Schwarzenbek. 127 Jahre alter Zeitanzeiger muss zum Uhrmacher. Ein Experte erklärt, was dort passiert und wie lange es dauert.
Seit dem Jahr 1895 zeigt die Turmuhr der St. Franziskus-Kirche an der Schwarzenbeker Compestraße schon verlässlich die Uhrzeit an, halbstündlich schlägt ihr Glockenwerk. Sie ist ein Qualitätsprodukt aus der 1863 gegründeten Hildesheimer Großuhrenfabrik Beyes mit vier in jede Himmelsrichtung sichtbaren Uhrenblättern. Jetzt wird die Uhr saniert.
Denn in letzter Zeit gab es immer wieder Probleme. „Das Schlagwerk hängt. Zur halben Stunde kommen statt eines einzigen Tons der Glocke elf bis zwölf Schläge“, sagt der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende Bernd Münchow, der viele Jahre auch für das wöchentliche Aufziehen der Uhr zuständig war. Sie wird mit Steingewichten betrieben.
Wartung in Werkstatt in Neustadt an der Ostsee
Jetzt ist der Zeitanzeiger, dessen Herz ein mehr als ein Meter hohes Werk auf einem Gestell aus Gusseisen ist, erst mal verstummt. Seine Mechanik, die in mehr als 50 Meter Höhe in einem alten Eichenschrank steht und nur über 120 steile Stufen zu erreichen, steht still.
Am Mittwoch haben Jörg Köpke und Maik Schulz von der Ostholsteiner Firma Otto Buer damit angefangen, das Uhrwerk zu demontieren. Drei Monate wird die Wartung der Messingteile in Neustadt an der Ostsee dauern. Danach soll die Uhr von St. Franziskus wieder verlässlich die Zeit anzeigen. „Hoffentlich für weitere 127 Jahre“, sagt Pastor Andreas Schöer.
Spender finanzieren 13.000 Euro teure Sanierung
Die Kosten für Grundüberholung und Reinigung der Uhr belaufen sich auf 12.856 Euro. „Das ist ein Betrag, den die Kirchengemeinde nicht allein aufbringen kann. Wir waren daher auf Spenden angewiesen“, so Schöer. „Wir haben ein halbes Jahr benötig, um das Geld aufzubringen. 6000 Euro kamen von der Raiffeisenbank, Lauenburg, weitere 3500 Euro von einem Privatspender, der Rest waren kleinere Summen“, sagt Bernd Münchow.
Obwohl die Uhr ein Qualitätsprodukt ist, nagt der Zahn der Zeit an dem Gerät. Es mussten bereits die Zeiger saniert werden, außerdem blieb die Uhr im Sommer 2016 stehen, weil eine der eisernen Wellen gebrochen war. Trotzdem ist der Zustand des Werks gut, wie Monteur Jörg Köpke am Mittwoch nach einer ersten Bestandsaufnahme sagte. „Wir warten Uhrwerke im gesamten Norden. Viele stammen aus der Zeit nach 1900. Dieses Werk in Schwarzenbek gehört zu den älteren“, so Köpke. Die Technik selbst sei aber sehr sauber und gut erhalten, da sie in einem Schrank untergebracht und der Dachboden sehr gut belüftet und sauber gehalten sei. „Oft finden wir in solchen Räumlichkeiten zentimeterhoch Kot von Fledermäusen oder Tauben. Das ist hier nicht der Fall. Wir werden die Technik zerlegen, alle Teile in unserer Werkstatt reinigen, defekte Teile ersetzen und neu mit den Originalfarben lackieren“, so Köpke, der ursprünglich Landmaschinenmechaniker gelernt hat.
Uhrenhersteller existiert immer noch
Genau wie die mit der Wartung betraute Firma Otto Buer ist auch der heute noch bestehende Uhrenhersteller Beyes ein Traditionsunternehmen. Auf die Produkte von Beyes vertrauen unter anderem die St. Michaeliskirche in Lüneburg sowie die St.-Georg-Kirche in Herrhausen am Harz. Auch die Turmuhr der Alten Schule in Bannetze, einem Ort nahe Celle, stammt aus Hildesheim.
„Die Technik ist robust, und sie funktioniert in der Regel gut. Die Uhr wird jährlich gewartet“, sagt Pastor Andreas Schöer. Allerdings muss die Uhr einmal pro Woche aufgezogen werden. Damit wechseln sich das Hausmeister und Bernd Münchow vom Kirchenvorstand ab. Jeden Sonnabend zur Wochenmarktzeit steht einer der Helfer auf dem Kirchturm. „Es gibt zwei Kurbeln, mit denen die an Drahtseilen hängenden Betongewichte hochgezogen werden. Ein Gewicht treibt das Läutwerk der Glocken an und muss 80 Umdrehungen hoch gekurbelt werden. Das andere ist für das Uhrwerk zuständig und benötigt 30 Umdrehungen“, so Münchow.
Eine Gebrauchsanleitung für das 127 Jahre alte Uhrwerk gibt es nicht. Informationen über Bedienung und Pflege werden mündlich weitergegeben. Münchow: „Die Uhr geht relativ genau. Alle zwei bis drei Wochen muss sie einige Minuten vorgestellt werden. Das war’s.“