Lauenburg. Innovatives wird getestet, Traditionelles schafft es nicht immer. In der Krise hält die Stadt zusammen.

Was würden Fünfjährige wohl kaufen, wenn sie 10.000 Euro hätten? Die Kinder aus der Lauenburger Kita Wabe haben sich noch nicht entschieden. Hier haben die Kinder nämlich ein Mitspracherecht in allen Belangen. Das gilt natürlich auch für die Verwendung des Preisgeldes. Am Abend des 16. Juni stand fest: Die Lauenburger Kita Wabe gehört zu den vier Zweitplatzierten des Wettbewerbes in der Kategorie „Kita des Jahres“. Damit konnte sich das Team um Leiterin Andrea Milewski über ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro freuen. In der Kita Wabe stellen die Kinder die meisten Regeln auf. Dieses Konzept überzeugte die Jury aus dem Bundesfamilienministerium. Hinter dem pädagogischen Konzept „Kinderstube der Demokratie“ steckt die Idee, dass Kinder – wenn man sie lässt – ein gesundes Gespür für ihre eigenen Bedürfnisse haben. Sie entscheiden in der Wabe, wann sie essen oder schlafen möchten, wer sie trösten oder mit ihnen Geburtstag feiern darf, wann sie draußen toben oder lieber singen wollen.

Für den Kita-Preis 2020 hatten sich deutschlandweit 1500 Kindergärten beworben. Eigentlich sollte die Entscheidung schon im Mai fallen, doch die coronabedingten Einschränkungen ließen die geplante Gala in Berlin nicht zu. Deshalb saßen die Vertreter der zehn Finalisten am Entscheidungstag gespannt vor dem Monitor, als gegen 18 Uhr Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Preisträger bekannt gab.

Weltweite Aufmerksamkeit für TaBuLa

Nicht nur deutschlandweit, sondern sogar weltweit erregte ein anderes Lauenburger Projekt Aufmerksamkeit. Hamburg richtet 2021 den Weltkongress zu „Intelligent Transport Systems“ (ITS) aus und im Oktober vergangenen Jahres stand fest: Das blau-weiße Shuttle aus Lauenburg ist eines des Ankerprojekte. Kein Wunder, schließlich wird auf dem Kongress von den internationalen Experten der Entwicklungs- und Forschungsstand intelligenter Transportsysteme diskutiert. Als Ankerprojekte wurden im Vorfeld Projekte ausgezeichnet, die eine besondere Strahlkraft besitzen und eine maßgebliche Wirkung im Bereich intelligenter Transportsysteme mitbringen, wie beispielsweise reduzierte Umwelteinflüsse.

In diesem Zusammenhang dürfte sich die Aufmerksamkeit der Experten auch auf den „kleinen Bruder“ des Shuttles richten. Unter dem Namen TaBuLa-Log begannen die Projektbetreuer der Technischen Universität Hamburg (TUHH) 2020 mit der Weiterentwicklung des Projektes. Das Ziel: Es werden nicht nur Personen, sondern auch Waren und sogar Briefsendungen transportiert.

Seit Mai ist der fahrerlose Bus unterwegs

Das „Testzentrum für autonome Busse im Kreis Herzogtum Lauenburg“ (TaBuLa) ist bereits seit Januar 2018 aktiv. Seit Mai 2020 ist der fahrerlose Kleinbus zwischen Ober- und Unterstadt unterwegs. Eine Umfrage bestätigte im vergangenen Jahr: Das langsam fahrende Shuttle wird zwar manchmal als Verkehrshindernis empfunden, die meisten Lauenburger stehen dem innovativen Projekt aber aufgeschlossen gegenüber.

Bei allem technischen Fortschritt - Lauenburg ist auch eine Stadt uralter Traditionen. Umso trauriger ist es, dass im Oktober vergangenen Jahres ein Kapitel endgültig abgeschlossen war: Der Lauenburger Männerchor von 1842 gab seine Auflösung bekannt. Eigentlich hätte es noch ein Abschiedskonzert geben sollen, doch Corona macht einen Strich durch die Rechnung. „Es hat keinen Zweck mehr. Ich war mit 64 Jahren das jüngste Mitglied. An musikalischen Nachwuchs für unseren Chor war leider nicht zu denken“, bedauerte der erste Vorsitzende Wolfgang Lattki. Im hohen Alter und mit zuletzt nur noch 15 Mitgliedern sei es eben nicht möglich, einen vierstimmigen Männergesang auf die Bühne zu bringen. „Wir haben uns schweren Herzens entschlossen, den Chor aufzulösen, ehe man uns auspfeift“, sagt Lattki mit einer Spur Galgenhumor in seiner Stimme. Es selbst war 30 Jahre lang Mitglied im Männerchor.

