Lübeck/Lauenburg. Eine neue Initiative wirbt bei den Handwerksbetrieben um eine Ausbildung in Teilzeit. Die Idee kommt aber nicht bei allen gut an.

Kaum ein Wirtschaftszweig, der nicht über Nachwuchssorgen klagt. Eineinhalb Wochen vor dem traditionellen Ausbildungsbeginn am 1. August sind in Norddeutschland noch Zehntausende Lehrstellen unbesetzt. Die Arbeitsagentur Nord, Industrie- und Handelskammer sowie Handwerkskammer Lübeck wie auch der Deutsche Gewerkschaftsbund haben eine Initiative gestartet. Sie werben gemeinsam für Teilzeitausbildungen, um Menschen den Weg in eine Berufsqualifikation zu ebnen, die bislang häufig ausgeschlossen blieben. Während viele gerade erst beginnen, sich auf den Weg zu machen, hat die Stadt Lauenburg bereits Erfahrungen gesammelt.

Ausbildung: Betriebe haben Probleme, die Lehrstellen zu besetzen

Noch vor wenigen Jahren verdrehten viele Ausbilder und Handwerksmeister bei der Frage nach Ausbildung in Teilzeit die Augen. „Die Ausbildungsinhalte bewältigen viele schon in Vollzeit kaum“, war dann zu hören. Oder: Teilzeitausbildung lasse sich in betriebliche Abläufe nicht integrieren: „Unsere Lehrlinge fahren mit den Gesellen auf die Baustellen, wie sollen sie allein vorzeitig zurückkommen?“

Doch die Probleme, Lehrstellen zu besetzen – gepaart mit der Erkenntnis, dass der deutsche Arbeitsmarkt bis 2030 zwischen einem Fünftel und einem Viertel seiner Beschäftigten durch Renteneintritt verlieren wird – fördern das Umdenken. An Stelle von Klagen über die Qualität der Bewerber treten längst Überlegungen und Angebote, um Schulabbrecher und Abgänger fit für eine Ausbildung zu machen.

Große Chance für Alleinerziehende und pflegende Angehörige

Wer alleinerziehend Kinder betreue oder sich um pflegebedürftige Angehörige kümmere, dem mangele es häufig an Flexibilität: „Eine Ausbildung in Teilzeit gibt diesen Frauen und Männern eine Chance“, sagte Hagen Goldbeck, Präses der IHK Lübeck, auf einer Pressekonferenz. Alle Unternehmen sollten sich offen für ergänzende Ausbildungsmodelle zeigen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

„Teilzeitausbildung ermöglicht auch Bewerberinnen und Bewerbern, die keine Ausbildung in Vollzeit absolvieren können, den Einstieg in eine berufliche Karriere“, wirbt Christian Maack, zweiter Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Lübeck. Beide Kammern haben mit Unterstützung des Landes jeweils eine Stelle geschaffen, um das Projekt „Teilzeitausbildung für alle“ voranzutreiben.

4500 Alleinerziehende ohne Berufsabschluss

Bis dahin ist noch ein weiter Weg. Doch der lohne sich, sind die Vorsitzende des DGB Nord, Laura Poth, und die Chefin der Arbeitsagentur Nord, Margit Haupt-Koopmann, einig. „Fachkräfte fallen nicht vom Himmel. Kluge Unternehmen wissen, man muss dafür etwas tun“, sagt Poth. Derzeit seien in Schleswig-Holstein 4500 Alleinerziehende ohne Berufsabschluss arbeitslos gemeldet, „ein vielversprechendes Potenzial für Teilzeitausbildung“, meint Haupt-Koopmann.

Das ist ausbaufähig. Aktuell sehen in Schleswig-Holstein nur 123 (0,7 %) der abgeschlossenen Ausbildungsverträge eine Ausbildung in Teilzeit vor. „Im Vergleich sind wir damit aber Spitze, der Bundesdurchschnitt beträgt 0,4 Prozent“, sagt Horst Schmitt, Sprecher der Arbeitsagentur Nord.

Betriebe teilweise skeptisch

Bei den Geesthachter Stadtwerken sei Teilzeitausbildung aktuell kein Thema, sagt Sprecherin Sonja Braun. Doch wisse niemand, was die Zukunft bringe. Ausbildung in Teilzeit ist im Lauenburgischen Handwerk – abgesehen von Schwangerschaften während der Lehre – noch die absolute Ausnahme, bestätigt Susanne Bendfeldt, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft. „Doch wir suchen händeringend Azubis, wir versuchen, vieles möglich zu machen.“

Dass vieles möglich ist, wissen die Verantwortlichen in Lauenburgs Stadtverwaltung. Eine vormalige Krankenschwester mit zwei Kindern hatte sich um einen Lehrstelle beworben. „Die Kollegin hat die Verwaltungsausbildung in einer 28 Stunden- statt 39-Stunden-Woche absolviert, konnte die Ausbildungszeit sogar um mehrere Monate verkürzen“, berichtet Thomas Burmester, Fachbereichsleiter Inneres und Finanzen. Mit den Arbeitszeiten sei man der damals 40-Jährigen entgegengekommen, „für den Blockunterricht hat sie die Betreuung ihrer Kinder privat organisiert“.

Doch es funktioniert nicht immer, weiß Burmester. Eine Frau habe die Teilzeitlehre abgebrochen. „Dieses Angebot ist etwas für Menschen, die bereits eine Ausbildung haben oder im Leben stehen, nicht aber für Schulabgänger.“