Lauenburg. Andreas Thiede hat aus seiner Sicht kaum Fehler gemacht. Er ist stets optimistisch. Tritt er im nächsten Jahr erneut zur Wahl an?
Als Andreas Thiede am 1. April 2011 sein Amt als Bürgermeister in Lauenburg antrat, stand es schlecht um die Stadt: Sein Vorgänger Harald Heuer hatte vorzeitig das Handtuch geworfen. Zwei Jahre zuvor hatte die Lauenburger Verwaltung ohne Abstimmung mit der Politik das Memorandum „Lauenburg ruft“ auf den Weg nach Kiel gebracht – und sich damit praktisch selbst aufgegeben. Das strukturelle Defizit betrug zu diesem Zeitpunkt 14,1 Millionen Euro. Eine Verwaltungsgemeinschaft mit der Stadt Geesthacht mit Jahresbeginn 2012 schien unausweichlich. Als gemeinsamer Kandidat von SPD und CDU setzte sich Andreas Thiede bei der Wahl gegen drei Mitbewerber durch. Und er hatte Glück: Statt den Fusionsvertrag mit Geesthacht zu unterschreiben, setze er 2012 seine Unterschrift unter den Konsolidierungspakt mit dem Land.
Im November 2016 erhielt Andreas Thiede mit 86,6 Prozent ein klares Votum für eine zweite Amtszeit. Eigentlich ein Traumergebnis, doch die Wahlbeteiligung war mit 23,4 Prozent gering, wohl auch, weil er der einzige Kandidat war. Wir sprachen mit Andreas Thiede über die zehn Jahre als Bürgermeister von Lauenburg – fragten nach Erfolgen, aber auch möglichen Fehlern, die er gemacht habe. Und wir wollten wissen, ob er im nächsten Jahr wieder zur Wahl antritt.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag als Bürgermeister der Stadt Lauenburg erinnern? Was ging Ihnen damals durch den Kopf?
Andreas Thiede: Ich erinnere mich noch sehr gut. So freundlich wie der Empfang im Rathaus durch die Mitarbeiter war, so irritiert war ich von meinem neuen Büro. Dort stand ein riesiger vertrockneter Ficus Benjamini mit kaum noch Blättern dran, die EDV war total veraltet, und es gab keine einzige Akte.
Als Sie ihr Amt antraten, welche Stimmung haben Sie in der Verwaltung und der Politik wahrgenommen und in der Stadt überhaupt?
Die Lauenburger Stadtverwaltung war damals gezeichnet vom jahrzehntelangen Sparzwang, und dennoch wirkte das Betriebsklima auf mich sehr familiär. Die Mitarbeiter zeigten sich zudem hochmotiviert und sie waren offen für Neues. So fingen wir gemeinsam mit der Politik und mit viel Enthusiasmus an, uns von den Altlasten zu befreien, um die Stadt in eine bessere Zukunft zu führen. Die Erwartungshaltung war nach meinem klaren Wahlsieg auf allen Seiten extrem hoch.
Sie galten von Anfang an als Bürgermeister, für den das Glas symbolisch immer halb voll, statt halb leer ist. Entspricht diese Grundeinstellung ihrem persönlichen Naturell, oder ist das eher Zweckoptimismus?
Tatsächlich sehe ich häufiger die Chancen als die Risiken und suche eher die Gründe für, anstatt gegen etwas. Das hilft mir bei der Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen. Gerade zu Beginn meiner Amtszeit sagten mir viele, dass ich mir diese Eigenschaft bloß bewahren solle. Das ist mir zugegebenermaßen nicht immer leichtgefallen. Zu dick waren manche Bretter, die durchbohrt werden mussten.
Relativ kurz nach ihrem Amtsantritt haben Sie den Menschen eine Vision von Lauenburg im Jahre 2016 präsentiert: Edeka-Neubau, Marktgalerie und Markthalle, Fünf-Sterne-Luxushotel, eine Hefefabrik und weitere Firmenansiedlungen. Wie denken Sie heute über diese Ankündigungen?
Wer sich mit solchen Entwicklungen auskennt, weiß, wie schwierig diese zu realisieren sind und dass es auch Rückschläge geben kann. Richtig punkten kann man allein mit einer erfolgreichen Umsetzung. Dafür habe ich natürlich Verständnis. Doch noch ist nicht aller Tage Abend. Abgerechnet wird immer am Schluss.
2013 bezeichneten Sie Lauenburg als „Boomtown“. Dass vieles bisher nicht umgesetzt wurde, kreiden Ihnen manche Menschen persönlich an. Haben Sie das eine oder andere Mal aufs falsche Pferd, sprich Investor, gesetzt? Haben Sie sich das eine oder andere Mal blenden lassen?