Wenn es drauf ankommt, rückt Lauenburg zusammen

Schulen und Kitas blieben geschlossen, Veranstaltungen wurden abgesagt, öffentliche Einrichtungen durften nicht mehr betreten werden – das Coronavirus hatte die Stadt ab Mitte März fest im Griff. Nach einer kurzen Lockerung im Sommer, ist das Leben seit November wieder fast zum Erliegen gekommen. Doch wie immer, wenn brenzlig wird, rücken Lauenburger zusammen. So war es während des verheerenden Hochwassers im Juni 2013 – und so ist es auch jetzt. Drei Menschen stehen stellvertretend für viele Ehrenämtler, die im vergangenen Jahr Großes leisteten.

Bei Traute Dudda gab ein Besuch bei der Tafel den Anstoß. "Ich habe dort gesehen, wie viel Armut es doch in unserer Stadt gibt. Viele haben während der Corona-Krise ihr Einkommen verloren. Bei einigen reicht es nicht mal, Kindern Geschenke unter den Weihnanchtsbaum zu legen", hat sie dort erfahren. Seitdem gleicht das Büro von Pastor Ulrich Billet an der Alten Wache 13 einem Spielzeuggeschäft: Gesellschaftsspiele, Kuscheltiere, Puppen, Kinderbücher und DVDs – hier können Eltern für ihre Kleinen nach Geschenken stöbern und zwar kostenlos. Neben ihrer Tätigkeit in einem Pflegeheim betreut Traute Dudda den Laden ehrenamtlich.

Marion Grundmann wollte nicht untätig zusehen, dass vielen Menschen während des Lockdows die Decke auf den Kopf fällt.Die Chefin der Turnabteilung der LSV hat sich im vergangenen Jahr immer neue Sachen einfallen lassen, die Lauenburger in Bewegung zu halten, auch wenn diese nicht Mitglied der LSV sind. Auf ihre regelmäßigen Anregungen auf der Webseite freuen sich seitdem sogar Menschen, die sich bisher zu den Bewegungsmuffeln zählten. Ihr Motto: "Fit bleiben und den Kopf nicht hängen lassen!"

Für Horst Eggert begann das Jahr 2020 mit einer besonderen Ehre: Beim Neujahresempfang erhielt der Heimatforscher für seine Verdienste um die Lauenburger Stadtgeschichte den „Rufer“, die höchste Auszeichnung, die die Stadt zu vergeben hat. Zehn Jahre lang war er Chef des Lauenburger Heimatbund und Geschichtsvereins, sein unerschöpfliches Archiv beinhaltet Tausende Dokumente und Bilder der Stadt an der Elbe: Auch für uns Lokalredakteure hat er immer ein offenes Ohr, wenn es um historischen Themen geht. Im August feierte das "Gedächtnis der Schifferstadt" seinen 85. Geburtstag.

+++ Das Jahr 2020 im Zeitstrahl +++

Januar

Umzugspläne begraben: Schloss bleibt Verwaltungssitz und soll saniert werden. Zweite Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben startet“. Lauenburg erhält bis 2025 insgesamt 700.000 Euro aus diesem Topf.

Digitalpakt Schule: Lauenburg erhält insgesamt 484.000 Euro.

Marktgalerie: Politik und Verwaltung begraben das ursprüngliche Projekt. Ein Investorenauswahlverfahren soll ein neues Konzept hervorbringen.

Februar

Elbschifffahrtmuseum: Historiker Dr. Jörn Bohlmann übernimmt die Leitung.

Elbe-Lübeck-Kanal: Bundesverkehrsministerium teilt mit, dass die Verbreiterung und Vertiefung des Elbe-Lübeck-Kanals derzeit zurückgestellt wird.

März

Corona-Pandemie: Die Kultur- und Kneipennacht und der Kurs-Elbe-Tag werden abgesagt. Evangelische Kirchengemeinde startet die ersten virtuellen Gottesdienste und organisiert Nachbarschaftshilfe.

Stadtzentrum: Bürgerumfrage zur Lebensqualität startet. Im Ergebnis soll unter anderem ein Parkraumkonzept entstehen.

Nutzung digitaler Medien:Weingartenschule wird Modellschule des Landes Schleswig-Holsteins.

Glasfaserausbau: Die Elbe Media GmbH startet Werbekampagne für den ersten Bauabschnitt in Lauenburg.

April

Stadtzentrum: Hamburger Künstler starten auf der Brachfläche an der Berliner Straße das Projekt „Essbare Stadt“.

Neubauprojekt Edeka: Eröffnung des neuen Marktes auf 2021 verschoben. Baustelle erweist sich als zu große Herausforderung.

Corona-Pandemie: Kirchengemeinde startet Osteraktion „Hoffnungsbriefe“ für Heimbewohner. Lauenburger solidarisieren sich mit verschiedenen Aktionen mit dem Walter-Gerling-Haus. Hier hatten sich zehn Bewohner und sechs Pflegekräfte infiziert. Zwei Bewohner sind verstorben. Die chinesische Stadt Pingdingshan spendet 20.000 Masken für Lauenburg.

Mai

Masterplan Weingartenschule: Trotz Corona-Krise hält die Stadt an den Umbauplänen fest. Stadt schreibt Lieferung der Container aus, in denen übergangsweise an der Fischerkoppel unterrichtet werden soll.

