folgenutzung ist schwierig. Wir haben uns als Stadt aus gutem Grund dafür entschieden, die Immobilie nicht selbst zu kaufen, weil die Bahn sehr hohe Auflagen an den Nutzer stellt.
Ein Höhepunkt des Jahres war die Verschwisterungsfeier in Verbindung mit dem Stadtfest. Hat das die in den letzten Jahren nur sehr zäh laufende Europaarbeit vorangebracht?
Es gibt neue Impulse. Europa ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Wir wollen vor allem die Jugend einbinden. Das kann über Austauschprogramme und Ferienfreizeiten funktionieren. Das ginge entweder über die Schulen oder über die städtische Jugendarbeit. In diesem Punkt muss man auch über Zuschüsse nachdenken. Das kostet natürlich Geld, aber wir können nicht das soziale Leben abgeben, nur weil wir uns in der Konsolidierung befinden.
Neben den europäischen Partnerstädten gibt es auch das chinesische Haimen. Wie geht es mit dieser Partnerschaft weiter?
Diese Partnerschaft wollen wir weiter mit Leben erfüllen. Investor Zhonghui Zhu hat uns eingeladen, im nächsten Jahr nach Haimen zu kommen. Die Partnerschaft war bislang auf Wirtschaft und Verwaltung ausgerichtet. Das wollen wir auf eine breitere Basis stellen. Es wäre schön, wenn Bürger und Schüler mitführen.