Nein, keinesfalls. Auch wenn uns das Hochwasser im selben Jahr in der Entwicklung massiv zurückwarf, war mit der Einführung der gymnasialen Oberstufe im Jahre 2013 eines meiner ersten politischen Ziele erreicht. Nachweislich wandelte sich das Blatt von dort an zum Besseren. Mehr Einwohner, höhere Einnahmen, weniger Schulden und die Verlässlichkeit der Politik eröffneten uns ganz neue Horizonte.
Selbst Ihre größten Kritiker bestreiten nicht, dass sich in Lauenburg während Ihrer Amtszeit einiges bewegte. Die Albinus-Gemeinschaftsschule hat einen modernen Neubautrakt erhalten. Die Grundstücke im neuen Wohnbaugebiet Birnbaumkamp gingen weg wie warme Semmeln. Die neue Wohnanlage an der Hamburger Straße ist bezogen. Und Edeka wird den neuen Markt bald eröffnen. Auf welches realisierte Projekt der vergangenen zehn Jahre sind Sie besonders stolz?
Das Wichtigste ist: Niemand spricht heute mehr von einer Zwangsfusion, die Lauenburger bleiben eigenständig und können selbstbewusst nach vorn schauen! Auch wenn noch nicht alles Gold ist, was glänzt, vieles mehr als von Ihnen aufgezählt wurde zwischenzeitlich erreicht. Es macht mich glücklich zu sehen, wie alle Lauenburger dies gemeinsam geschafft haben. Stolz bin ich auf den Zusammenhalt während des letzten Hochwassers, in der Flüchtlingskrise und auch jetzt während der Pandemie.
Gesetzt den Fall, es gibt im nächsten Jahr einen Neujahrsempfang. Auf welche wichtigen Projekte dieses Jahres werden wir ganz sicher zurückblicken können?
Zuallererst hat uns natürlich auch das Thema Corona beschäftigt. Gleichwohl arbeiten wir nach wie vor energisch an der Realisierung des Hotelprojekts, der Revitalisierung unserer Innenstadt, dem Neubau der Sporthalle sowie des Medienzentrums, der Schulsanierung im Weingarten und vielem mehr. Den einen oder anderen Baubeginn dürften wir in diesem Jahr sicher noch erleben. Doch sind es oftmals auch die kleinen Dinge, die den Menschen viel Freude bereiten: Hier ein buntes Blumenbeet, dort ein neuer Spielplatz.
Kommen wir zu den Visionen zurück: Welche Projekte halten Sie für besonders wichtig, um Lauenburg für die nächsten Jahrzehnte zukunftsfähig zu machen? Welche Probleme müssen aus Ihrer Sicht unbedingt gelöst werden?
Neben der Beseitigung der Brandruine im Herzen unserer Stadt beschäftige ich mich derzeit intensiv mit der Entwicklung unseres neuen Gewerbegebietes. Um dauerhaft auf der Erfolgsspur bleiben zu können, bedarf es neben einer ausgewogenen Wohnbauentwicklung auch zusätzlicher Arbeitsplätze durch Gewerbeansiedlungen.
Sie sind erklärtermaßen kein Freund der sozialen Netzwerke. Einige ihrer Amtskollegen aus der Region nutzen diese aber ganz bewusst, um auf die Bürger zuzugehen. Gerade jetzt in der Corona-Krise, in der es vielen Menschen aus unterschiedlichen Gründen schlecht geht. Welche Form der Ansprache halten Sie für geeignet?
Mir ist der persönliche Kontakt immer am wichtigsten. Insofern gehe ich häufig auf die Menschen zu und spreche sie direkt an. Gleiches wünsche ich mir von denen, die ein Anliegen an mich haben. Ganz gleich, ob ein persönliches Treffen, ein Telefongespräch oder eine Videokonferenz bevorzugt wird, ich bin gern für sie da. Endloses scrollen in Chatverläufen empfinde ich hingegen als lästig.
Ende kommenden Jahres steht in Lauenburg die nächste Wahl für das Amt des Bürgermeisters an. Werden Sie wieder antreten?
Nein. Und weil fast zeitgleich auch die beiden Amtsleiter Reinhard Nieberg und Thomas Burmester ausscheiden, habe ich meine Entscheidung schon sehr frühzeitig bekannt gegeben, damit sich die Personalentwicklung rechtzeitig auf diese Situation einstellen kann. Bis dahin gibt es aber noch vieles zu tun.