Lauenburg. Bei den Schulwäldern wurde die notwendige Aufforstung mit einem pädagogischen Ansatz verbunden.

Die Kollegen, die vor 70 Jahren für die Lauenburgische Landeszeitung schrieben, prophezeiten: „Einst wird es heißen: ,Düssen Wald hett mien Grotvadder plant.’ Recht hatten sie. Der Schulwald existiert noch heute – und es gibt Lauenburger, die sich an die Zeit damals erinnern.

Als der Lauenburger Pädagoge Erich Völkner der Stadt das Gelände am Rande der Stadt abtrotzte, musste er einen festen Glauben an die Begeisterungsfähigkeit seiner Schüler gehabt haben. Schließlich war das Gelände zwischen Buchhorster Weg und Berliner Straße an „Hässlichkeit nicht zu überbieten“ gewesen, wie die Zeitung damals schrieb.

Doch der Rektor der der Volksschule am Weingarten fand offenbar Wege, die Abenteuerlust der Jugendlichen zu wecken – und sogar seine Kollegen von dem Projekt zu begeistern. Allein in den ersten beiden Jahren wurden dort 3980 Bäume gepflanzt.

Viele Bäume im Krieg für Feuerholz gefällt

Heute würde man dem Öko-Projekt wahrscheinlich einen klangvollen Namen geben. Vor 70 Jahren waren die Gründe für so eine Initiative eher pragmatisch. Das Land Schleswig-Holstein hatte die sogenannte Schulwaldbewegung ins Leben gerufen. Während des Krieges waren viele Bäume gefällt worden, um Feuerholz zu gewinnen. Bei den Schulwäldern wurde die notwendige Aufforstung mit einem pädagogischen Ansatz verbunden.

Der Lauenburger Schulrektor notierte damals: „Bei Waldbegehungen unter Führung des Försters in dem erwähnten Wald vor den Toren der Stadt hatten Lehrer und Schüler unserer Schule aus eigener Anschauung gesehen, welche verheerenden forstwirtschaftlichen und biologischen Folgeerscheinungen Raubbau am Wald nach sich ziehen kann. Diese Tatsache und die Einsicht, daß auf vielen Umlandflächen wohl durchaus Bäume wachsen könnten, waren in Verbindung mit ideellen, erzieherischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmend für die Anpflanzung unseres Schulwaldes, den wir im Frühjahr 1951 in Angriff nahmen.“

Es war ein riesengroßes Abenteuer

Wahrscheinlich haben die Lauenburger Jugendlichen vor 70 Jahren die tiefe Bedeutung ihres Tuns nicht gesehen. Es war vielmehr ein riesengroßes Abenteuer. Statt Mathe und Deutsch zu pauken, ließen sie sich den ganzen Tag frische Luft um die Nase wehen. Der heute 83-jährige Friedrich Schnoor erinnert sich an die Zeit, als er die 8. Klasse der Lauenburger Volksschule besuchte: „Wir waren 48 Schüler in der Klasse und hatten mit Herrn Heussler den besten Lehrer, den man sich vorstellen kann.“

Korrektor Heussler war es auch, der mit den Halbwüchsigen in in das unwirtliche Gelände am Rande der Stadt zog. „Die kleinen Hügel waren für uns damals Berge, wir standen ja noch nicht besonders gut im Futter“, sagt er schmunzelnd.

Spaß machte es offenbar trotzdem: Innerhalb eines Jahres pflanzten die Lauenburger Schüler nicht nur zahlreiche Pappeln, Akazien, Linden und Lärchen an. Sie bauten und montierten auch insgesamt 20 Nistkästen.

Erster Preis im Landeswettbewerb 1955

Und weil die Jugendlichen wollten, dass man sich noch viele Jahrzehnte später an die Anfänge des kleinen Waldes erinnert, brachten sie auffällige Schilder mit klangvollen Namen an: Langer Berg, Eichengrund und Erlenschlucht. Romantische Schluchten hat es in dem Schulwald nie gegeben, aber auch über die Stadtgrenzen hinaus gab es Anerkennung für das Lauenburger Projekt. 1955 erhielt die Schule dafür den ersten Preis im Landeswettbewerb der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

Doch die Begeisterung hielt nicht lange an, das kleine Wäldchen war bald sich selbst überlassen. Erst Mitte der 1970er-Jahre nahm sich die Albinus-Realschule des Kleinods an. Mit Erfolg: Nach einem ersten Preis 1991 im Landeswettbewerb Schutzgemeinschaft Deutscher Wald erhielt die Schule 2005 auch den Schulwaldpreis des Landes. 2013 ermöglichte eine Spende der Kreissparkasse, dass mehrere Hundert Bäume gepflanzt werden konnten.

Waldbesuch nach Klassentreffen

Friedrich Schnoor, der mittlerweile in Hamburg lebt, hat seinem alten Schulwald kürzlich während eines Klassentreffens einen Besuch abgestattet. „Es ist ja ein richtiger kleiner Wald geworden“, freut er sich. Aber das Schild am Eingang irritierte ihn dann doch. „Es stand dort nur etwas von einem Schulwald der Albinus-Schule. Kein Wort davon, dass wir Weingartenschüler es waren, die das Gelände urbar machten.“ Doch er hofft, dass mancher Lauenburger heute sagt: „Düssen Wald hett mien Grotvadder plant.“