Lauenburg. Ministerium legt umstrittene Vertiefung und Verbreiterung des Elbe-Lübeck-Kanals auf Eis. Die Grünen im Kreis begrüßen das.
Das Projekt war von Anfang an umstritten. Daher war auch die Überraschung groß, als der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals 2016 in den „vordringlichen Bedarf“ des aktuellen Bundesverkehrswegeplanes aufgenommen wurde. Mit dem Neubau von Schleusen und Brücken sollte das Projekt mit 838 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Jetzt folgte die Rolle rückwärts: „Die in dem Ausbauprojekt vorgesehene Verbreiterung und Vertiefung des Kanals ab Schleuse Lauenburg ist derzeit zurückgestellt“, teilte das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage der Deutschen Presseagentur mit. Der Fokus des Ministeriums liege jetzt auf „Aufrechterhaltung und Verbesserung der Nutzung“ des Kanals. So solle unter anderem die Schleuse Witzeeze erneuert werden.
Immer weniger Schiffe auf Elbe-Lübeck-Kanal
Der Elbe-Lübeck-Kanal ist die einzige Verbindung zwischen einem Ostseehafen und dem mitteleuropäischen Binnenwasserstraßennetz. Trotzdem haben in den vergangenen Jahrzehnten immer weniger Frachtschiffe den Kanal passiert. Wie berichtet, waren es im vergangenen Jahr mit 1086 Frachtern so wenig wir noch nie in der 120-jährigen Geschichte des Kanals. Im Jahr davor waren noch 140 Binnenschiffe mehr auf der Wasserstraße unterwegs, 2001 hatte das Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg (WSA) noch 4488 Binnenschiffe gezählt.
Bereits im September vergangenen Jahres hatte Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) während der Infrastrukturkonferenz der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Lüneburg mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten: Er halte andere Projekte für wichtiger als den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals.
Brackmann: Der Plan ist geltendes Recht
Damit stand er bereits damals in Widerspruch zur Auffassung des Lauenburger CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Brackmann, Ansprechpartner für die Schifffahrt bei der Bundesregierung. „Es gibt einen vom Parlament verabschiedeten Bundesverkehrswegeplan. In diesem steht der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals im ,vordringlichen Bedarf’. Das ist geltendes Recht und kann nicht einfach so vom Tisch gefegt werden“, sagte Brackmann am Montag auf Nachfrage unserer Zeitung.
Bei der IHK in Lübeck stößt der Plan des Ministeriums, den Kanalausbau auf Eis zu legen, auf wenig Verständnis. „Mit den rückläufigen Zahlen der Frachter zu argumentieren, ist nicht richtig. Ohne den Ausbau des Kanals können viele Schiffe diesen gar nicht mehr befahren“, sagte IHK-Referent, Martin Krause. Die IHK hatte vor sieben Jahren einen Arbeitskreis „Elbe-Lübeck-Kanal“ gebildet, um die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan zu erwirken.
Elbe-Lübeck-Kanal muss sich neu erfinden
Paradies für Freizeitkapitäne und Radtouristen sowie Schutzgebiet für seltene Tiere und Pflanzen: Sieht so die Zukunft des Elbe-Lübeck-Kanals aus? Dass der Ausbau der Wasserstraße vom Bundesverkehrsministerium auf Eis gelegt wurde, könnte die touristische Bedeutung des Kanals wieder in den Vordergrund rücken, sind sich die bisherigen Kritiker des Mammutprojektes einig.
Von einer neuen Chance aus der veränderten Situation geht auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer aus. „Für die Region wäre es ein Verlust, das Kanalbett auf Kosten der heutigen naturnahen Gestalt zu verändern. was brächte es rein ökonomisch, den Kanal für mehr Güterschiffe fit zu machen und stattdessen den Tourismus zu verlieren?“, fragt die SPD-Politikerin. Nicht der Elbe-Lübeck-Kanal müsse dem Schiff angepasst werden, sondern die Schiffsgrößennorm einer nachhaltigeren Entwicklung.
Grüne begrüßen den Ausbaustopp
Zu den schärfsten Kritikern des Kanalausbaus zählt der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz. Bereits im vergangenen Jahr hatte ihm Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) aus dem Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage einen entsprechenden Sachstandsbericht gegeben. In dem Schreiben vom 12. September 2019 heißt es unter anderem: „Aufgrund politischer Einflussnahme wurde der Ausbau des ELK in den BVWP 2030 mit Kosten von rund 840 Millionen Euro aufgenommen, obwohl die Maßnahme volkswirtschaftlich unrentabel ist.“
Ferlemann weist in dem Schreiben an von Notz auch auf die Schaffung von 35 zusätzlichen Personalstellen hin, die die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) für die Kanalausbau geschaffen habe.
Verbreiterung und Vertiefung ganz streichen
Die Grünen im Kreis Herzogtum Lauenburg begrüßen, dass die Umbaumaßnahmen am Elbe-Lübeck-Kanal deutlich geringer ausfallen sollen als bisher geplant. Sie fordern nun, die geplante Verbreiterung und Vertiefung ganz zu streichen.
Umgesetzt werden sollen nach dem Willen der Grünen dagegen Baumaßnahmen an der Schleuse und der Straßenbrücke Witzeeze (geplante Investitionsausgaben etwa 112 Millionen Euro) von 2027 bis 2035 sowie im Streckenabschnitt Elbe bis Schleuse Lauenburg (rund 15 Millionen Euro) von 2027-2030. Etwa 60 Millionen Euro sind für den Ersatz von Kanalbrücken eingeplant.
35 Stellen für Planung des Kanalausbau
Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Brackmann, der sich maßgeblich für die Ausnahme des Kanalausbaus in den Bundesverkehrswegeplan eingesetzt hatte, sind die 35 Planstellen derzeit ein springender Punkt: „Die Mitarbeiter sollten sich zweckbestimmt mit dem Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals beschäftigen. Dieser Beschluss kann nicht einfach so aufgehoben werden“, sagt er.
Ob die Hoffnung auf eine wachsende Bedeutung des Kanals für den Tourismus in der Region aufgeht, wird sich zeigen. Zumindest lässt sich das Interesse daran derzeit nicht an einer Zunahme der Sportboote auf dem Kanal belegen. Auch diese Zahl ist nämlich seit Jahren rückläufig – wenn auch nicht so dramatisch wie bei den Frachtschiffen.
Auch Zahl der Sportboote ist rückläufig
Im vergangenen Jahr passierten 3397 Sportboote die Lauenburger Schleuse, im Jahr davor waren es 126 Freizeitkapitäne mehr, die auf dem Kanal unterwegs waren. Zum Vergleich: Im Jahre 1992 wurden in Lauenburg noch 6457 Sportboote geschleust.
Bei Radfahrern ist die Strecke entlang des Kanals allerdings sehr beliebt: Auf den Spuren der alten Salzhändler geht der 116 Kilometer lange Radfernweg größtenteils entlang des Elbe-Lübeck-Kanals über befestigte Sandwege und verkehrsarme Straßen.