Chemiewerk Worlée: Großbrand hält 300 Rettungskräfte in Atem. Beim Zusammenstoß mit einem Einsatzfahrzeug verstirbt eine Pkw-Fahrerin.

Forschungsprojekt Tabula: Das Shuttle ohne Fahrer nimmt Kurs auf die Strecke zwischen Ober- und Unterstadt.

Lauenburger Stadtvertretung beschließt Doppelhaushalt 2020/21. Baumaßnahmen im Katastrophenschutzzentrum werden auf 2022 verschoben.

Raddampfer "Kaiser Wilhelm": Vor 50 Jahren kam das Schiff von der Weser auf die Elbe. Wegen der Corona-Pandemie muss die Jubiläumstour abgesagt werden.

Juni

Historisches Vorwerkhaus: Im Januar 2019 brannte das 1730 erbaute Fachwerkhaus komplett aus und steht seitdem als Ruine im Stadtzentrum. Die Denkmalschützer des Landes streichen es von der Liste.

Autokino wird für zwei Tage auf dem Schüsselteichplatz aufgebaut. Neben den Filmveroführungen gibt es zwei Konzerte.

Messerattacke in der Innenstadt: Ein offenbar psychisch erkrankter 24-Jähriger greift Lauenburgerin an und verletzt sie mit fünf Messerstichen schwer. Der Täter wird gefasst.

Protest der Veranstaltungsbranche: Die Lauenburger Firma Weiß beteiligt sich an der bundesweiten Aktion "Night of Light", um auf die Situation in der Corona-Krise aufmerksam zu machen. Das Lauenburger Schloss erstrahlt in rotem Licht.

Juli

Parkgebühren: Nach monatelanger Diskussion erhalten Gewerbetreibende in der Altstadt verbilligte Jahrestickets zum Preis von 300 Euro.

Hotel am Fürstengarten: Planer stellen in der öffentlichen Sitzung des Bauausschusses mehrere Gestaltungsvarinaten vor.

Verein Wabe: Erster Waldkindergarten soll im Lauenburger Schulwald entstehen.

August:

Wohnanlage an der Hamburger Straße: Die Firma Semmelhaack beginnt mit der Vermietung von 84 Wohnungen, die zum Jahresende fertiggestellt werden. 25 Wohnungen sind öffentlich gefördert.

Bevölkerungsprognose: Laut Bertelsmann Stiftung schrumpft die Einwohnerzehl von Lauenburg bis 2030 von derzeit 11.800 auf 10.830. Die kleinteilige Bevölkerungsprognose des Kreises sieht dagegen ein geringes Bevölkerungswachstum voraus.

Lauenburger Stadtbetriebe investieren 750.000 Euro in Solarpark am Stadtrand, der 200 Haushalte mit Strom beliefern kann.

September

Raddampfer "Kaiser Wilhelm" startet verspätet in die Saison. Der im Jahr 1900 erbaute Schiffsveteran ist für 950.000 Euro auf der Hitzlerwerft saniert worden.

Aktion Elbgebläse: 100 Musiker treffen sich an beiden Elbufern. Dirigiert wird das einzigartige Konzert vom Wasser aus in einem Boot der DRK-Wasserwacht.

Oktober

Hotel am Fürstengarten: Stadt schließt politisch umstrittenen städtebaulichen Vertrag mit dem Träger des Vorhabens. Es gibt keine Festlegung zur Klassifikation des Hotels sowie zur zeitlichen Abfolge. Festgelegt wird aber unter anderem, dass der Fürstengarten öffentlich zugänglich bleibt.

Wirtschaftliche Vereinigung: Neuer Vorstand setzt auf mehr Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung.

Stadtzentrum: Politik gibt grünes Licht für Investorenauswahlverfahren. Parallel dazu soll die Stadt Alternativen für Brachfläche an der Berliner Straße planen.

Maria-Magdalenen-Kirche: Stiftung für Denkmalschutz stellt 8500 Euro für Sanierung des Kruzifix bereit.

November

Evangelische Familienbildungsstätte: Kerstin Möller übernimmt die Leitung der Einrichtung. Ihre Vorgängerin Kerstin Dlugi konzentriert sich wieder ausschließlich auf die Leitung der Familienbildungsstätte in Schwarzenbek.

Elbschifffahrtsmuseum: 10.000 Euro Fördermittel gibt es vom Kultusministerium in Kiel für den Aufbau eines digitalen Medienguides.

Lauenburger Elbbrücke: Der Bund und die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen verständigen sich darauf, dass die Lauenburger Elbbrücke nur für die Schienennutzung saniert wird. Es soll eine neue Straßenbrücke über die Elbe gebaut werden.

Dezember

Sozialraumanalyse: Gutachter stellen in Lauenburg keine "sozialen Brennpunkte" fest. In den Stadtteilen gibt es demnach kaum Unterschiede bei Einkommen, Altersstrucktur oder Arbeitslosenquote.

Medienzentrum im Stappenbeck: Hier sollen die Bücherei und das Stadtarchiv unterkommen. Stadt reicht Bauantrag ein, Baustart ist für 2021 vorgesehen.